Autor Thema: Gesellschaftlicher Konsenz/Zwang vs. Individualität  (Gelesen 11293 mal)

Offline rainer69

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Re: Gesellschaftlicher Konsenz/Zwang vs. Individualität
« Antwort #15 am: 03.04.2009 11:36 »
...
Bankgeschäfte mit spekulativen produkten setzt Kenntnisse voraus. Wenn man die nicht hat, soll man sein Geld auf das Sparbuch legen.
...

@mesa200,

du kennst sicher die Fälle, die durch die Medien gegangen sind.
Die Leute wollten ihr Geld sicher anlegen. Natürlich zu den höchsten Zinsen, die sie bekommen konnten.
Und die Bankster haben dann das verkauft wobei sie am meisten verdienen und dazu notfalls auch die Kunden angelogen, um deren Zweifel zu zerstreuen.

Wenn ich deine Aussage mal nicht nur auf Privatanleger beziehe, sondern auch auf die Geschäfte zwischen den Banken und institutionellen Anlegern, stellt sich die Frage, woher die ganzen faulen Papiere in den Banken kommen.
Die Antwort gibst du ja auch schon: Offensichtlich verfügten sie nicht über die erforderlichen Kenntnisse oder diese wurden durch die Gier ausgeschaltet.

Rainer

Offline Jürgen64

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Re: Gesellschaftlicher Konsenz/Zwang vs. Individualität
« Antwort #16 am: 03.04.2009 13:05 »
Hallo Rainer,

als Verkäufer kann ich das so nicht stehen lassen: Wenn ich als Verkäufer einem Kunden ein Produkt verkaufe, das die beworbenen Eigenschaften nicht erfüllt, so muss ich den Vertrag im Zweifel wandeln, also rückgängig machen. Wenn also ein Banker einem Kunden eine Anlage verkauft, die die versprochenen Eigenschaften, in dem Fall bzüglich der Sicherheit der Anlage, nicht erfüllt, so muß er dieses Geschäft ebenso rückgängig machen. Das Problem allerdings ist die Nachweisbarkeit. Die wenigsten Kunden lassen sich das schriftlich bestätigen bzw. die wenigsten Banker sind so blöd dass sie das tun. Vielmehr wird so lange aufgeschwatzt, bis der Kunde auch so kauft.

Gruß
Jürgen
Sei Du selbst. Von den anderen gibt es schon genug!

Offline rainer69

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Re: Gesellschaftlicher Konsenz/Zwang vs. Individualität
« Antwort #17 am: 03.04.2009 22:15 »
@Jürgen,

ich habe ja auch nichts gegen Verkäufer gesagt.

Wenn dein Kunde was zurückbringt, weil es nicht mit der Zusage von Eigenschaften übereinstimmt oder Mängel aufweist, nimmst du das mangelhafte Produkt zurück und erstattest das Geld oder tauschst die defekte Ware aus.

Aber bei den Anlagen wurde ja erst "bemerkt", daß die zugesicherte Eigenschaft einer sicheren Anlage fehlt, als das Geld schon weg war. Bei den Finanzderivaten darfst du auch nicht außer Acht lassen, daß die gezielt konzipiert wurden, um die amerikanischen Kreditrisiken ins Ausland zu verkaufen. In meinen Augen ist dieses ganze System mit den Zertifikaten Betrug.

Und dann gehe ich mal davon aus, daß du als Verkäufer deine Produkte kennst. Das sehe ich bei den Anlageberatern (die hier involviert waren)  nicht unbedingt als gegeben. Und wenn doch, wär's arglistige Täuschung.

Ein guter Verkäufer (im Geschäft mit privaten Endverbrauchern zumindest) ist zu seinen Kunden ehrlich und versucht nicht, ein Geschäft um jeden Preis durchzuziehen und dabei den Kunden zu übervorteilen.

