Hallo Harry,
Was soll am männlichem Rollenbild denn nicht stimmen?
Vieles, aber in unserem Zusammenhang vor allem die Gleichsetzung von Femininität mit Schwäche und Männlichkeit mit Stärke. Das ist imho letztendlich Ursache der ganzen Homophobie, Transphobie und eben auch der Ablehnung von jeglichen femininen Aspekten am Mann - inklusive Rock.
Nicht das männliche Rollenbild selbst ist für mich Schuld dran, sondern weil dem Mann von allen Seiten genau das Erzählt wird.
Das macht aber keinen Unterschied, denn das männliche Rollenbild ist ja nirgendwo definiert sondern basiert genau auf dem, was erzählt wird. Es ist ein Bild, das in den Köpfen Heranwachsender durch Geschichten, Medien, Erzählungen, Bilder und Filme der umgebenden Gesellschaft geprägt wird. Quasi der tradierter Glaube, wie ein Mann zu sein hat.
Wenn der Mann gewalttätig ist, braucht man doch nicht gleich das ganze Rollenbild anzufeinden, sondern man könnte ja auch als Mann daran arbeiten nicht mehr gewalttätig zu sein.
Ja. Genauso wie du als Mann daran arbeiten kannst, einen Rock zu tragen. Aber das ist ein Kampf gegen das Rollenmodell und der ist langwierig, schwierig und beinhaltet Opfer. Sicher kann man diesen Weg gehen und man muss ihn auch am Anfang gehen, aber letztendlich schwimmt man damit gegen den Strom und das ist genau das, was fast alle Männer vom Rocktragen abhält. Es wäre für die Männer viel leichter, einen Rock anzuziehen, wenn sie damit nicht gegen den Strom schwimmen müssten, aber dazu muss sich eben erst die Strömung - das Rollenmodell - ändern.
Das männliche Rollenbild ist formbar, man kann damit Arbeiten, es verbessern, da und dort optimieren, es ist ein Lebenslanger Prozess und zumindest für mich Wahnsinnig Spannend, gerade auch als Gegenstück zur Frau. Nur eins hat darin für mich keinen Platz: Irgendwelche Fragen über Gender.
Das ist für dich als dein persönlicher Weg natürlich völlig in Ordnung, aber wir sprechen hier ja gerade darüber, wie wir mehr Männer zum Rocktragen bewegen können.
Du sagst sinngemäß, dass es ausreicht, wenn man die Männer überzeugt, dass sie sich gegen den Strom stemmen sollen. Das ist sicher ein Weg, aber die Überzeugungsraten sind dabei naturgemäß sehr gering, weil hier das Ansehen im männlichsozialisierten Umfeld auf dem Spiel steht. Warum sind hier denn keine jungen Rockträger im Forum? Weil man sich diesen "Ansehensverlust" erst im Alter leisten kann bzw. weil er einem erst dann egal sein kann. Wenn du dir mal anschaust, wer von der männlichen Jugend Rock trägt, dann findest du dort fast durchgängig Jungs, die das tun, weil sie das männliche Rollenmodell abgelegt haben und sich nicht mehr als Mann definieren, sondern als etwas außerhalb der gesellschaftlichen Norm. Das Rocktragen folgt dem Infragstellen des männlichen Rollenmodells und da spielen nun einmal Genderfragen eine ganz wesentliche auslösende Rolle.
Ganz klar ist für mich auch, wenn jemand ein anderes Geschlecht annehmen möchte ist das alles kein Problem. Was ich nur nicht verstehe ist, wenn ich Mann sein will, wozu muss ich mich vorher erst mit Gender und Sexualitätsfragen auseinandersetzen dazu noch die Männliche Rolle anzweifeln nur um Rock zu tragen?
Musst du ja nicht. Viele Wege führen nach Rom, Harry. Sexualität und Genderfragen sind einfach nur andere Auslöser für das Tragen von Röcken und genauso legitim wie "Röcke sind anatomisch besser für Männer" oder "Mir gefällts eben".
Und mit dem Tragen des Rocks stellst du selbst natürlich auch das männliche Rollenmodell direkt in Frage. Nicht für dich, aber für alle anderen die dich sehen. Du magst mit dir im reinen sein, dass das nichts mit Sexualität und Gender zu tun hat, aber für alle anderen stellt sich die Frage danach sofort, wenn sie dich sehen.
Klar geht es nicht von heute auf morgen, dass man einfach so Rock trägt. Muss man ja auch nicht, man kann doch dieses Ziel auch behutsam angehen. Jeder halt so wie er möchte.
Natürlich. Ich verbinde mit meinen Aussagen auch an keiner Stelle irgendeinen Zwang. Jeder geht seinen eigenen Weg.
Aber man kann ja in diese Rolle, Rocktragen als Mann, hineinschlüpfen. Sich nicht mehr an das Vorbild Frau halten, nicht weil es schlecht währe, nein, weil es gerade so gut ist einen Gleichwertigen Gegenpart schaffen.
Ich verstehe. Du willst dich dem weiblichen nicht annähern und definierst deshalb ein eigenes Rollenmodell, einen "neuen Mann", einen der Rock tragen kann. Sicher ist das möglich und es löst das Problem, dass man nicht Frau sein will, um einen Rock tragen zu können - aber es funktioniert eben auch nur für dich. Die Gesellschaft dagegen kennt nur Mann und Frau und die damit verbundenen etablierten Rollenmodelle. Sie kennt nicht den "neuen Mann". Alles, was du machst, wird auf die bestehenden Rollenmodelle projiziert und damit landest du in einer der gesellschaftlichen Schubladen, die für rocktragende Männer bestehen. Und viele davon haben eben auch mit Sexualität und Genderfragen zu tun.
Aber jede noch so geringe Frage ob ich als Mann in dieser Situation richtig bin, ist der Anfang vom Ende.
Für dich möglicherweise... aber jeder andere, der dich sieht, stellt genau das sofort in Frage. Einfach deshalb, weil du einen Rock trägst und dich damit selbst außerhalb des männlichen Rollenmodells bewegst und Teile des weiblichen Rollenmodells adaptierst.
Ist halt meine Meinung.
Die ich auch keineswegs in Frage stellen möchte. Wir sehen das einfach nur aus unterschiedlichen Perspektiven.