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Röcke und mehr... => Artikel und Presseberichte => Thema gestartet von: Luan am 13.04.2023 22:47

Titel: Mutter des Minirocks: Mary Quant gestorben
Beitrag von: Luan am 13.04.2023 22:47
Im stolzen Alter von 93 Jahren ist Mary Quant verstorben. Sie gilt als die Mutter/Erfinderin des Minirocks.

Das Heute Journal berichtete darüber klick (https://www.zdf.de/nachrichten/heute-journal/minirock-quant-erfinderin-100.html)
Titel: Antw:Mutter des Minirocks: Mary Quant gestorben
Beitrag von: Jean am 13.04.2023 23:57
Kurz und knapp wie der mini 8)
Danke fürs verlinken?
Titel: Antw:Mutter des Minirocks: Mary Quant gestorben
Beitrag von: Holger Haehle am 14.04.2023 02:47
Mary Quant hat Modegeschichte geschrieben. Ihre Kreationen werden bis heute getragen.

Als Erfinderin sehe ich sie nicht, denn die Geschichte kennt bereits Röcke in dieser kurzen Länge. Aber sie hat da etwas aufgegriffen, was historisch männlich zugeordnet war und in einer modernen Interpretation auch für Frauen zugänglich gemacht.

Bereits in der Antike kämpften Hopliten und andere Krieger wegen der größeren Bewegungsfreiheit in solchen Röcken. Und in der Renaissance wurden die Röcke durch die immer feineren Hosen (die damals noch als Beinlinge an die Unterhose genestelt wurden) und ersten Strumpfhosen noch kürzer bis nur noch Schecken (kurze Jacken, Vorläufer des Wams) getragen wurden, um so schöne Beine zu zeigen.

Das Neue und Besondere mit der Wiederbelebung des Minirocks durch Mary Quant war, dass er zum Zeichen für Emanzuipation wurde, weil jetzt auch Frauen diese kurze Rockware tragen konnten.
Titel: Antw:Mutter des Minirocks: Mary Quant gestorben
Beitrag von: Skirtedman am 14.04.2023 03:21
Das Neue und Besondere mit der Wiederbelebung des Minirocks durch Mary Quant war, dass er zum Zeichen für Emanzuipation wurde, weil jetzt auch Frauen diese kurze Rockware tragen konnten.

Holger, das ist schön aus der Sicht des Männerrock-Erklärers geschrieben.

Danke für die Argumente, die Du uns damit an die Hand gibst.

Das "Neue und Besondere" am Minirock war, dass Frauen erstmals nach langen Jahrzehnten / Jahrhunderten solch kurzen Röcke tragen "durften". Mit Emanzipation war dies richtigerweise auch verknüpft. Aber unter folgendem emanzipatorischem Aspekt: Dass die Frauen nun selbst bestimmten, was, vor allem wie sie sich anzogen. Und der Kern der Frauen-Emanzipation in puncto Minirock war: Dass sich Frauen die Freiheit nahmen, trotz ewigen Sittenwächtern "frech" zu sein.
Galt doch noch ausser einer frivolen kurzen Episode in den 1920er Jahren sonst über die letzten Jahrhunderte: Es galt als anstößig für Frauen, das Knie zu entblößen.
Titel: Antw:Mutter des Minirocks: Mary Quant gestorben
Beitrag von: MAS am 14.04.2023 22:05
Ich halte das auch für eine gute alternative Erklärung! :)

LG, Micha
Titel: Antw:Mutter des Minirocks: Mary Quant gestorben
Beitrag von: Holger Haehle am 15.04.2023 04:33
Hm Micha, wieso alternativ. Wolfgang macht doch den gleichen Punkt - Emanzipation - und führt den dann weiter aus. Oder gibt es daneben tatsächlich einen zweiten alternativen Aspekt, den ich übersehen habe?
Titel: Antw:Mutter des Minirocks: Mary Quant gestorben
Beitrag von: MAS am 15.04.2023 09:35
Hm Micha, wieso alternativ. Wolfgang macht doch den gleichen Punkt - Emanzipation - und führt den dann weiter aus. Oder gibt es daneben tatsächlich einen zweiten alternativen Aspekt, den ich übersehen habe?

