Hallo Magix,
wenn ich an meine Mutter denke ... sie trug 1952 als erste Frau im Dorf eine Hose. Als Schneiderlehrling hatte sie sich eine genäht. Gesehen habe ich das nicht, sie war damals erst 15 und ich noch in weiter Ferne. Ich kann also nur Schilderungen meiner Mutter hier wiedergeben:
natürlich wurden hosentragende Frauen zu der Zeit angefeindet, allerdings war auch die Rolle der Frau zu der Zeit eine andere. Das ist also irgendwie nicht vergleichbar.
Genäht hat sich allerdings nicht nur eine Hose, sondern weil ihre Oberteile, angepaßt auf ihre Röcke, scheußlich zu der Hose aussahen, hat sie sich gleich noch passende Bluse und Jacke genäht. Auch bei den Schuhen achtete sie darauf, daß sie im Stil paßten, und hat sich aus der Kinderabteilung Jungenschuhe gekauft.
Nach anfänglichen Problemen allerdings hatte sich die Dorfgemeinschaft daran gewöhnt. Dann kamen immer mehr Berichte über Frauenhosen, und sie gründete einen Teil ihres geschäftlichen Erfolgs (klingt viel, aber sie wollte nie mehr sein als eine Dorfschneiderin und hat auch nicht mehr daraus gemacht) darauf, Hosen für Frauen herzustellen: weil sie halt bekannt dafür war, kamen Frauen die eine Hose haben wollten auch zu ihr.
Aber ich bin nach wie vor der Meinung, dass eine "Gewöhnung der Umwelt" besser / leichter erreicht werden kann, wenn die übliche Kleidung beibehalten wird und eben nur ein Teil -- Hosen gegen Rock -- ausgetauscht wird.
Es gibt grundsätzlich (mindestens) zwei Wege: der eine ist die Politik der kleinen Schritte, wie Du sie hier anführst. Bislang hat das allerdings wenig gebracht, und da er bereits seit Jahrzehnten erfolglos praktiziert wird lohnt keine weitere Diskussion darüber? Der andere Weg ist, viel zu fordern um einen Teil davon zu erreichen. Praktiziert wird der zum Beispiel von den Modemachern in der Damenmode, die in ihren Modeschauen in untragbarer Form Trends vorgeben, die dann zum Teil und in abgemilderter Form ihren Weg in die Läden und in das Straßenbild finden. Ob der Weg auch in der Herrenmode gangbar ist, ist das was ich hier eigentlich diskutieren wollte - oder ob ich noch andere Wege übersehen habe?
Ich bin jetzt auch nicht der Typ, der permanent im Rampenlicht stehen möchte. Ich tauche auch gern mal in der Masse unter.
So wird es den meisten gehen. Dennoch, hin und wieder macht es einem nichts aus aufzufallen oder man genießt es in seltenen Fällen gar. Genau diese Momente werden gebraucht, um etwas Neues einzuführen. Dann aber darf es ruhig auch etwas mehr sein, oder?
Meine Wunschvorstellung ist, dass wenn es einem Gegenüber dann auffällt, dass der Typ, der grad vorbei gelaufen ist, nun mal einen Rock und eben keine Hose getragen hat und dass diese Erfahrung dann in eine "positive Schublade" gesteckt wird.
Ist es positiv, wenn der Gegenüber denkt "der trägt einen Rock, ist ja in Ordnung, aber in der Kombination? Dann sollte er sich wenigstens trauen das "richtig" zu kombinieren. So sieht das irgendwie lächerlich aus!" (genau dies habe ich auch schon des öfteren gehört)?
Bei dem einen oder anderen ...
Natürlich, Du kannst es nie allen recht machen. Ich bin auch überzeugt: würden wir jetzt alle mit Minikleid, Netz-SH, HighHeels, perfektem Make up und lackierten Fingernägeln rumlaufen, würden wir damit auch nicht die größtmögliche Menge positiv ansprechen. Vielleicht würde es uns gelingen, den einen oder anderen zu motivieren mal einen Teil davon zu probieren, so nach dem Motto "wenn der das so kann, dann kann ich auch einen schlichten langen Jeansrock anziehen"? Aber alle die, die Dich bislang in Deinem "gemäßigten Outfit" gesehen und für nachahmenswert empfunden haben, die würden wir so vor den Kopf stoßen. Für uns zählt die Mischung: jeder auf seine Weise, so wie er es überzeugend rüberbringt. So erreichen wir beide Lager, und es kommt durch die jeweilige Persönlichkeit auch am ehesten an. Die Frage aber ist: welche Vorgehensweise kann ich einem Modedesigner empfehlen?
Gruß
Jürgen