Autor Thema: Paradoxe Entwicklung  (Gelesen 21755 mal)

Offline Zareen

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Paradoxe Entwicklung
« am: 18.06.2022 23:40 »
Ich zitiere eine unten genannte Webseite mit einem kurzen Text, über dessen wahre Urheberschaft gestritten wird. Der Text erinnert in einigen Passagen an Charlie Chaplins abschließende Rede in dem Film 'Der große Diktator', aber ebenso erinnern mich die Worte an Antonios Rede ab Seite 123 in dem Buch 'Der Klang der Stille' von Sergio Bambaren

Das Paradoxon unserer Zeit

Das Paradoxon unserer Zeit besteht darin, dass wir höhere Gebäude haben, aber ein kürzeres Gemüt; breitere Autobahnen, aber engere Sichtweisen; wir geben mehr aus, haben aber weniger; wir kaufen mehr, genießen es aber weniger.

Wir haben größere Häuser und kleinere Familien; mehr Annehmlichkeiten, aber weniger Zeit; wir haben mehr Abschlüsse, aber weniger Verstand; mehr Wissen, aber weniger Urteilsvermögen; mehr Experten, aber mehr Probleme; mehr Medizin, aber weniger Wellness.

Wir trinken zu viel, rauchen zu viel, geben zu viel Geld aus, lachen zu wenig, fahren zu schnell, werden zu schnell wütend, bleiben zu lange auf, stehen zu müde auf, lesen zu selten, sehen zu viel fern und beten zu selten.

Wir haben unsere Besitztümer vervielfacht, aber unsere Werte reduziert. Wir reden zu viel, lieben zu selten und hassen zu oft. Wir haben gelernt, unseren Lebensunterhalt zu verdienen, aber nicht zu leben; wir haben dem Leben Jahre hinzugefügt, aber nicht das Leben den Jahren.

Wir sind bis zum Mond und zurück gereist, haben aber Schwierigkeiten, die Straße zu überqueren, um den neuen Nachbarn zu treffen. Wir haben den Weltraum erobert, aber nicht den inneren Raum; wir haben größere Dinge getan, aber nicht bessere.

Wir haben die Luft gereinigt, aber die Seele verschmutzt; wir haben das Atom gespalten, aber nicht unsere Vorurteile.

Wir schreiben mehr, lernen aber weniger; wir planen mehr, erreichen aber weniger. Wir haben gelernt, uns zu beeilen, aber nicht zu warten; wir haben ein höheres Einkommen, aber eine niedrigere Moral; wir haben mehr Nahrung, aber weniger Beschwichtigung; wir bauen mehr Computer, um mehr Informationen zu speichern, um mehr Kopien als je zuvor zu produzieren, aber wir haben weniger Kommunikation; wir sind groß in der Quantität, aber klein in der Qualität.

Es ist die Zeit des schnellen Essens und der langsamen Verdauung, der großen Männer und des kleinen Charakters, der hohen Gewinne und der seichten Beziehungen. Es sind die Zeiten des Weltfriedens, aber der Kriege im eigenen Land; mehr Freizeit, aber weniger Spaß; mehr Nahrungsmittel, aber weniger Nährstoffe.

Dies sind die Tage von zwei Einkommen, aber mehr Scheidungen; von schickeren Häusern, aber kaputten Häusern. Es sind die Tage der Kurztrips, der Wegwerfwindeln, der Wegwerfmoral, der One-Night-Stands, der übergewichtigen Körper und der Pillen, die alles bewirken, von aufmunternd über beruhigend bis tödlich.

Es ist eine Zeit, in der es viel im Schaufenster und nichts im Lager gibt; eine Zeit, in der die Technik diesen Brief zu Ihnen gebracht hat, und eine Zeit, in der Sie die Wahl haben, entweder etwas zu verändern oder einfach auf Löschen zu drücken...

vermutlicher Urheber: George Carlin nach dem Tode seiner Frau
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Originalfassung Dr. Bob Moorehead:

Das Paradox unserer Zeit

Wir haben höhere Gebäude, aber ein kürzeres Temperament; breitere Autobahnen, aber einen engeren Blickwinkel; wir geben mehr aus, haben aber weniger; wir kaufen mehr, haben aber weniger Freude daran; wir haben größere Häuser und kleinere Familien; mehr Annehmlichkeiten, aber weniger Zeit; wir haben mehr Abschlüsse, aber weniger Verstand; mehr Wissen, aber weniger Urteilsvermögen; mehr Experten, aber mehr Probleme; wir haben mehr Spielereien, aber weniger Zufriedenheit; mehr Medizin, aber weniger Wohlbefinden; wir nehmen mehr Vitamine, aber sehen weniger Ergebnisse. Wir trinken zu viel; rauchen zu viel; geben zu viel Geld aus; lachen zu wenig; fahren zu schnell; werden zu schnell wütend; bleiben zu lange auf; stehen zu müde auf; lesen zu selten; sehen zu viel fern und beten zu selten.

