Heute war ich zum Hospitieren in einer Einrichtung und durfte in allen fünf Gruppen mal hereinschnuppern, um Team und Kinder kennenzulernen. Ich war natürlich heute wieder im Rock hospitieren. Ich trug meinen dunkelblauen Midifaltenrock, schwarze Leggings, bordeauxroter Pulli und meine Nägel sind in einem ganz dunklen Blau lackiert.
Als Erstes war ich zum Gespräch im Büro mit Leitung und Stellvertretung. Es gab interessierte Blicke wegen Rock und Nagellack, aber das war es auch. Ich habe auch kurz meine Gründe für den Wechsel angeschnitten. Die Beiden mussten den Kopf schütteln, als ich erzählte, dass Eltern Angst hatten, ihre Kinder könnten durch mich schwul werden. Aussage der Leitung: "Wie dumm ist das denn? Kaum zu glauben, dass manche Leute noch so denken." Dann erzählte er mir, dass es hier einen Jungen gibt, der sehr häufig im Kleid in den Kindergarten kommt.
In allen Gruppen gab es von den Erzieher*innen keine nennenswerten Reaktionen. Kommentare gab es auch keine, bis auf die Praktikantin, die zu einem Kind sagte: "Schau mal, Yoshis Nägel haben die gleiche Farbe wie deine Spielfigur." Ich würde auch mal sagen, dass die Akzeptanz in pädagogischen Berufen sowieso überdurchschnittlich hoch ist und Diversität sehr begrüßt wird. Aber kommen wir zu den Reaktionen der Kinder, weil das viel spannender ist.
Ich habe ja nun in den vergangenen Wochen einige Male hospitiert und es ist jedes Mal interessant, wie unterschiedlich die Reaktionen ausfallen. Wie gesagt, war ich in fünf verschiedenen Gruppen und prinzipiell reagieren nur vereinzelte Kinder. Dem Großteil ist es erfahrungsgemäß egal. Die fünf Gruppen teilen sich auf drei Kindergarten- und zwei Hortgruppen auf, wodurch verschiedene Altersklassen auf meine Kleidung reagierten konnten.
Gruppe 1 (Kindergarten, 3-6 Jahre):
In dieser Gruppe war mein Rock und mein Nagellack überhaupt kein Thema. Wir saßen beim Mittagessen und ich war im Gespräch mit den Kindern. Die haben mich mit Fragen ausgequetscht, aber rein gar nichts bezüglich meines Kleidungsstils.
Gruppe 2 (Kindergarten, 3-6 Jahre):
Hier setzte ich mich zu den Kindern auf den Bauteppich und war gleich von einer Kindertraube umgeben. Nach einigen Minuten fasste mich ein Kind mit seinen kalten Händen am Hals an. Ich zuckte erstmal zusammen und sagte: "Deine Hände sind ja eiskalt. Hast du die aus dem Kühlschrank?" Danach fasste ich seine Hände an, um ihm zu zeigen, wie warm meine sind. Das hat ihn total fasziniert und er sagte enthusiastisch zu einem Mädchen: "Guck mal, seine Hände." Sie verstand nicht, dass er meine Körperwärme meinte und sagte ganz gelassen: "Ja, er hat Nagellack. Hab ich schon gesehen." Das klang für mich so wie: "Was machst du für einen Wind? Ist doch gar nichts besonderes!" Der gleiche Junge setzte sich kurze Zeit später auf meinen Schoß, schaute nach unten, deutete auf den Rock und fragte: "Was ist das?" Ich antwortete: "Das ist mein Rock." Damit war es für ihn abgehakt und er erzählte mir von seiner Kitagruppe.
