Hallo Holger, Mathias und alle die hier gepostet haben, finde das sehr interessant.
@Holger: Manipulatives Marketing, das hört sich meines Erachtens schlimmer an als es ist. Zumindest ist jedes Marketing dahingehend manipulativ, als dass der potentielle Käufer zu einem Verhalten bewegt werden soll (nämlich zum Kauf), das er sonst nicht an den Tag legen würde. Nicht manipulativ wäre es nur dann, wenn ausschließlich auf Sachargumente abgestellt sowie pro und kontra ausführlich dargestellt werden. Dann könnte der (potentielle) Käufer eine sachorientierte, rein auf verbale Kommunikation abgestellte Entscheidung treffen. So funktioniert Marketing aber nicht. Viel wichtiger aus psychologischer Sicht sind doch Emotionen und Gefühle, also die nonverbale Kommunikationsebene, die das Unterbewusstsein bedient. Das findet z.B. statt, wenn die neue Zahnpasta oder Anti-Schuppen-Shampoo von einem Mensch im weißen Kittel präsentiert wird, ein neues Medikament vorgestellt wird und die Entwicklerin dabei rein zufällig einen Blick durch das Mikroskop wirft, usw. usw. Hier werden also Bilder genutzt, um in das Unterbewusstsein der Käufer zu kommen, ohne dass die Betreffenden das letztlich bemerken und es überhaupt ausblenden können. Die Macht der Bilder also. Man mag das für verwerflich halten, aber das ist gesellschaftlich akzeptiert - andernfalls wäre es wie vieles andere verboten.
Und ja, auch die Politik nutzt dies und bedient sich fleißig dieses Mechanismus, vor allem in Wahlkämpfen. Parteiprogramme lesen nur ganz wenige, langatmige Reden, in denen z.B. von Bürgernähe und Generationengerechtigkeit die Rede ist, verfangen auch nur bei wenigen Zuhörern. Wenn aber ein Politiker das oft bemühte "Bad in der Menge" nimmt (und damit Bürgernähe zeigt) und dann dabei noch eine Mutter und ihr kleines Kind sichtbar für die Kameras liebkost (Verantwortung für Familie und künftige Generationen), werden Emotionen bei den Zusehern unterbewusst geweckt. Und es ist auch nicht zufällig, das ein US-Präsidentschaftskandidat (und späterer US-Präsident) eine wichtige Rede im Wahlkampf vor der Siegessäule in Berlin gehalten hat. Das ist die Macht der Bilder, darauf kommt es letztlich an.
Ich finde es daher nicht illegitim, wenn unser Anliegen, den Mann im Rock als etwas Normales in den Köpfen zu verankern, mit solchen Mitteln verfolgt wird und dabei Bilder und Beispiele genutzt werden.
Was die Erfolgsaussichten unseres Anliegens angeht: Ich denke, dass die Chancen nie größer waren als jetzt. Vorbehalte gegen den Rock am Mann abzubauen, sehe ich ebenfalls als Teil einer größeren gesellschaftlichen Strömung, die Geschlechterbarrieren einreißt und dabei allem Anschein nach recht erfolgreich ist. Das macht hoffentlich den Unterschied zu den bislang gescheiterten Versuchen, den Rock am Mann zu etablieren (Marc Jacobs, Gaultier, u.a.). Damals war die Zeit und die gesellschaftlichen Umstände offenbar noch nicht reif dafür.
Interessant ist auch die von Dir beschriebene konservative Haltung des Handels. Trifft das nach Deinen Beobachtungen auf den Handel speziell in Deutschland, Europa oder weltweit zu?
Ich kenne mich da nicht aus, habe allerdings in Wirtschaftsnachrichten regelmäßig verfolgt, dass viele stationäre Handelsunternehmen (nicht speziell in der Bekleidungsindustrie, aber auch) den Trend zum Onlinehandel nicht rechtzeitig erkannt haben und hinterherhinken. Das hat etliche, auch große Player in Schwierigkeiten gebracht (z.B. Karstadt, Nordstrom in den USA). Ich denke, dass die ihre Sensoren ständig aktiviert haben, z.B. auch was Häufigkeit an Recherchen in Suchmaschinen nach einschlägigen Suchbegriffen zu Röcken für Männer usw. angeht und viele weitere Daten sammeln (u.a. in sozialen Netzwerken), um möglichst effektiv Trends zu erkennen.
Aber hier setze ich gefühlsmäßig auch eher darauf, dass solche Trends zuerst in den USA (und dort im "Versuchslabor" Kalifornien) sich zu einer großen Welle aufbauen, die dann auch uns in Europa bzw. Deutschland gelangt und wahrscheinlich auch Euch in Fernost erfasst.
@Mathias: Ich bewundere Deinen Mut. Gerade auch Deine Rolle als Chef dürfte vermutlich ein gewisses unternehmerisches Risiko mit sich gebracht haben - sowohl im Hinblick auf die Mitarbeiter als auch auf Kunden. Chapeau! Aber auch Reaktionen der Familie, die im Zweifel am Wichtigsten sind, führen bei manchen hier zu Problemen und erfordern Kompromisse. So weit wie Du bin ich noch lange nicht.