Alternativ zu der Sichtweise, dass der Minirock per se nur ein weibliches Kleidungsstück sei, Holger. Ich glaube nicht, dass die Frauen, die in den 60ern mit dem Minirocktragen angefangen haben, sich bewusst waren, dass das man ein männliches Kleidungsstück war. Und die Männer, die den Frauen hinterherguckten, sicher auch nicht. Und selbst heute weiß das kaum einer. Die gewöhnliche Sichtweise ist die, dass Frauen Miniröcke anziehen, um in ihnen feminin-sexy auszusehen, nicht, um sich ein ursprünglich männliches Kleidungsstück zu erobern. Und zu dieser Sichtweise ist die, die Du hier vorgestellt hast, eine Alternative.

LG, Micha

PS: Oder hast Du meinen Betrag so verstanden, dass ich Wolfgangs Sicht als alternativ zu Deiner bezeichnet habe? Nee, ich meine, Euer beider Sichtweise ist eine Alternative zu der anderne, die ich oben dargelegt habe.
Titel: Antw:Mutter des Minirocks: Mary Quant gestorben
Beitrag von: Skirtedman am 15.04.2023 10:19
Wobei meine eingeworfenen Punkte keine Alternative zu Michas "Sichtweise" ist, sondern eine Ergänzung zu Michas "Sichtweise".
Titel: Antw:Mutter des Minirocks: Mary Quant gestorben
Beitrag von: Holger Haehle am 15.04.2023 11:04
Das Micha, was du als die gewöhnliche Sichtweise bezeichnest, nämlich dass Frauen Röcke tragen, ist das Ergebnis der bürgerlichen Umwälzungen des 18.-19. Jahrhunderts.

Schon Coco Chanel hat in Interviews gesagt, dass sie ihre Inspirationen für die Damenmode aus ihrer Beschäftigung mit der historischen Männermode ziehe - und diese für Frauen neu interpretiere.
Titel: Antw:Mutter des Minirocks: Mary Quant gestorben
Beitrag von: Skirtedman am 15.04.2023 12:37
Nun, das werden allerdings die wenigsten Frauen im Kopf gehabt haben, als sie sich erstmals in einen Minirock trauten.
Titel: Antw:Mutter des Minirocks: Mary Quant gestorben
Beitrag von: Holger Haehle am 15.04.2023 13:37
Woher sollten sie es auch im Kopf haben. Es liegt einfach zu weit zurück.
Aber es ist eben bemerkenswert, dass viele kreative Ideen "Aufgüsse" von vorgestern sind.
Auch Designer erfinden das Rad nicht immer neu.
Titel: Antw:Mutter des Minirocks: Mary Quant gestorben
Beitrag von: Holger Haehle am 15.04.2023 17:41
Micha und Wolfgang, ihr betont beide, dass Frauen sich in kurzen Röcken sexy fühlen.
Ist das nicht frappierend, dass Frauen sich in den gleichen Klamotten sexy fühlen können wie einst Männer?
Wie geht das, wenn das Gender dem biologischen Geschlecht folgen sollte und folglich sein Ableger ist?
Titel: Antw:Mutter des Minirocks: Mary Quant gestorben
Beitrag von: Skirtedman am 15.04.2023 19:00
Danke, Holger, für die Einladung zu einer tiefer gehenden Diskussion.

Ich denke, das ist heute und war damals zu Beginn von Mary Quants Minröcken so eine Mischung aus "sexy sein" und "frech / unangepasst sein".

Da Du den Part "Sexyness" ansprichst:

Ich denke, dass etwas wie z.B. ein Minirock im Alltag "sexy" ist, hat im Besonderen was mit dem Zeitgeist zu tun.

