Die übliche und zu erwartende Antwort unseres Forumstrottels lautete. "Wir haben mit der Scheiße nichts zu tun gehabt. Was passiert ist, ist passiert." In diesem Thread las ich sehr kluge und weniger kluge Beiträge, aber dieser Satz ist das absolut Dümmste (wie eben zu erwarten). Ich frage mich, was die Ignoranten denken über deutsche leuchtende Ahnen wie Kant, Adorno oder der noch lebende Habermas: lehnen sie die epochalen Gedanken und Ideen, auf die man wahrhaftig stolz sein darf, ebenso ab weil eben "passiert" und nichts zu tun habend mit ihrer Gegenwart? Wer stolz ist auf deutsche Ideen, Gedanken, Theorien und auch Erfindungen und ihre Schöpfer, kann sich nicht nur die Butterseite der Schnitte aussuchen, sondern ist gezwungen, sich auch mit den Schattenseiten deutscher Geschichte auseinanderzusetzen. An dieser Dichotomie kommt m. E. nach niemand vorbei, es sei denn, er nimmt für sich in Anspruch, grenzdebil zu sein.
Ich möchte nicht mißverstanden werden: die Auswüchse der "kulturellen Aneignung"-Protagonisten führen auch bei mir zu Kopfschütteln, aber ich versuche nun, Michas Rat zu beherzigen, ihnen nicht von vornherein Idiotie oder gesinnungsdiktatorische Denken zu unterstellen. Sollte ein höchstwahrscheinlich nie stattfindendes Gespräch es doch bestätigen: nun ja.
Auch verstehe ich ein Stück weit die Argumente, wir Heutigen seien nicht für alle Probleme in der Dritten Welt verantwortlich. Ich sehe durchaus dortige Probleme heute nicht als einzige stringente Folge der unsäglichen Kolonialpolitik sondern als mittlerweile durchaus hausgemacht an. Wer z. B. verlangt von den Afrikanern, in der weitaus überwiegenden Mehrheit der Staaten diktatorische, korrupte Politiker zu wählen, eher nach Stammeskriterien als Befähigung? Ein Pessimist (nicht Rassist!) könnte auf den Gedanken verfallen, sie, die Afrikaner, seien einfach nicht in der Lage, nach Werten demokratischer Regeln einen funktionierenden Staat aufzubauen. Daß dies eine willkommene Gelegenheit für Staaten und Konzerne der sog. Ersten Welt ist, diese Länder nach wie auszubeuten, ist eine Binsenweisheit, aber ich frage mich: wer zwingt diese Ausgebeuteten dazu, ein dickes Schmiergeldkonto?
Viele ausgebeutete Staaten werden, auch das ist eine Binsenweisheit, durch Schulden- und Zollpolitik klein gehalten, aber andere Staaten wie in Südostasien haben gezeigt, sich dagegen durch eigene Zollpolitik zugunsten ihres Landes erfolgreich wehren zu können, solange, bis ihre Industrie stark genug geworden ist, auf Augenhöhe verhandeln zu können. Nicht falsch verstehen: ich denke über die Afrikaner nicht als "dumme Nigger, die nichts begreifen (können)", jedoch ist es für mich ein Mysterium, warum sich so gut wie nichts und weniges so furchtbar langsam ändert, siehe z. B. die seit Jahren andauernde Flüchtlingsschwemme, die ich eher als Flucht vor hausgemachten Problemen denn als Folge von noch herrschenden Auswirkungen der Kolonialpolitik ansehe. Ich negiere nicht das Recht der Flüchtlinge, auf ein besseres Leben zu hoffen, aber muß es in Europa sein, einem Kontinent mit fast völlig fremder Kultur und Wertvorstellungen? Wäre es nicht besser, zuhause zu versuchen, etwas für ein besseres Leben zu tun?
Wahrscheinlich ist die einzige Lösung für mich selbst, Michas (und den der anderen "üblichen Verdächtigen") Rat zu folgen: informieren, informieren informieren und nicht zuletzt differenzieren.