Wir haben unseren Besitz vervielfacht, aber unsere Werte reduziert; wir fliegen in schnelleren Flugzeugen, um schneller am Ziel zu sein, weniger zu tun und früher zurückzukehren; wir schließen mehr Verträge ab, um weniger Gewinn zu erzielen; wir reden zu viel, lieben zu selten und lügen zu oft. Wir haben gelernt, unseren Lebensunterhalt zu verdienen, aber nicht unser Leben; wir haben dem Leben Jahre hinzugefügt, aber nicht das Leben den Jahren. Wir sind bis zum Mond und zurück gereist, haben aber Schwierigkeiten, die Straße zu überqueren, um den neuen Nachbarn zu treffen. Wir haben den äußeren Raum erobert, aber nicht den inneren; wir haben größere Dinge getan, aber nicht bessere; wir haben die Luft gereinigt, aber die Seele verschmutzt; wir haben das Atom gespalten, aber nicht unsere Vorurteile; wir schreiben mehr, aber lernen weniger; wir planen mehr, aber erreichen weniger; wir bauen schnellere Flugzeuge, aber längere Warteschlangen; wir haben gelernt zu hetzen, aber nicht zu warten; wir haben mehr Waffen, aber weniger Frieden; höhere Einkommen, aber weniger Moral; mehr Partys, aber weniger Spaß; mehr Essen, aber weniger Beschwichtigung; mehr Bekannte, aber weniger Freunde; mehr Anstrengung, aber weniger Erfolg. Wir bauen mehr Computer, um mehr Informationen zu speichern, um mehr Kopien als je zuvor zu erstellen, haben aber weniger Kommunikation; fahren kleinere Autos, die größere Probleme haben; bauen größere Fabriken, die weniger produzieren. Wir haben uns auf Quantität eingestellt, aber nicht auf Qualität.

Es ist die Zeit des schnellen Essens und der langsamen Verdauung, der großen Männer, aber des kleinen Charakters, der hohen Gewinne, aber der seichten Beziehungen. Es sind die Zeiten des Weltfriedens, aber der Kriege im eigenen Land; mehr Freizeit und weniger Spaß; höhere Portokosten, aber langsamere Post; mehr Nahrungsmittel, aber weniger Nährstoffe. Wir leben in Zeiten von zwei Einkommen, aber mehr Scheidungen; wir leben in Zeiten von schickeren Häusern, aber zerrütteten Familien. Es ist die Zeit der Kurztrips, der Wegwerfwindeln, des Cartridge-Lebens, der Wegwerfmoral, der One-Night-Stands, der übergewichtigen Körper und der Pillen, die alles Mögliche bewirken, von aufmunternd über vorbeugend bis hin zu beruhigend oder tödlich. Es ist eine Zeit, in der es viel im Schaufenster und nichts im Lagerraum gibt. In der Tat, das sind die Zeiten!
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mehr über die mögliche Urheberschaft dieses Textes: https://www.snopes.com/fact-check/the-paradox-of-our-time/

Quelle beider Texte: https://www.jodyhatton.com/files/paradox.htm

Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version)

Und nun die spannende Frage: welche Parallelen fallen Euch zum Thema Rockmode/ Rock-tragen ein?
Oder keine und dann ist der Text lediglich eine sinnvolle Parallel"welt" die uns einfach nur erden könnte?
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Offline Zwurg