In der Antike konnten z.B. Frauen durchaus auch verführerisch sein, wobei da vielleicht ein anderer Mix von Reizen damals wirksam gewesen sein dürfte. In der Antike war ja auch etliches weniger verpönt als heute. Ehebruch war weithin den meisten erlaubt, geduldet, nur bestimmt definierte Minderheiten waren bis hin zum Tode bedroht bei aktivem Ehebruch. "Unzucht mit Minderjährigen" - was heute kaum jemand wieder haben will -, homoerotische Handlungen ohne zwingende Verbindung zu Homosexualität und zudem bacchantische wollüstige Gelage etc. waren zumindest in bestimmten Kreisen keineswegs tabu. Auch waren sexuelle Handlungen deutlich weniger ins intime Private zurückgedrängt, sondern eine gewisse Freizügigkeit war auch vor den Augen anderer durchaus vorstellbar.

Heute ist das alles - und mehr - mit Tabus belegt, zwar trifft hierzulande kaum jemanden heute noch die Todesstrafe (jedenfalls nicht per Gesetz), dennoch ist in unserer Zeit das moralische Verbot deutlich weiter verbreitet als in antiker Zeit. Deshalb funktioniert ja "sexy" recht effektiv. Die Römer hätten vieles nicht so schnell sexy gefunden - kann ich mir gut vorstellen.

Warum ist unsere Zeit - zugespitzt ausgedrückt - so frivol? Das hat was mit dem neulich hier im Forum schon angesprochenen Überwinden des Adels zu tun. Das Verneinen von ausgelebtem Prunk, der auf Kosten von Ausbeutung und Gehorsamkeit der Bevölkerung zelebriert wurde. Die Bürger verfielen zunehmend den klaren Linien, die nicht zuletzt von militärischen Uniformen abgeguckt waren, jedenfalls beim Mann: Der Mann verfiel dem Anzug (könnte man sagen). Die Frau verfiel den Vorstellungen des biederen Bürgertums, möglichst züchtig sich zu bedecken. Das Bürgertum strebte vor allem den puristischen evangelischen Auffassungen nach, wonach jede Leibesfreude (z.B. auch Karneval) abgelehnt wurde.

Das brachte den Frauen um 1900 den bedingungslos bodenlangen Rock ein, steife Stoffe, mehrere Unterröcke, am besten alles nicht zu weit.

Aber nicht nur das Ablehnen des Adels läutete den Purismus ein. Da wirkten auch noch andere Mächte mit, vor allem die christlichen Botschaften, die auch schon ohne die Evangelen und Protestanten bereits Verzicht auf Leibliches predigten.

Was als "sexy" heute empfunden wird, kann also auf keiner Weise mit der "Sexyness" der Antike verglichen werden. "Sexy" funktionierte in der Antike anders. Weniger rein über die Kleidung. Dessen bin ich mir sicher.
Titel: Antw:Mutter des Minirocks: Mary Quant gestorben
Beitrag von: high4all am 15.04.2023 21:03
Micha und Wolfgang, ihr betont beide, dass Frauen sich in kurzen Röcken sexy fühlen.
Ist das nicht frappierend, dass Frauen sich in den gleichen Klamotten sexy fühlen können wie einst Männer?
Wie geht das, wenn das Gender dem biologischen Geschlecht folgen sollte und folglich sein Ableger ist?
Gern schütte ich etwas Wasser in den Wein:

Könnte es nicht sein, dass das Gefühl, in kurzen Röcken sexy zu wirken, von der einschlägigen Werbung herrührt, die ein Frauenbild bemüht, dass vor allem von Männern propagiert wird? Die ihre eigenen Empfindungen den Frauen überstülpen? 

Auf den Demos der 1960er-Jahre für Miniröcke ging es den Frauen um Emanzipation und Befreiung von Zwängen. Nicht darum, in den Augen von Männern sexy zu sein.

