Danke, Holger, für die Einladung zu einer tiefer gehenden Diskussion.
Ich denke, das ist heute und war damals zu Beginn von Mary Quants Minröcken so eine Mischung aus "sexy sein" und "frech / unangepasst sein".
Da Du den Part "Sexyness" ansprichst:
Ich denke, dass etwas wie z.B. ein Minirock im Alltag "sexy" ist, hat im Besonderen was mit dem Zeitgeist zu tun.
In der Antike konnten z.B. Frauen durchaus auch verführerisch sein, wobei da vielleicht ein anderer Mix von Reizen damals wirksam gewesen sein dürfte. In der Antike war ja auch etliches weniger verpönt als heute. Ehebruch war weithin den meisten erlaubt, geduldet, nur bestimmt definierte Minderheiten waren bis hin zum Tode bedroht bei aktivem Ehebruch. "Unzucht mit Minderjährigen" - was heute kaum jemand wieder haben will -, homoerotische Handlungen ohne zwingende Verbindung zu Homosexualität und zudem bacchantische wollüstige Gelage etc. waren zumindest in bestimmten Kreisen keineswegs tabu. Auch waren sexuelle Handlungen deutlich weniger ins intime Private zurückgedrängt, sondern eine gewisse Freizügigkeit war auch vor den Augen anderer durchaus vorstellbar.
Heute ist das alles - und mehr - mit Tabus belegt, zwar trifft hierzulande kaum jemanden heute noch die Todesstrafe (jedenfalls nicht per Gesetz), dennoch ist in unserer Zeit das moralische Verbot deutlich weiter verbreitet als in antiker Zeit. Deshalb funktioniert ja "sexy" recht effektiv. Die Römer hätten vieles nicht so schnell sexy gefunden - kann ich mir gut vorstellen.
Warum ist unsere Zeit - zugespitzt ausgedrückt - so frivol? Das hat was mit dem neulich hier im Forum schon angesprochenen Überwinden des Adels zu tun. Das Verneinen von ausgelebtem Prunk, der auf Kosten von Ausbeutung und Gehorsamkeit der Bevölkerung zelebriert wurde. Die Bürger verfielen zunehmend den klaren Linien, die nicht zuletzt von militärischen Uniformen abgeguckt waren, jedenfalls beim Mann: Der Mann verfiel dem Anzug (könnte man sagen). Die Frau verfiel den Vorstellungen des biederen Bürgertums, möglichst züchtig sich zu bedecken. Das Bürgertum strebte vor allem den puristischen evangelischen Auffassungen nach, wonach jede Leibesfreude (z.B. auch Karneval) abgelehnt wurde.
Das brachte den Frauen um 1900 den bedingungslos bodenlangen Rock ein, steife Stoffe, mehrere Unterröcke, am besten alles nicht zu weit.
Aber nicht nur das Ablehnen des Adels läutete den Purismus ein. Da wirkten auch noch andere Mächte mit, vor allem die christlichen Botschaften, die auch schon ohne die Evangelen und Protestanten bereits Verzicht auf Leibliches predigten.
Was als "sexy" heute empfunden wird, kann also auf keiner Weise mit der "Sexyness" der Antike verglichen werden. "Sexy" funktionierte in der Antike anders. Weniger rein über die Kleidung. Dessen bin ich mir sicher.