Am gestrigen Tag entwickelte sich ein Gespräch mit einem Kind, das bisher nie über meine Kleidung sprach. Das Mädchen ist 6 Jahre, Vorschulkind, marokkanischer Herkunft und ihre Tante, deren Tochter in der Nachbargruppe ist, ist übrigens die muslimische Grundschullehrerin, von der ich letztens
berichtete, weil sie augenscheinlich ein Problem mit mir hat, weil sie mich für homosexuell hält.
Das Mädchen saß mit einer vierjährigen Freundin am Basteltisch. Sie nahm die leere Rolle eines Tesafilms für ihr Kunstwerk. Ich nahm die Rolle aus Spaß, steckte sie an meinen Zeigefinger und bezeichnete es als meinen "neuen Ring". Das ältere Mädchen meinte, dass er mir doch zu groß sei. Das bejahte ich und sagte nur, dass ich ja keine Ringe oder Schmuck trage. Die beiden pochten darauf, dass ich das tragen würde. "Habt ihr mich schonmal mit Ringen gesehen? Ich besitze sowas gar nicht.", sagte ich. Die Ältere meinte: "Du trägst Nagellack, also trägst du auch Ringe." Ich erklärte, dass ich Nagellack trage, aber keine Ringe. "Doch, und du trägst bestimmt auch Lippenstift und Make-Up.", fuhr sie fort. Auch das verneinte ich. "Du trägst Röcke, Kleider und Nagellack im Kindergarten. Also trägst du das andere alles auch, weil du bist ein Mädchen." Nebenbei bemerkt: Ich trug noch nie ein Kleid in dieser Kita. Die Jüngere stimmte daraufhin der Älteren zu. Sie sagten zu mir, dass ich hässlich aussehe und das eklig bei einem Jungen ist. Ich glaube, dass das marokkanische Kind wiedergab, was sie Zuhause von ihren Eltern darüber gehört hat. Das jüngere Mädchen hat einfach nur mitgemacht, weil sie prinzipiell gerne andere Kinder und Erzieherinnen neckt, ohne es aber Böse zu meinen. Übrigens trug ich an diesem Tag ein schwarzes Shirt mit einem Print des Beatles-Albumcovers "Let It Be", dazu eine Damenstoffhose im Leopardenmuster sowie abwechselnd violett und flieder lackierte Fingernägel.
Mit einem anderen sechsjährigen Mädchen hatte ich ebenfalls eine interessante Unterhaltung. Sie ist oft fasziniert von meinen Röcken und gibt mir sehr häufig Komplimente dafür. Wir saßen nachmittags im Turnraum auf der Bank am Fenster und sie beobachtete die beiden Bauarbeiter, die draußen im Garten den Hof verlegten. Sie sagte: "Da ist ein Mann, aber wer ist das?" Dabei deutete sie auf den anderen jungen Mann, der wahrscheinlich Lehrling und schätzungsweise noch unter zwanzig Jahre alt war. "Das ist auch ein Bauarbeiter. Die arbeiten zusammen.", sagte ich. Sie überlegte und fragte mich: "Ist das ein Junge oder ein Mädchen?" Mich überraschte diese Frage, denn seine Gesichtszüge und Statur hatten eine jüngliche Männlichkeit und an der Arbeitskleidung konnte es sicherlich auch nicht liegen. "Was glaubst du?", fragte ich sie. Sie antwortete: "Ich glaube, ein Junge." Ich sagte ihr, dass ich das auch glaube. Es war wieder kurz still und nach weiterer Überlegung, die man ihr merklich im Gesicht ansehen konnte, sagte sie: "Ich war mir unsicher, aber es gibt ja auch Jungen mit langen Haaren."
Nach Feierabend kam die stellvertretende Leitung zu mir und erzählte mir, dass ich heute in einem Elterngespräch Thema war. Die sechsjährige Tochter der Familie redet Zuhause sehr häufig und begeistert von mir. Das Mädchen kommt im Allgemeinen sehr gerne zu Besuch in meine Gruppe, grüßt mich lautstark durch die ganze Kita, wenn sie mich sieht und es kommt sogar manchmal vor, dass sie vor dem Nachhausegehen extra nochmal zu mir kommt, um den Eltern mein Outfit zu zeigen. Jedenfalls erzählte ihre Mutter im Gespräch, dass das Mädchen mich so toll findet, dass sie sich Zuhause nicht mehr die Nägel schneiden lassen möchte. "Sie möchte so lange Nägel haben wie er und möchte jetzt auch immer Nagellack." Die Familie unterstützt das. Der Papa war früher Punker und mag "exzentrisch" gekleidete Menschen, wie er mir mal sagte. Die Stellvertretung freute sich über die positive Rückmeldung der Familie, denn bisher bekam sie persönlich ja nur zwei wütende Beschwerden von anderen Familien über mich zu hören.