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Antw:Paradoxe Entwicklung
« Antwort #1 am: 19.06.2022 06:08 »
Ich habe viele Kleidungsstücke im Schrank, aber trage manche zu selten, obwohl ich mir wünschte dies häufiger zu tun. In 20 Jahren Rock tragens in der Öffentlichkeit ist mein Mut nicht gewachsen.
Diese Woche war ich auf Schulung 400km von daheim und meinem Arbeitsplatz entfernt. Am dritten Schulungstag war es warm, und ich hätte gut einen Rock vertragen können, der auch in der Reisetasche war, ich hatte trotzdem nicht den Mut ihn anzuziehen. (Ich muss da noch dreimal hin)
Gestern war ich auf der 50. Geburtstagsfeier von der Frau eines alten Freundes aus Jugendtagen. Viele alte Freunde waren auch da. Ich trug ein Hemd und eine kurze Hose, wie meisten anderen Männer auch. Die Frauen trugen meist bunte Kleider aus dünnen Stoffen.
Sie wissen dass ich Rock trage, von meinem 50. Geburtstag. Während sie sagte: "Ich dachte du kommst heute im Kleid", berichtete mein alter Kumpel, wie entsetzt er war, als er mich im Rock gesehen hat. Er riet mir alle Kleiderstücke deser Art zur Altkleidersammlung zu bringen.
Bei Tisch berichtete jemand über einen anderen männlichen Rockträger, der sich auf einer Betriebsfeier lächerlich gemacht hatte, weil er es gewagt hatte einen Rock zu tragen.

Den größten Mut erfordert es den eigenen Weg zu gehen

Offline Zareen

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Antw:Paradoxe Entwicklung
« Antwort #2 am: 19.06.2022 08:26 »
Lieber Zwurg,

na klar, das ist eine Strategie: weil ich keinen Mut habe, mein Leben zu verändern, will ich nicht als einziger Depp dastehen, entsetze mich über andere und mache die, die den Mut dazu haben, lächerlich - wohlmöglich noch in größerem Kreis, damit ich mir sicher sein kann, daß dort, wo ich auftrete, keine Veränderung statt findet.

Zitat
Bei Tisch berichtete jemand über einen anderen männlichen Rockträger, der sich auf einer Betriebsfeier lächerlich gemacht hatte, weil er es gewagt hatte einen Rock zu tragen.

Na klar muss derjenige das so sehen. Aber real gesehen macht sich niemand im Rock lächerlich, wenn er mit Selbstbewusstsein auftritt. Genau DAS ist wichtig. Lächerlich machen sich die anderen resprktlosen 'Gesellen', die über einen Mann im Rock lachen. Deswegen reißt auch nie jemand alleine 's Maul auf, das tut er nur, wenn er sich des Publikums sicher ist. Arme Wesen!

Dabei merken es diese Menschen gar nicht, daß sie sich mit ihrer Art andere lächerlich zu machen, viel zu wichtig nehmen. Sie sind oft in einem geistigen Gefängnis eingesperrt, daß sie sich meist selbst gewählt haben und finden nun keinen Weg mehr hinaus.

ich war selbst auch mal in so einer Lage, daß ich durch meine religiöse Prägung Männer verurteilte, die Kleidung tragen, die weiblich konnotiert ist. Ein damaliger Freund sagte mal, er käme zu einer Party im Rock und ich meinte, 'ich bringe Dir dann eine Hose mit'. Er kam im Rock, sehr schick, ich hatte die Hose im Auto und er meinte nur 'lass mal stecken, ich komme gut damit klar'.
Seit Kindheit finde ich Röcke und lange Kleider sehr toll und auch für Männer tragbar. Aber lange Zeit verbot es mir die Religion, der ich angehörte, weil sie sich auf das Gesetz Mose beriefen, ein Mann dürfe keine Frauenkleidung tragen und umgekehrt. Daraus erwachsen dann oft sehr paradoxe Regeln und Argumentationen.
Aber das habe ich lange hinter mir.
Heute wären wir auf der gleichen Party wahrscheinlich zu zwait im Rock, nur im andrren Stil. Er eher weiblich, ich eher männlich, bzw. nicht zuordbar im Aussehen.

Im Radio hörte ich neulich folgenden Text 'Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte'
 https://www.lebensberatung.at/download/kunden/00013877.pdf

Mir sagte eine junge Kassiererin mit hübschen blauen Haaren: "Am Ende unseres Lebens bereuen wir nicht die Dinge, die wir getan haben, sondern die Dinge, die wir nicht getan haben".
Daher auch der Deal mit dem Teufel auf dem Sterbebett - nur noch ein Jahr, ein halbes Jahr, einen Monat, eine Woche..... ich will noch einmal....... tun.

LG
Zareen
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Offline Skirtedman

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Antw:Paradoxe Entwicklung
« Antwort #3 am: 19.06.2022 09:26 »
Ja, Zareen, das wollte ich auch so ähnlich sagen.


@Zwurg:

Das tut mir leid, dass Du mit solchen inneren wie äußeren Hürden zu kämpfen hast.