Bevor Ihr die Gefühle von Frauen erklärt, solltet Ihr sie vielleicht fragen und im besten Fall dazu lernen.
Titel: Antw:Mutter des Minirocks: Mary Quant gestorben
Beitrag von: JoHa am 15.04.2023 21:59
"Bevor Ihr die Gefühle von Frauen erklärt, solltet Ihr sie vielleicht fragen und im besten Fall dazu lernen."
In den 80er Jahren war ich Mann einer Feministin, die sich aktiv für die Einrichtung eines Frauenhauses in unserer Stadt einsetzte. Von vielen Sitzungen berichtete sie mir, daß sie primär Wert auf Anhörung, sekundär auf Aussehen legten. Sie kleideten sich mit schwingenden Röcken, Westernstiefelchen, Sneakers, Indienkleidern und schminkten sich. Nicht, um Männern zu gefallen. Jedenfalls nicht in erster Linie. Sie drückten aus, wie sie sich selbst empfanden. Dieser Einstellung folge ich auch heute noch. Ich will mein Wesen positiv darstellen. Wer es negativ empfindet, mag das tun, hat jedoch nicht meine Aufmerksamkeit.
Titel: Antw:Mutter des Minirocks: Mary Quant gestorben
Beitrag von: Skirtedman am 15.04.2023 22:06
Warum ist unsere Zeit - zugespitzt ausgedrückt - so frivol? Das hat was mit dem neulich hier im Forum schon angesprochenen Überwinden des Adels zu tun. Das Verneinen von ausgelebtem Prunk... ... ...

Oh, ich habe da ein falsches Wort benutzt.

Ich muss mich korrigieren. Die Frage muss natürlich lauten:
Warum ist unsere Zeit (verglichen mit der Antike) - zugespitzt ausgedrückt - so prüde? ... ... ...
Titel: Antw:Mutter des Minirocks: Mary Quant gestorben
Beitrag von: Jean am 15.04.2023 22:14
Hallo Hajo
Ich danke dir fùr deinen beitrag denn der mini bedeutete für die frauen in der tat die befreiung von zwängen.
Es ging nicht darum den männlichen minirock zu übernehmen den es seit ewigen zeiten nicht mehr gab.

Lg, Jean
Titel: Antw:Mutter des Minirocks: Mary Quant gestorben
Beitrag von: Skirtedman am 16.04.2023 01:25
Auch wenn es uns ziemlich selbstverständlich scheint...
trotzdem die Frage...

"Befreiung von Zwängen" - welche Zwänge waren es?
Titel: Antw:Mutter des Minirocks: Mary Quant gestorben
Beitrag von: Holger Haehle am 16.04.2023 02:14
Sexyness war in den 60er Jahren Teil der sexuellen Revolution und damit ein wesentlicher Teil des individuellen und somit auch weiblichen Ausdrucks in der Mode. Das kam eben von beiden Seiten. Da waren die männlichen Fantasien und der weibliche Wunsch nach sexueller Befreiuung.

Noch heute dient Sexyness meinen Collegeschülerinnen als Begründung, wenn sie ihren Schulrock höher ziehen oder die offizielle Knielänge deutlich kürzen und dann die Bilder posten.

Aber unabhängig davon, wer hier die Sexyness will. Wie kann die gleiche Mode an männlichen und weiblichen Körpern sexy wirken. Ist Gender eben doch eine vom geschlechtlichen biologischen Dimorphismus unabhängige kulturelle Konstruktion, die je nach Zeitgeist mal so und mal so ausfällt?
Titel: Antw:Mutter des Minirocks: Mary Quant gestorben
Beitrag von: Skirtedman am 16.04.2023 02:38
"Na klar!", war mein erster Impuls.

Mein zweiter Impuls ist: Ohne Deine Frage auch nur im Ansatz beantworten zu wollen, dürfen wir nicht vergessen, dass unser Bild vom Minirock tragenden antiken Muskelpaket von den Darstellungen in Monumentalfilmen geprägt ist, deren Genre insbesondere in den 40er bis 70er Jahre hinein sich entwickelt hat. Der Blick zurück in die Historie ist also auch wiederum stark von ästhetischen Massstäben jener Jahrzehnte und den heutigen Sichtweisen geprägt. Ich vertrete nach wie vor die These, dass Sexiness, wie wir sie heute in ihrem Wesen begreifen, so in dieser Art in der Antike nicht vergleichbar existierte. Sexiness ist m.M.n. erst mit den moralischen Auffassungen unserer letzten Jahrhunderte konstruiert worden.
Titel: Antw:Mutter des Minirocks: Mary Quant gestorben
Beitrag von: Holger Haehle am 16.04.2023 03:08
Hm Wolfgang, willst du damit sagen, dass es ein paar Jahrhunderte zurück keine erotische Wirkung von Kleidung gab? Oder nur, dass sie anders war, weil es andere moralische Maßstäbe gab.