Gruppe 3 (Kindergarten, 3-6 Jahre):
Ich puzzelte mit ein paar Jungs an einem Tisch. Ein Mädchen beobachtete mich von Weitem. Nach einer Weile setzte sie sich dazu und fragte verdutzt: "Wieso hast du einen Rock an? Und wieso hast du Nagellack?" Ich sage bei sowas immer nur: "Mir gefällt das. Ich finde es schön und Röcke sind voll bequem." Sie schaute mich nur fragend an, vergrub ihre Gesicht hinter ihren Händen und meinte "Bäh." Ich fragte sie: "Gefällt dir das nicht?" Sie zeigte mit dem Daumen nach unten. Interessanterweise gibt es dieses Verhalten häufiger bei jungen Mädchen und das waren in der Vergangenheit auch die Kinder, die mich dann am meisten mochten und mir nach kurzer Zeit am häufigsten Komplimente gaben. Kinder zeigen manchmal ihre Zuneigung, indem sie einen necken und ich glaube, dass es bei diesem Mädchen auch der Fall war. Sie hat danach noch lange mit mir gequatscht. Später kamen zwei Mädchen zu mir und fragten: "Warum hast du ein Kleid an?" Ich finde es interessant, dass sie "Kleid" sagten und nicht "Rock". Ich gab meine Standardantwort und eine sagte nur: "Wirklich? Sind Kleider so bequem?" Daraufhin sagte ich: "Du hast doch selbst ein Kleid an. Findest du das bequem?" Ihre Freundin kam und hob meinen Rock hoch, was durch die Leggings natürlich nicht tragisch war, aber ich sage ihr, dass ich das nicht möchte." Sie sagte: "Ich wollte wissen, was du dadrunter trägst." Ich bin immer wieder überrascht, dass es immer nur Mädchen sind, die das machen. In meiner ganzen Kindergartenzeit hat das noch kein einziger Junge gemacht, aber bestimmt über zwanzig Mädchen.
Gruppe 4 und 5 (Hort, 7-10 Jahre):
Zum Schluss durfte ich nochmal in die Hortgruppen, die sich zu dieser Zeit schon zusammengelegt hatten. Da war ich besonders gespannt, weil ich die Reaktionen dieser Altersgruppe nicht einschätzen konnte. Ich betrete den Raum und eine Gruppe von interessierten Kindern kommt auf mich zugestürmt. Es wird wieder die Frage gestellt: "Warum trägst du ein Kleid?" Interessant, dass schon wieder das Wort "Kleid" fällt, obwohl es eindeutig ein Rock ist. Ich gab meine Standardantwort, dann wird mein Nagellack entdeckt und ein Mädchen zeigt mir ganz stolz ihre türkisen Fingernägel. Ein Verhalten was ich auch häufig erlebe, dass Mädchen sich freuen eine Gemeinsamkeit zu entdecken, wodurch sie gleich Sympathie entwickeln. Danach spielte ich und unterhielt mich mit den Kindern. Ich hatte das Gefühl, dass die Kinder, Jungs sowieso Mädels, es ziemlich cool fanden, dass ich Nagellack und Rock trug. Ich empfand diese Altersklasse aber offensiver im Ansprechen als die jüngeren. Kann natürlich nur Zufall sein, aber in diesem Falle war das so.
Gruppe 1 (Kindergarten 3-6 Jahre):
Zum Schluss bin ich nochmal zurück in Gruppe 1, wo ich bereits als Allererstes war und nun darauf wartete, dass mich die Leitungen ins Büro holen. In dieser Zeit spielte ich mit einem Mädchen ein Brettspiel. Sie sagte: "Häää?! Du trägst ja einen Rock." Ich gebe wieder die Standardantwort und wir spielen weiter. Nach kurzer Zeit beugte sie sich vom ihren Stuhl nach vorne und schaut vom Boden aus unter meinen Rock. War ja klar, dass das wieder ein Mädchen macht und es sagt: "Ich wollte wissen, was du darunter trägst." Ich kann gar nicht reagieren und sie ergreift meinen Pullover, den sie dann hochhebt. Sie sagt: "Hey, da hast du ja gar nichts an. Da bist du nackig am Bauch."
Irgendwie war alles dabei und jede Gruppe war anders in ihrer Reaktion. Es war allerdings die Hospitation mit den Abstand meisten Reaktionen. In der Vergangenheit war ich sogar einmal hospitieren und mich hat am ganzen Tag kein einziges Kind darauf angesprochen oder bemerkbar reagiert. Es ist halt jedes Mal eine Überraschungstüte!