Natürlich ist es unschön, wenn sich Menschen über einen lustig machen, von denen man in irgendeiner Weise abhängig ist, Kollegen in der eigenen Firma zum Beispiel.

Allerdings ist auch die Frage, ob der Rockträger bei der Betriebsfeier sich lächerlich gemacht hat, oder ob die Kollegen sich über ihn lächerlich gemacht haben. Genau genommen ist es ein diskriminierendes Verhalten, das sollte im betrieblichen Umfeld eigentlich professionell ausgeschlossen sein. Genau genommen könnte man sich da auch auf das Allgemeine Gleichstellungsgesetz berufen.

Auch nicht ganz ausgeschlossen ist, dass vielleicht Personaler auf den Mut der fraglichen Person aufmerksam werden und bei der Besetzung einer entscheidenden Stelle genau so jemanden ins Auge fassen, dem ein bisschen Mut zugetraut wird.

Man kann es nicht genau sagen. Es wird aber immer Befürworter und Gegner geben, für alles, egal, was man tut oder was man nicht tut. Als etwas ausgefallenes Beispiel möchte ich Helene Fischer nennen: die einen mögen´s, die anderen nicht.

Dein alter Kumpel hat Recht. Wenn Dir Dein Bedürfnis eine Last ist, solltest Du Deine Kleidungsstücke in die Altkleidersammlung geben. Wenn Dir die Widerstände, die Du erfährst, eine Last sind, dann messe ihnen nicht so viel Bedeutung zu. Denn ich glaube nicht, dass Du Deinen alten Kumpel um Ratschlag gebeten hast. Wenn dieser Kumpel diesen - vielleicht tatsächlich aus reinem Herzen gegebenen - Rat von sich aus erteilte, dann sind solche Hilfestellungen sehr schnell aber auch übergriffig.

Das musst Du in Deinem Herzen selber einschätzen, wieviel Gewicht Du diesen Berichten, diesen Ratschlägen beimisst.


Offline MAS

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Antw:Paradoxe Entwicklung
« Antwort #4 am: 19.06.2022 10:53 »
Lieber Zwurg,

solche Rückmeldungen sind natürlich sehr demotivierend! Aber Zareen und Wolfgang haben m.E. recht: So mancher, der sich auf die Seite von althergebrachten Konventionen stellt, rügt einen Verstoß gegen diese, indem der dem, der gegen sie verstößt, vorwirft, sich lächerlich zu machen. Dabei beachtet er aber nicht, dass dieses Urteilen über einen anderen Menschen selbst eine aktive Tat ist und nicht eine natürliche Reaktion aufgrund eines Naturgesetzes. Und eine aktive Tat hat ein Mensch zu verantworten. Also sollte man diesen Menschen darauf ansprechen und fragen, wie der denn seine Urteil begründet und rechtfertigt.

Es ist natürlich aber auch so, dass man bestimmte Verhaltensweisen, und auch Denk- und Sehgewohnheiten, automatisiert. Und das man sich bei diesen an andern Menschen orientiert, sich mit ihnen parallelisiert. Das passtiert zumeist unbewusst und unabsichtlich. Das ist auch wichtig für das Zusammenhalten von Gemeinschaften. Diese Verhaltensweise selber sollte man niemandem zum Vorwurf machen, aber kann dennoch zur selbstkritischen Reflexion anregen. Meine Erfahrung ist, dass die Menschen - zumindest theoretisch - gerne dazu bereit sind. Das führt dann meistens zu einer Tolerenz gegenüber den Menschen, die man vorher noch als lächerlich verurteilt hat. Das führt noch nicht dazu, es ihnen nachzumachen und z.B. auch einen Rock anzuziehen. Um das zu tun, müssen sie selbst einen ähnlichen Leidensdruck empfinden, den wir mit dem Hosenzwang empfanden und aus dem wie ausbrachen.

Ich trug gestern in Koblenz übrigens abgesehen von der Unterhose nur Kleidung aus der Damenabteilung: Sandalen, Rock und Bluse. Und slebst die Jacke im Rucksack, die ich aber nicht brauchte, war aus der Damenabteilung. Und dennoch hatte ich unter all den vielen Menschen, die mich im Zug, im Bus, in der Stadt und auch in der Verwandtschaft sahen nicht den Eindruck, als nehme irgendjemand davon besonders Kenntnis. Als wir aus dem Haus meiner Tante kamen, klagte mein Cousin darüber, dass seine Hose an den Beinen klebe. Ich riet ihm, doch auch lieber einen Rock zu tragen. Er erzählte von einem Freund, der ihm riet, Bermudashorts zu tragen. Aber ihm scheint beides nicht zu behagen. Aber er respektiert andere in ihrer jeweiligen Kleidungswahl. Nun ja, dann muss er eben mit klebenden Hosenbeinen leben.