Das Anlageberater so nicht sind, kann ich dir an einem eigenen Beispiel verdeutlichen:
Auf einem Unternehmertreffen lernten wir (damals hatte ich noch eine GbR) einen Vertreter vom AWD kennen.
Der bot uns an, die vorhandenen Versicherungen mal durchzuchecken und diese zu optimieren, um Kosten zu sparen.
Wir sollten alle Unterlagen (Auto-, Hausrat-, Kranken-, Lebensversicherung etc.) mitbringen.
Beim vereinbarten Termin (in seinem Büro) ging es dann überhaupt nicht mehr um die Versicherungen, der wollte uns erstmal Bausparverträge verkaufen. Und wurde dabei richtig aggressiv. Jedes Argument, warum wir jetzt keine Bausparverträge abschließen wollen, wurde zerredet. Wir hatten schon fast ein schlechtes Gewissen, seine "tollen" Bausparverträge nicht zu wollen. Das war schon fast Nötigung.
Da es auch nicht gelang, wie geplant über die Versicherungen mit ihm zu sprechen, brachen wir das Treffen ab.

Seither kommt mir kein Versicherungs- oder Bankvertreter mehr ins Haus. Nur noch Termine in deren Büro, weil ich dann einfach aufstehen und gehen kann...

Mit Verkäufern habe ich bisher keine schlechten Erfahrungen gemacht.
Und alle Berater und Vertreter, die zu mir kommen, haben von Hause aus schlechte Karten und werden sofort abgewimmelt. Die lasse ich nichtmal ausreden, was sie von mir wollen. 2 Worte, Tür zu.

Wenn ich etwas kaufen will, dann tue ich das bewußt, und nicht weil irgendwer meint, das müsse ich haben.
Weil ich sonst immer in der Defensiv-Position bin, und mich rechtfertigen muß, warum ich irgendwas nicht haben will.

Zurück zu den Anlageberatern:
Wenn jemand Geld sicher anlegen will, sich evtl. vorher informiert hat, und der Banker sagt dann "... hier habe ich was besseres für Sie..." kommt es sicher auf die Mentalität und das Wissen des Kunden an, ob er sich das aufschwatzen läßt.
Der Banker wird aber alles tun, um Zweifel auszuräumen, damit der Kunde sich schnell entscheidet. Der sieht dabei seriös aus, ist extrem freundlich und beschwichtigend und erweckt Vertrauen. Und das ist das Problem!

Übrigens wurden die auch speziell für das "Andrehen" der Zertifikate geschult, um davon möglichst viele unters Volk zu bringen.

Geschäft begründet sich auf Vertrauen und nicht auf Übervorteilung!

in diesem Sinne...

Rainer

Offline mesa200

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Re: Gesellschaftlicher Konsenz/Zwang vs. Individualität
« Antwort #18 am: 06.04.2009 11:08 »
Servus Rainer

Zurück zu den Anlageberatern:
Wenn jemand Geld sicher anlegen will, sich evtl. vorher informiert hat, und der Banker sagt dann "... hier habe ich was besseres für Sie..." kommt es sicher auf die Mentalität und das Wissen des Kunden an, ob er sich das aufschwatzen läßt.

Und genau dass ist es was ich meine. Wenn ich mich nicht auskenne, lasse ich die Finger davon weg oder informiere mich.

Das Problem liegt meines Erachtens darin, dass vielen Leuten die Geldgeschäfte lästig sind und ihr Berater von der Bank, zu der sie ja schon immer gehen, dass schon richtig schaukeln wird. Passt ja eh schon was der sagt.
Da wird vielmehr Zeit in das Auswählen des neusten Elektronik-Schnickschnack investiert.

Inzu kommt, dassdu bei Geschäften mit Zertifikaten darüber aufgeklärt werden musst und entsprechend unterschreibst, ob du alles verstanden hast.
Wenn das jemand tut, und dann doch nicht weiss was erkauft,dem ist leider nicht zu helfen.