Wenn letzteres gilt, dann halte ich es für möglich, dass im 19. Jahrhundert ein entblößtes Frauenknie die gleiche Wirkung hatte wie in der Antike ein nackter Busen. Das wäre dann ein Hinweis auf eine von mir postulierte gesellschaftliche Konstruktion - also möglicherweise ohne biologischen Bezug.
Titel: Antw:Mutter des Minirocks: Mary Quant gestorben
Beitrag von: Skirtedman am 16.04.2023 11:05
Wenn letzteres gilt, dann halte ich es für möglich, dass im 19. Jahrhundert ein entblößtes Frauenknie die gleiche Wirkung hatte wie in der Antike ein nackter Busen. Das wäre dann ein Hinweis auf eine von mir postulierte gesellschaftliche Konstruktion - also möglicherweise ohne biologischen Bezug.

Kurz gesagt: Ja, so ist es.

Differenzierter gegesagt:
Hm Wolfgang, willst du damit sagen, dass es ein paar Jahrhunderte zurück keine erotische Wirkung von Kleidung gab? Oder nur, dass sie anders war, weil es andere moralische Maßstäbe gab.

Ja, sie (die erotische Wirkung von Kleidung) war überwiegend anders, weil es andere moralische Maßstäbe gab.
Aber sie war gleichzeitig auch geringer - vor allem in der Antike, die als Beispiel minirocktragender Männer hervorragend taugt.

Ich bezweifle, dass eine entblößte weibliche Brust in der Antike als genauso "sexy" empfunden wurde wie ein entblößtes Frauenknie vor 130 Jahren.

Um das beantworten zu können, müsste man die gesamte Erotikgeschichte aufarbeiten. Ohne auch nur einen Deut da für diesen Beitrag hier irgendwo bei Wiki oder sonst im Web recherchiert zu haben, kann ich mir aber auch vorstellen, dass da ein ganzer Haufen von Fragen aufgeworfen wird, die man nur durch tieferes Eintauchen in die Volkskunde und Gesellschaftskunde ausreichend beantworten werden kann.

Mir fallen da Begriffe ein wie "Liebe", "Verführung" oder "Vergewaltigung".

Diese Begriffe haben heute eine ganz andere Bedeutung als noch vor wenigen Jahrhunderten, geschweige denn Antike. Auch wenn wir Goethe als den triebgesteuerten Schwerenöter begreifen, der fortgesetzt von Liebe geschrieben hat, so ist sein Liebesverständnis ein anderes als unser heutiges. "Liebe" zur Zeit von Goethe war mehr noch im Sinne der "Kraft der Verführung" zu verstehen oder sehr viel enger gekoppelt an unser heutiges "Liebe machen". Das Verständnis der romantischen Liebe wurde erst in der Rezeption dieser Werke im 19. Jahrhundert zu dem geformt, was es bis heute für uns bedeutet.

Die meisten Leute hatten bis ins 18. Jahrhundert gar keine Zeit, sich der romantischen Liebe hinzugeben. Das war "Liebe", die im Sinne der "Gattentreue" zu verstehen ist, im Sinne der gemeinsamen Teambildung, um durch die Anforderungen des Lebens zu kommen. Nicht das Hingezogenfühlen bestimmte, wer wen heiratete - die Gelegenheiten machten den entscheidenden Faktor - bei den Armen wie bei den Reichen. Die Herrschenden heirateten unter ihresgleichen, da waren Zweckheiraten die Regel, nicht die Liebesheiraten.
Bis ins 18. Jahrhundert hinein war "Liebe" mehr das, was die "Kraft der Verführung" im nicht-ehelichen Kontext bedeutete. Und sich dieser Kraft hinzugeben, war längst nicht so verpönt wie heute, war quasi an der Tagesordnung.

Nun haben aber gerade die christlichen Botschaften und deren Interpreter versucht, diese Triebe unter Kontrolle zu bekommen. Was in Worten und Taten ab den Reformationsbewegungen auch immer mehr an gesellschaftlichem Gewicht - zumindest vordergründig - erhielt.