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Offline Zareen

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Antw:Paradoxe Entwicklung
« Antwort #5 am: 19.06.2022 16:18 »
Zitat
Aber ihm scheint beides nicht zu behagen. Aber er respektiert andere in ihrer jeweiligen Kleidungswahl. Nun ja, dann muss er eben mit klebenden Hosenbeinen leben.

uuuuuuuhhhh, das war im Sommer für mich immer das Schlimmste: die klebenden Hosenbeine. Und der neidische Blick auf die Locker luftig leichten Röcke und Kleider.
Tja, Du bist nun mal ein Junge, sagte mir dann meine Mama, so als ob das ein verstecktes Ätschibätsch war. Bei mir hat es dann Jahrzehnte gedauert, bis ich über einen öffentlich getragenen Arbeitskilt den Mut zu einröhriger Beinkleidung fand.

ich sag's mal so: Niemand regt sich über Menschen auf, die fast das doppelte ihres Idealgewichtes mit sich umherschleppen, ausgeleierte Jogginghosen dazu tragen, die beim Bücken die Gesäßfalte freilegen, oder das umgekehrte, die so enge Hosen tragen, daß ich mich frage, ob sie Modell für Michelin-Männchen stehen. Oder Jugendliche, deren Zwickel der Jeanshosen fast in den Kniekehlen hängen.

Sollen sie alle machen, wenn sie's schick finden und dieses ihr Selbstvertrauen stärkt.
Andererseits: jedrr der einem anderen vorschreibt, wie er sich zu kleiden hat, scheint große Probleme mit seinem eigenen Selbstbewusstsein / Kleidungsstil zu haben.

Die Entscheidung, 'ich ziehe an, was ich persönlich schick und bequem finde', sollte als Konsequenz die Toleranz anderen Menschen gegenüber haben, ihnen diese Entscheidung ebenso zuzugestehen.  Doch genau das ist der Punkt. Ich sehe mich und meine Entscheidung als den Mittelpunkt der Welt und alle anderen haben sich danach zu richten. wenn jeder so dächte, hätten wir eine Welt voller Krieg.
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Offline cephalus

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Antw:Paradoxe Entwicklung
« Antwort #6 am: 19.06.2022 16:44 »
Hallo Zwurg,
in deinem Text finde ich mich zu 100% wieder.
Röcke tragen wollte ich irgendwie schon immer und sehr vereinzelt getan habe ich es über die vergangenen zwei Jahrzehnte.
Nie souverän, immer mit Zweifeln, Scheu und Unsicherheit, außer an Orten wo es normal ist, als Mann Rock zu tragen.

Aber vor etwa zwei Jahren hat sich die Lage bei mir langsam geändert. Erst vorsichtig und ganz zögerlich und dann mit immer weniger Bedenken.
Ja, es gibt noch ein paar Situationen. Orte und Menschen, bei denen ich noch keine Röcke trage - den genauen Grund dafür kann ich nicht formulieren. Ist es Gewohnheit, Angst vor Ablehnung, von dummen Sprüchen oder einfach die Unsicherheit die man hat, wenn man etwas Neues macht?

Ich stelle mir die Frage, was sich bei mir geändert hat, dass ich jetzt, oft fast unbeschwert, mache, was ich bis vor drei Jahren erträumt hatte.

An erster Stelle ist mir im Inneren wirklich bewusst geworden, dass ich nichts Falsches, Komisches oder was auch immer mache - einfach nur was ich will, ohne andere zu beeinträchtigen.
An zweiter Stelle hat mich die sichere Erkenntnis weiter gebracht, dass mich meine Frau zu 100% unterstützt. Das wäre zwar schon immer so gewesen, bis ich mir im Innersten sicher war, vergingen x Jahre (schade eigentlich ::))
Meine Urangst war irgendwie immer, irgendetwas zu tun, was auf Umwegen vielleicht die Beziehung belasten könnte. Mit dem Wissen, dass es nicht passieren kann, war mir auf einen Schlag auch egal, was die Nachbaren sehen, denken oder erzählen.
In dieser Phase habe ich mich sicher gefühlt, quasi in oder nahe der heimatlichen Festung, und habe die Kreise weiter gezogen. Spaziergänge, Bäcker, Supermarkt Restaurant und anderes in meinem Umfeld; übergenau habe ich die Leute beobachtet wie sie reagieren:
Nichts, nunca, nix, nada.
Selten mal ein längerer Blick, oder ein Blick nach unten. Alle verhalten sich wie immer. Keine Kommentare, keine Bemerkungen, keine Pöbeleien aber auch keine Komplimente.
Erst war es ein schlichter Jeansrock, oder ein Cargorock mit T-Shirt. An einem mutigen Tag wurde es ein Kleid - schlicht gerade, dunkel und einfarbig. Was änderte sich? Außer der erneuten Unsicherheit nichts, zumindest nicht im Bezug auf die Nichtreaktion der Mitmenschen.
Und ein weiterer Faktor war sicher Corona, der viele Abläufe und Gewohnheiten gestört hat, und zu neuen Denken und Handlungen gezwungen hat.

