Warum können die Deutschen keinen Glamour?

[Luan]

Diese provokante Überschrift habe ich heute in der Mittagspause gesehen und mir vorgenommen, den Artikel heute Abend nochmal zu suchen/lesen.

Klick: Berlinale in Turnschuhen und Sweatshirt: Warum können die Deutschen keinen Glamour?

Prima fand ich auch diesen letzten Satz des Artikel.

Gerade in Zeiten von Social Media funktionieren ein solches Event und seine Gäste wie Botschafter der Stilkompetenz und Lebenskultur des Landes. Schade, dass Deutschland selber in dieser globalen Konkurrenz um Soft Power partout nicht vorne mitspielen will.

Wie denkt ihr darüber?

[JoHa]

ch glaube, man sollte in puncto Stil nicht unbedingt "vorne mitspielen" wollen. Was da vorne abgeliefert wird, ist auch nur von Möchtegern-Stilpäpsten angestoßen.

[GregorM]

Warum, es so ist, soll ich nicht sagen können, aber man sieht diese Tendenz nicht nur in Deutschland.

Wenn ich im Theater, Konzertsaal oder in der Oper bin, halte ich mich noch an den alten Tugenden und kleide mich feierlich im Kilt mit passendem Zubehör, einem netten Hemd, einer Jacke und oft sogar mit Krawatte. Aber immer mehr sehe ich beim Publikum Sweaters und Jeanshosen.
Vielleicht ist es eine Art Protest gegen Aufgestyltes? Eine Flucht aus den Normen? Eine Dokumentation, dass man sich nichts vorschreiben möchte?

Ich muss denn auch sagen, dass mir die Kleidungen bei den Festivals in Cannes und L.A. übertrieben vorkommen. Aber richtig, wer gesehen werden möchte, muss irgendwie aus den alltäglichen Rahmen fallen.
Wir hier – und Brad Pitt und Harry Styles - können es mit Rock und Kleid, und dabei sogar dressed up sein.

[doppelrock]

Die Überschrift "die Deutschen" ist natürlich eine Provokation. Denn gemeint sind nicht die 80 Millionen Menschen im Land, sondern die ausgewählten Teilnehmer, dieser mittlerweile politischen Veranstaltung, die mit Kunst und Kultur nur noch wenig zu tun hat.
Politisch, weil Einlass abhängig vom Parteibuch ist (Opposition verboten).
Und Kunst und Kultur sind in diesem Ambiente schon lange vor die Hunde gegangen. Spätestens die letzten 4 Jahre ist eindeutig zu sehen, wer wirklich Musiker, Künstler, Rocker, Rebell oder einfach nur Systemling ist. Und genau so ist dann auch die optische Erscheinung.

Auf der anderen Seite: Brauchen wir wirklich eine Show mit 100m Taft und Seide und kiloweise Brillanten? Macht das die Schauspieler irgendwie besser oder lenkt das nur von Talent und Fähigkeiten ab?

[MAS]

Ich müsste zahlen, um den Artikel lesen zu können. Das ist mir gerade zu kompliziert. Aber generell bin auch ich eher ein Freund legerer Kleidung als des Aufbrezelns.

LG, Micha

[Lars]

Hmmm, ich hätte mal hin sollen zur Berlinale, wäre ja nicht weit.
Ein bisschen Glamour hätte ich sicher mitbringen können ....

[cephalus]

Mit Deinen Kreationen zweifellos - da würdest Du manches Sternchen in den Schatten stellen

[Albis]

Ich habe den Eindruck, dass es insgesamt einen Trend hin zu mehr Schlumpigkeit und weniger Extravaganz gibt. Ich beobachte das auch z.B. in der Gothic-Szene, wo zu Veranstaltungen immer mehr Menschen in Jeans und T-Shirt o.ä. erscheinen, statt sich szenetypisch zu kleiden.

Denkbare Ursachen:
Man will bewusst nicht auffallen und anonym in der Masse mitschwimmen (würde nicht auf die Berlinale zutreffen)
Man ist einfach zu faul, sich über Garderobe mehr Gedanken als nötig zu machen.

Grundsätzlich ist dieser Trend nichts schlimmes oder kritikwürdiges. Schade ist er trotzdem, weil Mode damit insgesamt langweiliger wird.

[Timper]

Na klar sind sie zu faul.
Ich sehe es oft in den Clubs zu denen ich am We gehe. In der Regel wissen sie was für ein Outfit angesagt ist trotzdem stehen sie Jeans an  der Tür ohne extra Kleidung dabeizuhaben.
Folge ist oft die kommen nicht rein. Gut so!
Da hilft schlau machen. Selbst schuld.
90 % machen sich Gedanken und geben Geld aus und dann kommen einige und versuchen es so.
So geht’s eben nicht.

