Ich habe gerade ein Déjà-vu. Diese Frage habe ich damals ständig gehört, als ich Indologiestudent und Krishna-Anhänger war. Vorneweg erstmal: Die Darstellungen sind natürlich nicht "feminin" und möchten es auch gar nicht sein, aber ich höre oft von Europäern, dass sie Krishna (oder auch Shiva) für eine Frau halten. Das liegt nicht nur am Aussehen, sondern ebenso an den Namensendungen mit "-a", die von uns meist mit Frauennamen assoziiert werden. Um es salopp zu sagen: Das ist einfach nur ein kulturell- und historisch-bedingtes Männerbild, das von unserem abweicht. Ich möchte trotzdem ein paar Gedanken dazu äußern.
Krishna wird in den Schriften ausschließlich in Gestalt als Säugling, Kind oder junger Erwachsener dargestellt. Er ist der Schönling, dem alle Gopis (Kuhhirtinnen) erlegen sind und die jugendliche Schönheit wird mit Zartheit und Sanftheit abgebildet. Das scheint in Asien sehr beliebt zu sein, weil heutige männliche Anime-Charaktere ebenso häufig mit sehr weichen Zügen gezeichnet werden. Der Trend des zarten Jünglings gab es aber auch immer wieder in der westlichen Kunstgeschichte, beispielsweise in der Renaissance oder im Barock, in der die jungen Männer sehr androgyne Züge und Kleider hatten. Da habe ich manchmal schon im Museum gestanden und konnte erst anhand der Textbeschreibung erfahren, um welches Geschlecht es sich handelt.
Der Schmuck steht einfach nur für Macht und die Göttlich- und Heiligkeit Krishnas. Es soll seine Schönheit unterstreichen, genauso wie die langen, lockigen Haare, die bunten Gewänder, die Blumenkränze, die Krone und die Pfauenfeder. Die Schriften beschreiben ihn als das schönste Wesen, das durch seine Schönheit "sinnliche Freuden" bereitet.
Übrigens ist Krishna weder männlich noch weiblich und doch beides zugleich, weil er beides in sich trägt. Um es den Menschen aber einfacher zu machen, erscheint er in männlicher Gestalt, weil er so "greifbarer" für sie ist. Er ist in der Gott-Mensch-Beziehung der "männliche Part" und seine Anhänger sind die "weiblichen Energien", die sich ihm aus Liebe hingeben. Die Hindus nennen das Bhakti, was sich am besten mit "liebevoller, hingebungsvoller Dienst an Gott" umschreiben lässt.
Wenn Krishna-Anhänger erlöst werden, kommen sie nach Goloka (wörtlich: "Kuhwelt", eine Art "Paradies"), wo sie in Gestalt einer Gopi (Kuhhirtin) mit Krishna tanzen. Die Gopis tanzen im geschlossenen Kreis um Krishna und seiner Frau Radha herum. Krishna spielt auf der Bansuri-Flöte und die Gopis huldigen seiner Schönheit und Allmacht. Nicht selten vervielfältigt er sich dann, damit er mit allen Gopis tanzen kann, damit niemand eifersüchtig wird. Es ist ein sehr erotisches Gottesbild, was für Europäer sehr merkwürdig erscheinen mag. Erotik wird hier aber "spirituell" und nicht "sexuell" verstanden. Der Tanz selbst nennt sich Rasa-Lila (wörtlich: "Geschmack am Spiel" oder "Liebe zum Spiel"). Nähere Infos und Bilder kann man
hier finden.
Übrigens sind viele Krishna-Bilder im Internet von der
ISKCON, die hauptsächlich von westlichen Krishna-Anhängern gemalt sind und teilweise schon sehr an christliche Ikonographie erinnern. Ich nenne mal zwei Beispiele: Krishna mit einem Kalb im Arm, was sehr an Jesus mit Lamm im Arm erinnert und Krishna mit einem gelblich-schimmernden Kreis um den Kopf, was sehr an den Heiligenschein Jesu erinnert. Ob die Maler sich da bewusst oder unbewusst bedient haben, sei mal dahingestellt. Jedenfalls zeigt es, dass man sich von seiner Kultur und Sozialisierung nicht so ganz lösen kann. Fällt mir auch immer wieder auf, wenn westliche Buddhisten von Karuna (Mitgefühl) sprechen, das dann aber sehr gefärbt ist vom christlichen Verständnis der Karitas (Nächstenliebe).
Das "Make-Up" bei den Göttern hat genaue religiöse Bedeutungen, die ich aber nicht im Einzelnen erklären kann. Es sind jedenfalls Segenszeichen und stehen für die verschiedenen Chakren. Der Punkt auf der Stirn beispielsweise steht für das dritte magische Auge. Die Gurus in Indien tragen traditionell solche Gesichtsbemalungen (siehe vgl.
hier).
Zum Thema Make-Up in Asien musste ich die Tage zufälligerweise schonmal nachdenken. Ich habe mir wieder mal paar Klassiker der Martial-Arts-Filme aus dem Hongkong-Kino der 70er und 80er angeschaut. Da trugen die Kampfkünstler eine Art Kriegsbemalung, beispielsweise deckend weiß geschminktes Gesicht mit schwarzen Blitzen, schwarz umrandete Augen mit langem schwarzen Wing. Das erinnerte ein wenig an die Rockband KISS. Beliebt sind auch solche Make-Ups mit der Farbe rot. Die Kung-Fu-Meister trugen lange Roben in knalligen Farben oder auch Mützen im Leopardenprint mit Fasanfedern. In japanischen Samuraifilmen ist das ja ähnlich dargestellt.