Und ja, ich sitze immer noch in meiner Denkfalle, habe wieder die gleichen Zweifel und Hemmungen, ein für mich neuartiges Kleid zu tragen, neue Orte und Menschen zu besuchen oder ganz besonders alte Bekannte. Oft kneife ich, und jedes Mal wenn ich es wage, stelle ich fest, dass es keinen interessiert wie ich gekleidet bin.
Und sollte tatsächlich mal einer lachen oder einen dummen Kommentar abgeben, könnte ich damit vermutlich umgehen, oder müsste darüber nachdenken, ob das der richtige Umgang für mich ist.

Arbeit habe ich jetzt ausgeklammert - im Rock in die Arbeit kann ich mir derzeit nicht vorstellen, aber Kollegen privat zufällig im Kleid begegnen, das wäre kein Thema für mich. Dass es mal passiert, davon gehe ich aus, und irgendwie fände ich es sogar gut.

Ich denke auch bei dier macht es irgendwann klick - bei mir hat es über 20 Jahren gedauert.

LG
Cephalus

Offline MAS

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Antw:Paradoxe Entwicklung
« Antwort #7 am: 20.06.2022 00:29 »

Die Entscheidung, 'ich ziehe an, was ich persönlich schick und bequem finde', sollte als Konsequenz die Toleranz anderen Menschen gegenüber haben, ihnen diese Entscheidung ebenso zuzugestehen.  Doch genau das ist der Punkt. Ich sehe mich und meine Entscheidung als den Mittelpunkt der Welt und alle anderen haben sich danach zu richten. wenn jeder so dächte, hätten wir eine Welt voller Krieg.

Lieber Zareen,

wenn Du vor dieser Aussage meine Anmerkung über meinen Cousin zitierst, dann muss ich korrigieren: Mein Cousin denkt eben nicht so. Er lässt jedem seine Freiheit, zu tragen, was er will, und entscheidet sich nur für sich selbst für lange Hosen.

LG, Micha
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Offline Zareen

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« Antwort #8 am: 20.06.2022 07:51 »
Lieber Micha,

diese Aussage von mir
Zitat
Die Entscheidung, 'ich ziehe an, was ich persönlich schick und bequem finde', sollte als Konsequenz die Toleranz anderen Menschen gegenüber haben, ihnen diese Entscheidung ebenso zuzugestehen.  Doch genau das ist der Punkt. Ich sehe mich und meine Entscheidung als den Mittelpunkt der Welt und alle anderen haben sich danach zu richten. wenn jeder so dächte, hätten wir eine Welt voller Krieg.
ist völlig unabhängig von der Aussage Deines Cousins. Daß es vielleicht gerade zu seiner Aussage zu passen scheint, ist rein Zufällig und nicht beabsichtigr.

Meine Aussage entwickelte sich aus dem von mir vorher geschriebenen Text. Dabei ging es mir um die Hochrechnung der Einstellung "ich, ich, ich und andere müssen auch wie ich". Sie bezieht sich auf die Menschen, die eben keine Toleranz walten lassen und tun und lassen, was sie wollen, dieses aber anderen nicht zugestehen und sie nach ihrem Geschmack und nach Beliebeb gängeln.

Ich glaube nicht, daß sich irgend jemand hier im Forum davon angesprochen fühlen muss, da wir doch Individualisten³ sind und dieses auch anderen zugestehen.

LG
Zareen
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Offline MAS

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« Antwort #9 am: 20.06.2022 09:10 »
Dann ist ja gut, lieber Zareen. Und ja, so mancher meint, jeder andere müsse so leben wie er und fühlt sich durch andere Lebensweisen bedroht.