"Vergewaltigung" war bis dahin nichts sexuelles, allenfalls im auf die Spitze getriebenen Einzelfall. Das Konzept unserer heutigen "Vergewaltigung" ist die allmähliche Erfindung der "Selbstbestimmung". Selbstbestimmung war vor der französischen Revolution (und anderen Aufbegehrungen des Volkes) vollkommen fremd. Am Konzept der Selbstbestimmung wird bis in unsere Jahrzehnte hinein noch gebastelt.

Davor gab es keine Idee von sexueller Vergewaltigung. Vergewaltigung war das Habhaftwerden eines Menschen oder dessen Besitzes/Einflußbereichs, zuerst in Ausübung der Rechtsprechung, später auch mit der unrechtmässigen Aneignung desselben.

Davor war Liebe nahezu reine Verführung. Und Verführung lag im Verhalten begründet.

Verführung hat auch etwas mit Schönheit zu tun. Und auch für Schönheit hatten die Menschen vor 1800 keine wirkliche Zeit oder Möglichkeiten. Das war nur den Frauen und Töchtern der Gutsherrn oder mächtigen Kaufleute vorbehalten. Und natürlich dem Hof. In diesen Kreisen war es überhaupt möglich, "Mode zu entwickeln". Und was man von Hof und von den Reichen so sah und so hörte, war das, was mit Schönheit in Verbindung gebracht wurde: Reich, schön und manchmal auch sauber. Jedenfalls nicht durchs Leben gezeichnet.

Und das, was als "schön" angepriessen war, hatte auch die Macht, erotisch zu wirken. So waren es die edlen Stoffe und Farben, die eine gewisse Erotik ausstrahlen konnten. Wobei "Erotik" und "romantische Liebe" oft sich auf Unerreichbares bezogen (im Extrem: die Minne. Minnesänger waren z.T. die keuschen Beschützer der Rittersfrauen, deren Ritterfürsten auf monatelangen Kampfzügen waren). - "Verführung" hingegen, war allgegenwärtig. Die Edelfrau wurde begehrt (aber unerreichbar, weil beschützt), die Magd wurde genommen (weil treu ergeben und ohne Schutz). Erst die Erfindung der Selbstbestimmung und die zunehmende Anwendung auf breite Teile der Gesellschaft änderte daran etwas.

Noch bewege ich mich gedanklich irgendwo zwischen Neuzeit und Hochmittelalter. Wie sehr viel abweichender müssen all diese Konzepte im frühen Mittelalter oder gar in der Antike bei den Römern oder Griechen oder sonstwo gewesen sein?

Auch Michelangelo übernahm die Konzepte klassischer antiker Kunst. Auch sein nackter David bekam mal ein Feigenblatt in der jüngeren Zeit spendiert. Antike Kunst stellte fast alle idealisierten Figuren nackt dar. Nacktheit war in der Antike keinesfalls verpönt. Sportler traten zum Wettkampf unter den Augen der Bevölkerung nackt an.

Kleidung hatte in der Antike eher praktische Funktionen, wie die Standeszugehörigkeit ausdrücken, zu wärmen, vor Sonne zu schützen, allenfalls körperliche Erregung zu verbergen. Die dekorative Funktion stieg mit dem Grad der Standeszugehörigkeit. Einen erotischen Faktor der Kleidung - glaube ich - überschätzen wir, was die Antike angeht.

Auch "Liebe machen" war weniger privatisiert. Wenn ich dies mit "Verführung" weiterhin gleichsetze, so war dies gesellschaftlich relativ frei verfügbar (je höher der Stand desto verfügbarer). Erotische Signale durch Kleidung bedurfte es - meiner Überzeugung nach - kaum.

Es war das Verhalten - die Kommunikation, die Gesten, das letztlich sich Hingeben auf den verschiedenen Annäherungsstufen - was die Erotik ausmachte. Ich glaube, da reichte bei weitem nicht die entblößte Brust.

Ich denke, hirti, Deine Ursprungsfrage nach Miniröcken an der Frau versus Miniröcken an antiken Männern in puncto "Sexiness" lässt sich keineswegs undifferenziert beantworten.