Wie schon gesagt Gauner, Halsabschneider und Betrüger gibt es überall. Ob bei Bankern, Politikern, Ärzten oder auch bei den ganz normalen Handwerkern, die dir eine Solaranlage fürs Dach andrehen wollen.

Wissen ist Macht, und nichts wissen macht hier schon viel aus.

Servus

mesa200


Offline Jo 7353

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Re: Gesellschaftlicher Konsenz/Zwang vs. Individualität
« Antwort #19 am: 14.04.2009 23:32 »
ICH habe das Gefühl, dass von den Leuten die hier im Forum schreiben fast alle auch mit anderen Dingen neben der  Bekleidung ein Problem mit der Gesellschaft (Mittmenschen) haben.

Hallo,

zu dieser Beobachtung fallen mir mehrere Erklärungen ein.

Wer schon mal so weit durchgedrungen ist, den Hosenzwang zu hinterfragen und sich da gegen die Konvention zu stellen, wird kaum dabei aufhören, und dann noch viel mehr Verrückheiten unserer Gesellschaft entdecken, und sich dadurch gegen die Gesellschaft stellen.

Es geht auch umgekehrt. Weil man in vielem schon entdeckt hat, daß übliche Konventionen bekloppt sind, hat man das auch beim Rock gemerkt.

Es gibt Menschen, die Probleme machen, weil man Rock trägt.

Über ein krankes Bein kann man stundenlang reden. Zu einem gesunden Bein fällt einem kaum was ein. Daher wird vorwiegend über Konflikte geschrieben, und  das, wo alles harmoniert, wird übersehen.

Gibt es überhaupt Menschen, die nicht irgendwo Problem mit anderen Menschen haben?

Vielleicht ist wirklich ein gewisser Leidensdruck an der Gesellschaft notwendig, um sich gegen deren Kleidungskonventionen zu stellen.

Viele Grüße,
Jo
Der Rock ist kein Geschlechtsmerkmal.

Offline MasinAD

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Re: Gesellschaftlicher Konsenz/Zwang vs. Individualität
« Antwort #20 am: 15.04.2009 11:18 »
zu dieser Beobachtung fallen mir mehrere Erklärungen ein.

Wer schon mal so weit durchgedrungen ist, den Hosenzwang zu hinterfragen und sich da gegen die Konvention zu stellen, wird kaum dabei aufhören, und dann noch viel mehr Verrückheiten unserer Gesellschaft entdecken, und sich dadurch gegen die Gesellschaft stellen.

Es geht auch umgekehrt. Weil man in vielem schon entdeckt hat, daß übliche Konventionen bekloppt sind, hat man das auch beim Rock gemerkt.

Beides sind gültige Erklärungen. Hinzufügen würde ich nur, daß sich im Web, in solchen Foren naturgemäß nur diejenigen sammeln, die über ihre gesellschaftlichen Probleme im Bezug auf den Rock am Mann und dem Mann im Rock reflektieren und darüber Austausch suchen. Persönlich würde ich es anders formulieren, als sich 'gegen die Gesellschaft zu stellen'. Es muß erlaubt sein, Kritik zu üben, ohne gleich 'die Gesellschaft' als Gegner aufzufassen. Ich mag die Gesellschaft. Deswegen will ich ihr helfen, nicht mich von ihr abwenden. Ich will nicht Teil einer Protestkultur oder ener Szene sein.

Es gibt einfach gesellschaftliche Mißstände. Sie zu benennen heißt nicht, sich die Gesellschaft zum Gegner zu machen.