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Offline Zareen

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« Antwort #10 am: 20.06.2022 14:59 »
Dann ist ja gut, lieber Zareen.
wie verstehe ich denn nun dieses? und wenn's nicht so wäre, wär's nicht gut?
Zitat
Und ja, so mancher meint, jeder andere müsse so leben wie er und fühlt sich durch andere Lebensweisen bedroht.

LG, Micha
ja, ich fühle mich durch Männer, die Hosen tragen bedroht -LOL-
Aber ganz im Ernst: ist es nicht genau das, was ich geschrieben habe?: ich mach was ich will und andere müssen tun was ich will!, wenn nicht und auch andere machen, was sie wollen, und nicht was ich will, dann gibt's Krieg.
Ich meine, ein solches Verhalten erscheint mir fast schon pathologisch. Und ja, es trifft auf sehr viele Menschen zu, auf sehr viele....
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Offline Skirtedman

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Antw:Paradoxe Entwicklung
« Antwort #11 am: 20.06.2022 16:38 »
Deine wiederholte Ausführung mit "...dann gibt´s Krieg" finde ich jedesmal als etwas hart ausgedrückt.

Falls Du mit "gibt´s Krieg" eher übertreibend meinst im Sinne von "Streit" oder anderen unangenehmen Diskussionen oder Handlungen, dann kann ich das eher noch akzeptieren.

Sicher ist das Verhalten, das Du anprangerst, häufig ein Anlass unschöner Lebensumstände. Kriege, die de facto auch Kriege sind, entstehen auf einer sehr vielfältigeren Weise, denn Kriege werden selten nur aus Machtdemonstration geführt, Kriege werden aus fundamentalen Interessen heraus geleitet. Das ist bei den großen und bekannten Despoten von heute oder innerhalb der letzten 100 Jahre auch so gewesen.

Und ich glaube, dass auch im zwischenmenschlichen Bereich eher selten davon ausgegangen wird, dass das, was man selber macht , man auch von den anderen erwartet, dass sie es genauso machen.

Im Endeffekt sieht es zwar genauso aus. Der Anlass ist - glaube ich - ein anderer. Nämlich das Unwissen, dass das, was man gewohnt ist zu machen, nicht unbedingt die selbe Gewohnheit der anderen ist, das genauso zu machen, zu fühlen, zu denken, zu handeln.

Ich glaube, das, was Du ansprichst, Zareen, ist eher der weitverbreitete Irrglaube, dass das, was für mich 'normal' ist, auch für die ganze andere Mitwelt 'normal' zu sein hat.

Ich glaube, es gehört eine Portion Mut und Lebenserfahrung dazu, zu lernen, dass die eigene Normalität nicht zwangsläufig die Normalität der anderen sein muss. Und dass meine Normalität mitunter für andere Menschen auch befremdlich sein kann, weil eben für diese nicht normal. Die Lebensweisheit sollte das Herzen allmählich öffnen lassen, auch andere Normalitäten zu akzeptieren. Aber ja, manche lernen das nie. Und dann gibt´s Krieg Streit, Missgunst, Feindseligkeiten.

Offline Zareen

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« Antwort #12 am: 20.06.2022 17:56 »
Deine wiederholte Ausführung mit "...dann gibt´s Krieg" finde ich jedesmal als etwas hart ausgedrückt.

Falls Du mit "gibt´s Krieg" eher übertreibend meinst im Sinne von "Streit" oder anderen unangenehmen Diskussionen oder Handlungen, dann kann ich das eher noch akzeptieren.

Ich habe nur meine allererste Aussage wiederholt, um den Zusammenhang herzustellen. Damit meinte ich das Wort auch genauso, denn für mich bedeutet es unversöhnliches Aufeinandergedresche, ohne sich über die damit erreichten Ziele, oder Nicht-Ziele Gedanken im weiteren Sinn zu machen. Sich streiten bedeutet für mich, manchmal auch sehr kontrovers, Standpunkte auszutauschen und bis zu einem gewissen Grade auch darauf zu beharren, ohne Kollateralschäden zu erzeugen um dann zu einem Konsens zu kommen.

Zitat
Sicher ist das Verhalten, das Du anprangerst, häufig ein Anlass unschöner Lebensumstände. Kriege, die de facto auch Kriege sind, entstehen auf einer sehr vielfältigeren Weise, denn Kriege werden selten nur aus Machtdemonstration geführt, Kriege werden aus fundamentalen Interessen heraus geleitet. Das ist bei den großen und bekannten Despoten von heute oder innerhalb der letzten 100 Jahre auch so gewesen.

