Belastet er dich sehr, der gesellschaftliche Druck? So ganz im allgemeinen?
Danke der Nachfrage, Herr Dr. Therapeut!
Nein, im Ernst. Was das Rocktragen für mich angeht, hab ich auf den Druck schon lange gepfiffen. Nunja, nicht ganz. Weil lila Tüllröckchen hab ich bislang noch nicht getragen. Zwar hatte ich das bislang noch nicht vor. Aber der gesellschaftliche Druck würde mich schon davon abhalten. Wahrscheinlich bin ich eh für viele schon plem-plem. Im lila Tüllröckchen würden mich vermutlich fast alle definitiv für plem-plem halten.
Ich glaube, beim Begriff "gesellschaftliher Druck" reden mancher von uns mal wieder irgendwie aneininader vorbei. Für mich ist gesellschaftlicher Druck etwas anderes als unter diesem zu leiden. Darunter zu leiden könnte eine der Konsequenzen sein, die man im Umgang mit diesem Druck zu spüren bekommt. Dem Druck artig nachzugeben oder nicht, ist eben die Reaktion auf diesen Druck, egal ob darüber reflektiert oder ohne die Reaktionen zu hinterfragen. Zumeist merken wir noch nicht mal, dass wir uns gesellschaftlichen Drücken beugen.
Gesellschaftlicher Druck ist im Grunde die Summe der Erwartungshaltungen, die die Gesellschaft in einer bestimmten Fragestellung / Handlungsanweisung an mich stellt.
Wir sind eingebettet in einer schier endlose Kombination von Erwartungshaltungen. Das meiste wird, wie gesagt, uns noch nicht mal bewusst.
Meine Beispiele mit roter Ampel und Messerablecken waren nur zwei sehr prominente Beispiele. Und die meisten dieser Dinge machen ja durchaus auch Sinn. So, wie richtig bereits von (ich glaube) Micha gesagt, ist das überwiegend auch notwendig, damit eine Gesellschaft einigermassen reibungslos funktioniert - zumindest äußerlich.
Nehmen wir nochmal die rote Ampel. Und jetzt aber als Autofahrer. Hierzulande herrschte Sodom und Gomorrha, wenn nicht die Autofahrer zu 99,99 % an roten Ampeln auf Grün warten würden.
Anderes Beispiel - ein banales: Es herrscht ein gesellschaftlicher Druck, einen roten Gegenstand nicht als blau zu bezeichnen. So banal dieses Beispiel auch klingt, so fundamental wichtig ist es, dieser Erwartungshaltung nach bestem Wissen und Gewissen zu entsprechen.
Unser Leben durchziehen diese Erwartungshaltungen.
Und es gibt eine Reihe, die wir immer wieder oder dauerhaft durchbrechen. Bewusst oder unbewusst. Und wenn nicht, werden wir vielleicht krank dadurch, bewusst oder unbewusst.
Manche Menschen haben nur aus gesellschaftlichem Druck geheiratet. Hatten vielleicht eigentlich irgendwas anderes vor. Oder jemand anderen geliebt.
Und diese Erwartungshaltungen, so banal oder weitreichend sie auch sein mögen, funktionieren im Grunde alle nach dem selben Muster. Und nicht zuletzt ist das auch der Grund, weshalb wir alle froh sind, uns in diesem Forum zu treffen.
Ich bin seit 2009 hier angemeldet. Ich hatte jahrelang hier Funkstille. Und getragen hatte ich meine Röcke und Kleider trotzdem. Ich brauche das Forum nicht, den gesellschaftlichen Druck, dass ein Mann Hosen zu tragen habe, zu verarbeiten. Ich pfeife drauf. Den Druck aber gibt es trotzdem, drauf gepfiffen oder nicht. Und deswegen wird es viele Männer geben, die diesem Druck sich nicht widersetzen werden. Aber das muss auf Dauer nicht so bleiben. Zeigen wir´s ihnen!