Lieber Gregor,
wieso kommt der Rock nicht aus der Kulisse raus? Wenn man weit in die Geschichte zurückblickt kann man das nicht verstehen. Der Rock war über Jahrtausende die Standardbekleidung auch für Männer.
Im 14./15. Jahrhundert regelte extra eine Standesordnung, wer die coolsten Röcke tragen durfte. Sie entschied, wie viele Gerren in ein Rocktuch eingenäht werden durften. Gerren waren gleichschenkelige Stoffdreiecke, die in Einschnitte des Saums eingenäht wurden und für Falten sowie eine A-Linie sorgten. Es gab immer wieder Ärger, wenn neureiche Händler sich erdreisteten genauso viele Falten zu tragen wie Adelige. Damals bedeutete ein Rock Prestige und wurde auch noch verziert, am besten mit Goldbrokat.
Der Bruch kam im 18./19. Jahrhundert mit dem Erstarken des Bürgertums und mit der politischen Umsetzung von Prinzipien der Aufklärung. Zunehmend ersetzten Reformbewegungen und Demokratie absolutistische Macht. So wurde der Männerrock zu einem Symbol der alten Mächte. Das unterstrichen in der französischen Revolution die Jakobiner mit ihren Sans-Culotten. Die Hose und gedeckte Farben wurden die neuen Machtsymbole für den Mann. Die Schlichtheit und Funktionalität sollten zeigen, dass der bürgerliche Mann es versteht anzupacken. Er braucht keinen dekorativen Firlefanz wie einst der König, um sich wichtig zu machen. Der Bürger vertraut schlicht und nüchtern auf seinen Geist und seine Tatkraft.
Der Psychoanalytiker Flügel hat das bereits vor 100Jahren sehr genau analysiert. Der Historiker Yuval Noah Harari erklärt in seinem aktuellen Bestseller „Sapiens – eine kurze Geschichte der Menschheit“ wie die bürgerlichen Umwälzungen mit patriarchalischer Prägung bis heute die politischen Systeme Europas und auch die Geschlechterrollen bestimmen.