Hmmmm..... dann nenne bitte mal "fundamentale Interessen".
Macht auszuüben hat nichts mit Herrschen, im Sinn von zentraler Fürsorge für ein Volk zu tun. Macht ausüben zu wollen entspringt immer Ängsten. Aber das ist ein anderes Thema.
Zitat
Und ich glaube, dass auch im zwischenmenschlichen Bereich eher selten davon ausgegangen wird, dass das, was man selber macht , man auch von den anderen erwartet, dass sie es genauso machen.

Im Endeffekt sieht es zwar genauso aus. Der Anlass ist - glaube ich - ein anderer. Nämlich das Unwissen, dass das, was man gewohnt ist zu machen, nicht unbedingt die selbe Gewohnheit der anderen ist, das genauso zu machen, zu fühlen, zu denken, zu handeln.

Ich glaube, das, was Du ansprichst, Zareen, ist eher der weitverbreitete Irrglaube, dass das, was für mich 'normal' ist, auch für die ganze andere Mitwelt 'normal' zu sein hat.
Ja, dem kan ich zustimmen, aber auch hier schwingt schon Angst mit. Menschen ohne Angst werden sich immer souverän und respekt- und liebevoll anderen Menschen gegenüber verhalten, weil es die fehlende Angst entbehrlich macht, durch das Sich-über-andere-stellen, den anderen in den eigenen Augen klein zu machen.

Zitat
Ich glaube, es gehört eine Portion Mut und Lebenserfahrung dazu, zu lernen, dass die eigene Normalität nicht zwangsläufig die Normalität der anderen sein muss. Und dass meine Normalität mitunter für andere Menschen auch befremdlich sein kann, weil eben für diese nicht normal. Die Lebensweisheit sollte das Herzen allmählich öffnen lassen, auch andere Normalitäten zu akzeptieren. Aber ja, manche lernen das nie. Und dann gibt´s Krieg Streit, Missgunst, Feindseligkeiten.

Ich glaube, daß eben dieses 'Rückwärts-denken' für die meisten schwer ist. Meistens ist doch der Gedanke, daß ich durch 'etwas tun' vorwärts komme. Aber manchmal geht's auch schneller voran, etwas nicht-zu-tun.
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Antw:Paradoxe Entwicklung
« Antwort #13 am: 20.06.2022 20:34 »
ich war selbst auch mal in so einer Lage, daß ich durch meine religiöse Prägung Männer verurteilte, die Kleidung tragen, die weiblich konnotiert ist.
HA! Da haben wirs doch. Früher selber andere beleidigt und verurteilt und jetzt hier ins Forum kommen und rumheulen, dass man selber von anderen verurteilt wird weil man plötzlich selber Röcke tragen will. Genau das, meine ich die ganze Zeit.

Offline MAS

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Antw:Paradoxe Entwicklung
« Antwort #14 am: 21.06.2022 00:26 »
Dann ist ja gut, lieber Zareen.
wie verstehe ich denn nun dieses? und wenn's nicht so wäre, wär's nicht gut?
Zitat
Und ja, so mancher meint, jeder andere müsse so leben wie er und fühlt sich durch andere Lebensweisen bedroht.

LG, Micha
ja, ich fühle mich durch Männer, die Hosen tragen bedroht -LOL-
Aber ganz im Ernst: ist es nicht genau das, was ich geschrieben habe?: ich mach was ich will und andere müssen tun was ich will!, wenn nicht und auch andere machen, was sie wollen, und nicht was ich will, dann gibt's Krieg.
Ich meine, ein solches Verhalten erscheint mir fast schon pathologisch. Und ja, es trifft auf sehr viele Menschen zu, auf sehr viele....

Lieber Zereen,

mit "dann ist ja gut" meine ich, es ist gut, dass Du meinem Cousin keine Intoleranz unterstellst. Und nein, wäre es anders, wäre es nicht gut.

Ja, in Bezug auf die Existenz von Menschen, die sich nur in einer Gesellschaft sicher fühlen, in der sich alle gleich verhalten, sind wir einer Meinung. Ob das pathologisch ist, weiß ich nicht. Immerhin hat sich diese Erwartungshaltung seit Hunderttausenden von Jahren bewährt. Nur für uns Individualisten ist es eine suboptimale Eigenschaft.

LG, Micha
Wer das Leben ernst nimmt, muss auch über sich lachen können.

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