Lieber Wolfgang,
ich wollte Dich weder beleidigen, noch verärgern. Entschuldige mich bitte!
Das Wort "Quatsch" war ungeschickt, aber von mir auch nicht so ernst gemeint.
Aber noch was zum Thema "Rheinland":
Ich bin ja Rheinländer aus Lahnstein, also rheinaufwärts von Koblenz. Ich kenne das gar nicht anders, als dass zumindest von Mainz an abwärts von "Rheinland" gesprochen wurde.
Sicher verändern Menschen in ihrer Alltagssprache die Bedeutung von Wörtern. So meinen viele, die "Bergisches Land" sagen, nur die Hügellandschaft östlich des Rheins zwischen Westerwald und Ruhrgebiet, aber nicht die Rheinebene. Dass Düsseldorf die Haupststadt des Bergischen Landes ist und dass das Bergische Land auch in den Westerwald hineinragt, wissen viele nicht. Wenn man die Historie außer Acht ließe, dürfte man für die Gegenwart überhaupt nicht mehr vom Bergischen Land reden, denn die Herzöge von Berg gibt es lange nicht mehr.
Die Evangelische Kirche im Rheinland umfasst das Gebiet der Preußischen Rheinprovinz, abzüglich der heute belgischen Gebiete. Ich hatte auch mal einen Rheinischen Denkmalkalender, auf den das auch zutraf. Im Trier gibt es ein Rheinisches Landesmuseum.
Subjektives Identitätsempfinden spielt sicher auch eine Rolle. Du empfindest Dich als Rheinhesse nicht als Rheinländer, ich empfinde mich in Mainz aber immer noch im Rheinland. Für uns Mittelrheinländer sind Mainz und Köln gleichermaßen Metropolen der Region. Mainz ist für Koblenzer und Lahnsteiner Landeshauptstadt, Limburg für Lahnsteiner Katholigken die Bischofsstadt, für die Koblenzer ist das Trier, und Köln ist die nächstgelegene richtige Großstadt, in der man aber zu Karneval "Alaaf" ruft statt "Hellau". In Lahnstein rufen wir "Hellau", in Koblnz ruft man "Olau", "Alaaf" ruft man ab Neuwied undgefähr (was ich erst letztes Jahr erfuhr), und in Düsseldorf ruft man wieder "Hellau".
Die Sprachgrenze zwischen Moselfränkisch und Ripuarisch bildet angeblich der Vinxtbach, der in Bad Breisig in den Rhein fließt, die zwischen Mosel- und Rheinfränkisch kenne ich nicht so genau, aber irgendwo am oberen Mittelrhein und quer durch Taunus und Hunsrück. Das Lahnsteiner Moselfränkisch hat schon mehr rheinfränkische Anteile als das Koblenzer. Zum Beispiel grüßt man sich auf Lahnsteiner Platt mit "Gude", so wie in Südhessen.
Den Begrif "Großrheinland" halbe ich selber erfunden. Der ist dadurch entstanden, dass ich z.B. in Breisach mal einen Schifsanleger der Köln-Düsseldorfer gesehen habe oder mal bei Überlingen am Bodensee auf einem Ruderbootanleger lag, Pappeln am Ufer sah und ein richtig rheinisches Gefühl hatte. Oder als ich vom Gipfel des Naafkopfes am Dreiländereck FL-A-CH auf den Rhein blickte und dachte: "Das ist wie von der Loreley, nur höher!", hatte ich auch so ein rheinisches Gefühl. Und wenn ich die Rheingauner Comics lese, die ja aus dem Rheingau in Hessen sind, ist auch das Ausdruck meiner Heimat. Ich bin so ein Rheinromantiker.
Bei den Begriffen "Oberrhein", "Mittelrhein", "Niederrhein" muss man unterscheiden, ob man den ganzen Rhein im Blick hat oder ob man nur das zum eigenen Land gehörende Stück Rhein meint, so wie im Elsass "Haute Rhin" und "Bas Rhin". In Deutschland spricht man auch von der Oberen Mosel und meint damit nicht den Oberlauf der Mosel in Frankreich, sondern den obersten deutschen Moselabschnitt.
Auf den Ganzen Rhein bezogen gibt es: Hinterrhein und Vorderrhein, Alpenrhein, Bodensee, Hochrhein, Oberrhein, Mittelrhein, Niederrein und Delta mit Waal, Lek u.a. Rheinarmen, wobei das Delta auch manchmal zum Niederrhein gezählt wird.
Kurzer Reder langer Sinn: Das Rheinland ist nicht fest umrissen. Es gibt verschiedene Rheinland-Begriffe, und in dieser Mehrdeutigkeit empfinde ich eher einen Reichtum als eine Verwirrung.
Mit rheinischen Grüßen!
Micha