Ja, so entstehen "Haltungen". Als Kleinkind habe ich mal einen grünen Anorak über einen blauen Schneeanzug gezogen und wollte damit in den Mittagsschlaf. Meine Mutter erklärte mir daraufhin, daß blau und grün nicht zusammen paßten und zog mir beides wieder aus. Heute bin ich der Meinung, daß gewisse Blau- und Grüntöne nicht gut zusammenpassen, aber ansonsten könnte man beliebige Farben für eine solche Behauptung heranziehen. Das idiotische an dieser Geschichte ist natürlich, daß es meiner Mutter darum ging, daß ich weder Anorak noch Schneeanzug im Bett anhaben sollte, aber sie mußte es nun mal kompliziert machen - wieso auch immer; wäre es tatsächlich um die Farbkombination gegangen, hätte ich ja eins von beiden anbehalten können.
Ich habe die Befürchtung, daß Eltern gerne zu idiotischen Erklärungen greifen, weil es einfach keine besseren gibt. Und wenn sie selbst merken, wie dämlich eine Erklärung ist, lassen sie sie weg und wiederholen einfach nur noch die Regeln. Daß das funktioniert, wissen wir spätestens seit Aldous Huxley ("Oh, wie froh bin ich, daß ich ein Beta bin und nicht so viel arbeiten muß!", "120 Wiederholungen, dreimal die Woche, dreißig Monate lang, danach erhalten sie Unterricht für Fortgeschrittene").
Glücklicherweise kann man sich durch logisches Denken von solchen "Normierungen" freimachen; und auch das beschreibt Aldous Huxley in seinem Roman "Schöne neue Welt", allerdings als einen sehr schmerzhaften und langwierigen Prozeß.
PS: Ich halte es für keine gute Idee, Erziehern vor den Augen und Ohren der Kinder zurechtzuweisen. Insbesondere Eltern gelten für Kinder noch als gottgleich, und wenn deren Regeln von anderen in frage gestellt werden, sind sie eben nicht nur richtig, sondern sie müssen auch noch verteidigt werden. Solche Versuche gehen also leicht nach hinten los.
PPS: Ein sehr beruhigender Kommentar meiner Mutter über meinen Klavierlehrer, und daß der meine Röcke cool findet: "Ja, der ist eben ein ganz normaler Mensch"