Wir könnten einen neuen Thread über Kritik am Bildungssystem aufmachen. Ich bin aber gerade zwischen Zug und Mensa nur kurz hier im Forum und füge jetzt nur mal schnell ein, was ich eben im Zug offline geschrieben habe:
Lieber Lars,
ich war schon immer kritisch gegenüber unserem Schulsystem. Als ich selber Schüler war, dachte ich, Wissenschaft solle zum einen praktische Anwendung und zum anderen Weisheit als Ziel haben, aber in der Schule werde keines von beiden angestrebt. In Umkehrung des „non scholae des vitae discimus“ habe ich ironisch gesagt: „non vitae sed examinae discimus“.
Aber doch ein Einwand zum Text über „Schule neu denken“. Kreativität ist nicht nur ein zweckfreies Spiel. Es gibt Fehler, sogar tödliche, z.B. im Straßenverkehr, beim Bergsteigen und auch beim Kommunizieren. Wenn ich kreativ eine eigene Sprache erfinde, die sonst niemand versteht, ist das ein Fehler, sofern ich mich mit ihr verständigen möchte. Im kreativen Prozess Fehler zu machen, kann deshalb sinnvoll sein, weil ich aus den Fehlern lernen kann, um sie künftig zu vermeiden. Solange ich beim Üben die Fehler mache, sind sie nicht schlimm, aber wenn ich sie im Ernstfall mache, kann das schlimme Folgen haben.
Der Forderung nach mehr Freizeit stimme ich aber zu. Es ist schrecklich, von morgens bis abends eingespannt zu sein und Leitung bringen zu müssen! Auch meine Studierenden tun mir da leid, die von 8 bis 18 Uhr eine Lehrveranstaltung nach der anderen haben. Das hatten wir in unserm Studium in den 90ern so nicht. Aber dann kam die Bolognarefom, die zum Ziel hatte, die deutschen jungen Leute den Anschluss an den Vorsprung anderer Länder erreichen zu können und damit die Wechsel zwischen den Hochschulen Europas leichter funktionieren. Letzteres funktioniert aber immer noch nicht, noch nicht mal innerhalb eines Bundeslandes. Immer noch werden Leistungen einer Uni an einer anderen nicht immer anerkannt. Ersteres verdankt sich der Ideologisierung des Wettbewerbs in unserer Gesellschaft, statt einer Wertschätzung der Kooperation und Solidarität.
Ich habe die Texte aber auch noch nicht alle gelesen und muss jetzt noch anderes für die Uni lesen. Vor allem den Text über die Achtsamkeit werde ich mir nochmal achtsam vornehmen. Ich atme mit meinen Kursteilnehmer*innen zu Beginn einer Lehrveranstaltung immer dreimal tief ein und aus. Das mag nur Symptombekämpfung sein, damit die Leute mental ankommen, ihre Smartphones zur Seite legen, die Unterhaltungen einstellen, die Gedanken im Hier und Jetzt ankommen lassen usw. Dass Achtsamkeit viel mehr und zentraler ist oder sein sollte, weiß ich. Ich würde auch vieles anders machen, bin aber auch nur ein Teil in einem großen Getriebe.
LG, Micha