dann werde ich mich mal als erziehungstechnisch-emotionaler Totalversager zurückziehen und versuchen meinen Kindern mit chinesischen Sprichwörtern durchs Leben zu helfen, statt ihnen Einstein zuzumuten.
(Bei genauem Hinschauen ist der Unterschied jedoch nicht mehr groß: Die Erfahrung wird als der bittere Weg bezeichnet. Im Kindergartenalter ist mit Nachdenken noch nicht so viel los. Und die Antwort, wen man nachahmen soll um nicht gehänselt zu werden, das bleibt das Sprichwort auch schuldig.)
Sorry, wenn ich an dieser Stelle bissig werde.
Du hast gar keinen Grund dazu. Ich habe Dir ja nicht widersprochen. Ich sehe Dich sicher nicht als Total- oder Teilversager -- woher sollte ich dazu auch die Kenntnisse nehmen?
Wir sind uns wohl drin einig, dass es sehr einfach ist, wenn man alles so macht wie andere auch -- schön angepasst, keine Gedanken daran verschwenden, warum, wieso, weshalb. Der Weg des Nachahmens eben.
Der Weg des Nachdenkens erfordert umfassendes Verständnis. Je weniger Verständnis vorhanden ist, desto unpassender werden die vorgenommenen Schritte. Was dann wunderbar überleitet zum Weg der Erfahrung.
Wenn man nicht weiß, was man tut, man macht es nur anders, dann ist Enttäuschung programmiert. Gewissermaßen ist dieses blinde Herumstochern das, was schon viele Männer gemacht haben, die sich irgendwelche Frauenklamotten angezogen haben und dachten, das passe schon. Und leider haben solche Experimente dann das Bild vom Mann in Frauenklamotten in der Gesellschaft geprägt. Aber das nur nebenbei.
Du hast recht, wenn Du schreibst, dass Kinder eigentlich nur den Weg des Nachahmens oder den der Erfahrung gehen können -- für den Weg des Nachdenkens fehlt es einfach an Grundlagen. Was niemanden daran hindern sollte, seine Kinder immer und immer wieder zum selbständigen Nachdenken, Argumentieren und Diskutieren zu ermuntern. Wie man hier lesen konnte, hat es bei einigen ja doch schon funktioniert.
Wenn Du meine bescheidene Meinung lesen willst, wen man imitieren soll -- das Alphatier.
Menschliche Rotten werden aber immer ein Omegatier haben, jemand, auf dem rumgehackt werden kann. Manche können sich mit so einer Position anfreunden und werden großartige Komiker und Clowns, andere leiden still und laufen irgendwann Amok. Dazwischen gibt es jede Menge Abstufungen. Sich daraus befreien zu wollen, endet nicht selten in einem Ausbruch zerstörerischer Kraft, z.B. in Form von gewalttätigen Mutbeweisen, um sich den Respekt der Restrotte zu verschaffen. Da halte ich es doch mit Malcolm: "Das Beste an der Kindheit ist, dass sie irgendwann endet." Es ist zynisch, für viele Omegakinder aber wohl die realistischste Option.
Das Grausamste ist wohl aber: Wenn es ein Kind schafft, sich aus dieser Position zu befreien, trifft es ein anderes Kind. Vielleicht mag Ben aber auch mal was zum Thema 'Gruppendynamiken bei Kindern' erzählen. Ich mag ja nicht ausschließen, dass bei entsprechender Anleitung und mit den richtigen Kindern die Auswüchse solcher Probleme fast unsichtbar werden. Aber da ich in niemandes Kopf schauen kann, kann ich mir nie sicher sein, ob die Anlagen zu solchem Verhalten nicht immer unterschwellig präsent sind. Hmmm ... zugedeckt von einem Mantel der Zivilisation. Das würde ein möglichst zivilisiertes Umfeld erfordern. Eines, wo Gewalt, Härte, Dominanz & Co. geächtet und Respekt, Kooperation & Einfühlungsvermögen gefragt sind. Ich glaube, ich muss über diese Zusammenhänge nochmal nachdenken.
LG
Masin