[GregorM]

Grundsätzlich ist dieser Trend nichts schlimmes oder kritikwürdiges. Schade ist er trotzdem, weil Mode damit insgesamt langweiliger wird.

Aber doch ist es schade. Wenn man sich nicht mehr zur Situation oder Gelegenheit passed kleiden will, geht manches verloren. Oder wagt man das Hin- und-Zurück in "Verkleidung" nicht länger? Dann haben wir wirklich verloren und uns der Konformität übergeben.

[MAS]

Also mich hat die Erwartung, sich zum Opernbesuch verkleiden zu müssen, eigentlich eher davon abgebracht, Opern zu besuchen. Ich denke, ich will hören und sehen und nicht gesehen werden. Ich bin ganz froh, dass das heute nicht mehr so eng gesehen wird, so dass ich auch so, wie ich mich wohl fühle, in die Oper kann. Was indes trotzdem selten vorkommt.

LG, Micha

[GregorM]

Lieber Mas,

ich dachte nun nicht an Opernhaus und Theater, wo es höchstens darum geht, sich "netter" zu kleiden, sondern mehr um zum Beispiel Clubs besuchen, die Timper eben erwähnt hat, und wo es, stelle ich mir vor, mehr mit Verkleidung zu tun hat.

[Timper]

Natürlich stehen Oper und Theater auf der gleichen Stufe wie Clubs. Allen ist gemein sich für den Abend, das Event schick zu machen. Wart ihr noch nie auf einem echten, richtigen Ball? Zb Silvesterball?
Ich schon! Am Berliner Funkturm! Geht mal dahin dann seht ihr wie Mann und Frau sich dafür stylt! Gut Männer weniger. Aber ein schicker Smoking kann auch teuer sein. Oder die Oper und Philharmonie. Gut da lässt es nach. Letztens gab es hier ein 20er Jahre Event. Natürlich mit Dresscode! Mancher geht sogar zum Kostümverleih!
Was davon nun alles kleiden oder verkleiden ist ist Ansichtssache.
Böse Zungen behaupten Karneval gibt’s weil es sonst dort in der Region keine Möglichkeiten zum verkleiden gibt.
Und wenn jemand im Schottenrock rumläuft hat das auch was von Karneval solange er kein Schotte ist. Dann lieber ein Jeansrock der neutral ist!
Sollte jemals der Rock Standart werden dann wäre das schade . Dann müsste ich mich mit Hosen be oder verkleiden. 🙈
Sagt ihr zu euren Frauen eigentlich auch ob sie sich verkleidet wenn sie ein Abendkleid anzieht? Oder gibt’s das nicht im Schrank? Nur noch Hosen?

[Timper]

Kleiden/ Verkleiden
Wenn man kein Schotte ist ist der Schottenrock verkleiden!
Wenn man kein Asiate ist ist der Sarong verkleiden.
Wenn man kein Bayer ist ist die Lederhose verkleiden!
Wenn man keine bayerische Frau ist ist ein Dirnel verkleiden!
Ein Mann im Opernkleid ist genauso verkleiden( zb Hirti, Cepahlus..)
Wenn man kein Baske ist ist die Baskenmütze verkleiden.
Usw, usw.

Zu Neudeutsch Kulturelle Aneignung!
Zuweilen auch temporär.

Kommt immer auf die Sichtweise an.

[hirti]

Zum Glück habe ich es bei meinen Besuchen in Festspielhaus und Theater anders erlebt und mich wirklich über das tolle Aussehen und die kreative Garderobe der Besucher gefreut.
Und zwar betrifft das beiderlei Geschlechter, auch die Männer die ich sah waren zu einem großen Teil wunderbar kreativ und farbenfroh gekleidet.
Aber wen wunderts ... wir sind ja keine Deutschen.  (*duckundweg*)

Für mich ist der Anblick schön gekleideter Besucher ein Teil der Freude an einem schönen Abend bei einer besonderen Veranstaltung. Und ich mache natürlich nicht nur gern mit, sondern genieße die Möglichkeit für ein besonderes Outfit bewusst.

Das Bild im zitierten Artikel zeigt einen Volltreffer schlechten Geschmacks - wenn ich einen langweiligen Hanswurst in Sweater, langweiligen Schuhen und fader Hose sehen will gehe ich zu Aldi einkaufen.