Der Rock taugt wunderbar als Beispiel, wo sich Konvention unsinnig entwickelt hat. Die einzige Instanz, die über Rock oder nicht Rock entscheiden sollte, ist die Ästhetik (nein, Wohlbefinden zählt nicht, wir reden hier die ganze Zeit über über externe Entscheidungskriterien) -- und die Ästhetik wird maßgeblich überdeckt durch Gewohnheit, kommt also nur selten zu tragen. Hat man diesen Mechanismus erkannt, stellt man ihn auch an anderen Stellen fest. Außerdem kommt die Frage auf, welche Berechtigungen denn Kleiderkonventionen für 'weiblich' und 'männlich' haben, wo Frauen sich doch unbegrenzt an vorgeblich 'männlicher' Kleidung bedienen können und dennoch keine gesellschaftliche Ächtung zu befürchten haben. Und so kommt man von einem zum anderen und hangelt sich immer weiter. Und man stellt fest, daß bei vielen Konventionen reine 'Willkür' (oder auch reiner 'Zufall' oder schlicht Entwicklung aus historischen Begebenheiten) vorliegt, findet man auf der ganzen Welt oder in der Vergangenheit viele Beispiele, daß es auch anders geht oder anders ging. Welchen Grund sollte es für ein Festhalten an Konventionen geben?

Da wäre einmal die Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern. Im Extremfall kann man das reduzieren auf Besamer und 'Gebär'-Mutter. Dafür sind keinerlei Konventionen nötig, es sei denn, man möchte den Vorgang der Besamung persönlich und möglichst effizient gestalten -- das überlasse ich aber der Phantasie eines jeden einzelnen ;-). Die Rollenverteilung im Abendland ist noch sehr stark geprägt von der Marienverehrung der christlichen Kirche, wonach jede Frau Unschuld und Mütterlichkeit für sich gepachtet habe und Verehrung verdiene. Als schutzbedürftiges Wesen wird ihr nicht zugestanden, selbständig zu sein oder für sich Verantwortung zu übernehmen. Frauen hängt immer noch an, keine wirklichen erwachsenen Menschen zu werden, sie werden gerne als infantil oder als ein bißchen schwachsinnig betrachtet, jedenfalls nicht für voll genommen. Vermutlich ist es in den letzten Jahrzehnten besser geworden, aber es ist immer noch zu spüren und zu beobachten.

Zu erkennen, daß Frauen auch 'ernste' Menschen sein können/sind, würde aber erfordern, daß man sich mit ihnen auseinandersetzt -- anders als 'Wie kriege ich sie ins Bett?' Und wenn man das schafft, sind Frauen auf einmal auch kein großes Rätsel mehr. Sie sind Menschen mit Eigenheiten wie Männer auch -- aber das erkennt man wohl nur, wenn man nicht ständig die Frau oder den Mann im Menschen suchen will.

Und auf einmal hat man den Bogen gespannt vom Rock zum individuellen Verhältnis zwischen Mann & Frau. Wenn man jetzt Männer und Frauen eh als Menschen betrachtet, ergibt auch das individuelle Verhältnis zwischen Mann & Frau keinen Sinn mehr, da es nur noch ein Verhältnis von drei möglichen ist, wovon alle aber nur zwischen Mensch & Mensch ablaufen. (Cool! So ein Geschwurbel kriege ich echt nur nach zu wenig Schlaf zustande ;-))

So, wie mancher fordern mag, die Spannung zwischen den Geschlechterrollen, die aus ihren Unterschieden resultiert, solle erhalten bleiben, kann man auch fordern, daß die Spannung abgeschafft werden solle. Beides sind berechtigte Forderungen. Ich ziehe die Spannung zu einem interessanten Menschen aber ehrlich gesagt vor -- die meisten Frauen sind (wie auch die meisten Männer) mir schlicht uninteressant (wie auch ich den meisten Menschen uninteressant sein dürfte). Da brauche ich keine Spannung zwischen den Geschlechtern -- oftmals nervt diese einfach nur, weil sie einem entspannten Verhältnis im Wege steht (das ist tautologisch! :-)). Diese ach so tolle Spannung ist meiner Erfahrung nach nur in ganz seltenen Fällen angebracht, im Alltag ist sie komplett überflüssig. Meine Meinung. Andere können sich daran vielleicht erfreuen.

LG
Masin


 

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