Oder Kurzthese im Umkehrschluß: "Erotik" wird heutzutage viel zu sehr auf die Botschaft der Kleidung reduziert.
Titel: Antw:Mutter des Minirocks: Mary Quant gestorben
Beitrag von: Jean am 16.04.2023 12:44
Danke, nun ist mir alles klar ;)
Titel: Antw:Mutter des Minirocks: Mary Quant gestorben
Beitrag von: high4all am 16.04.2023 13:36
Auch wenn es uns ziemlich selbstverständlich scheint...
trotzdem die Frage...

"Befreiung von Zwängen" - welche Zwänge waren es?
Beispielsweise die Befreiung von althergebrachten Bekleidungsvorschriften im Bezug auf die Länge von Röcken und Kleidern, denen Frauen seinerzeit unterworfen waren.

Titel: Antw:Mutter des Minirocks: Mary Quant gestorben
Beitrag von: Jean am 16.04.2023 23:14
Auch wenn es uns ziemlich selbstverständlich scheint...
trotzdem die Frage...

"Befreiung von Zwängen" - welche Zwänge waren es?
Beispielsweise die Befreiung von althergebrachten Bekleidungsvorschriften im Bezug auf die Länge von Röcken und Kleidern, denen Frauen seinerzeit unterworfen waren.

Kurz und knapp auf den punkt gebracht!
Titel: Antw:Mutter des Minirocks: Mary Quant gestorben
Beitrag von: MAS am 17.04.2023 00:20
Aber als im 14. Jh. die Männerröcke kürzer wurden und im 15. Jh. die Pluderhosen und die Schamkapsel aufkamen, brachte das doch auch die Moralapostel in Rage. Insofern war hier doch auch Sexyness dem heutigen Empfinden nicht unähnlich.

LG, Micha
Titel: Antw:Mutter des Minirocks: Mary Quant gestorben
Beitrag von: Jean am 17.04.2023 19:27
Aber als im 14. Jh. die Männerröcke kürzer wurden und im 15. Jh. die Pluderhosen und die Schamkapsel aufkamen, brachte das doch auch die Moralapostel in Rage. Insofern war hier doch auch Sexyness dem heutigen Empfinden nicht unähnlich.

LG, Micha


Ich denke es ging wohl eher um hoffart und präsentation der potenz als um sexyness.
Früher war es die schamkapsel und heute bei vielen der bart :o
Titel: Antw:Mutter des Minirocks: Mary Quant gestorben
Beitrag von: MAS am 17.04.2023 23:06
Aber als im 14. Jh. die Männerröcke kürzer wurden und im 15. Jh. die Pluderhosen und die Schamkapsel aufkamen, brachte das doch auch die Moralapostel in Rage. Insofern war hier doch auch Sexyness dem heutigen Empfinden nicht unähnlich.

LG, Micha


Ich denke es ging wohl eher um hoffart und präsentation der potenz als um sexyness.
Früher war es die schamkapsel und heute bei vielen der bart :o

Aber was ist Sexyness anders als die Präsentation der sexuellen Potenz?

LG, Micha
Titel: Antw:Mutter des Minirocks: Mary Quant gestorben
Beitrag von: Jean am 17.04.2023 23:56
Ich weiss ja nicht wie die damen früher dachten aber ich denke mal so was käme heute bei den frauen heute eher plump oder abstossend  rüber :)
Ich hoffe nur das das uns im strassenbild erspart bleibt😀

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 (https://flic.kr/p/82Sdv7)vintage miniskirts (https://flic.kr/p/82Sdv7) by Retrohound (https://www.flickr.com/photos/33158682@N06/), auf Flickr
Das ist ja das raffinierte am mini.
Er zeigt sehr viel ohne billig oder plump zu wirken 8)
Titel: Antw:Mutter des Minirocks: Mary Quant gestorben
Beitrag von: MAS am 18.04.2023 00:07
Das sind nur verschiedene Methoden, die eigene sexuelle Attraktivität zu zeigen. Aber letztlich geht es doch immer um DAS EINE.

Man kann aber Miniröcke auch nur tragen, weil sie so schön luftig sind.

LG, Micha