Es ist schon lustig zu sehen, was sich alles angesammelt hat, nachdem ich eine provokante These eingestellt habe und dann eine gute Woche keine Zeit fürs Forum hatte. Es gibt so viel Material, meine These zu erläutern, daß ich nicht alles auf einmal aufgreifen kann.
Meine These lautet kurz gefasst: Männer werden in ihrer Menschlichkeit nicht wertgeschätzt, und zur Erhaltung von Anerkennung auf einen beschränkten Machtbegriff verwiesen. Daher trauen sie sich nicht die Annehmlichkeiten eines Rocks für sich zu beanspruchen, und ordnen sich dem Leitbild dieser Macht, das Männlichkeit genannt wird, unter, und dieses ist mit der Hose assoziiert. Diese Unterordnung geht so weit, daß ihnen unvorstellbar ist, daß es Frauen, besser geht, auch bezüglich der Kleidungsmöglichkeiten.
Was bekomme ich als Widerspruch zur Geringschätzung des Manne an sich? Den Hinweis auf Erwerbstätigkeitseinkommen und auf betriebliche Hierarchien! Das ist doch genau das Leitbild der Macht, das statt des Werts aus der eigenen Menschlichkeit angestrebt wird. Geld ist nämlich insofern Macht, als man durch Ausgeben Menschen zu etwas bewegen kann, was sie sonst nicht täten. Und, nebenbei bemerkt, wird nicht beachtet, daß das Geld nicht beim Erwerben, sondern beim Ausgeben nützt, und das Geld nicht immer von dem ausgegeben wird, auf dessen Gehaltszettel es notiert ist.
Der Hinweis auf die statistisch erfaßbaren Folgen der Geringachtung der Menschlichkeit von Männern, nämlich Selbstmordrate und Unfallsterblichkeit, werden in einer Weise abgehandelt, die ich als verächtlich empfinde:
Die hohe Selbstmordrate hat Dich ja scheinbar noch nicht dazu bewogen, Deinem männlichen Leben ein Ende zu setzen und bei einem Haushaltsunfall bist Du wohl auch noch nicht tödlich verunglückt. Die Schulzeit hast Du (tippe ich mal) schon vor einigen Jahrzehnten überstanden und Röcke trägst Du auch. Wo ist also Dein Problem?
Die Probleme, die zu diesem Sterben führen, werden einfach ignoriert. Dem dritten im Zitat erwähnten Punkt (Rock) steht das Beispiel der Behandlung einer kurzhaarigen Frau gegenüber:
Zum eigentlichen Thema: Wer gegen den Strom schwimmt, hat es eben immer etwas schwerer. Es gibt etliche andere Beispiele, nicht nur rocktragende Männer. Hier http://www.spiegel.de/stil/kurzhaarige-frauen-leben-mit-stereotypen-und-vorurteilen-a-1025123.html z.B. Frauen mit Kurzhaarfrisur, die dann gern als lesbisch eingeschätzt werden.
Da wird in der Presse abgehandelt, wie schlimm es doch sei, daß dieser Frau einige Behandlungen, wie Türaufhalten, nicht mehr in dem Maße zuteil werden, als sie noch eine Haarlänge, wie sie Männer meistens nicht haben, hatte. Da soll man mitfühlen, ohne zu beachten , daß es Männern unabhängig von der Haarlänge nicht besser geht. Der Unterschied in der Behandlung der Themen Todesursachen und Kurzhaarfrisur ist ein Beispiel für die Geringschätzung des Mannes als Mensch.
Etwas subtiler zeigt sie sich in der Behandlung, wie mit der Frage, wer an den Problemen der Männer schuld ist, umgegangen wird. Auf die Schuldfrage bin ich zunächst nicht groß eingegangen, auch wenn ich Hinweise, wie Frauen da mitwirken, gegeben habe. Es wird nun eine Binärperspektive, entweder sind die Männer oder die Frauen schuld, vorausgesetzt, mit dem Ziel, die Schuld allein auf die Männer zu schieben. Die moralische Minderwertigkeit des Mannes ist das männerverachtende Axiom, das genutzt wird. Durch die Binärperspektive wird der Hinweis auf das Mitwirken der Frauen zum Freispruch für Männer gedeutet, was moralisch unzulässig ist, und dieser Freispruch wäre auch widerlegbar. Es wirken nämlich Menschen beiderlei Geschlechts, wenn auch auf unterschiedliche Weise, mit, und es gibt Menschen beiderlei Geschlechts, die nicht mitwirken. Mit diese Widerlegbarkeit der Unschuld der Männer und der Binärperspektive soll aber das Bild der besseren, weil unschuldigen Frau aufgebaut werden.
Soviel für heute. Bis ich das niedergeschrieben habe, ist ja noch einiges dazugekommen,. Vielleicht berücksichtige ich das in einer späteren Antwort.
Gruß,
Jo
Um Jo's Ausführungen besser zu verstehen, dient vielleicht dem einem oder anderen dieser Artikel
http://folio.nzz.ch/2005/august/mannlichkeit-ist-hoch-riskant?share=883vqHll4bG6sqBsxHyIRu9S3_cwIydrup3b9ck3vDk.Ich ziehe mal ein paar Punkte heraus, die Jo erwähnte.
"Die Werbung ist ein wichtiger
Indikator für die Abwertung von Männlichkeit. Es gibt kaum noch prägnante Typen, die zur Identifikation taugen. Überhaupt gilt im Grundsatz: der Mann ist Täter, die Frau Opfer. "
"Georg Simmel hat die Geschlechter bereits im 1 9. Jahrhundert unter die Lupe genommen und kam zu dem Schluss: Weiblichkeit
ist Sein, Männlichkeit
ist Tun."
"Selbstbild und Fremdbild von Mann und Frau sind Grundbausteine der Gesellschaft;"
"Das klingt, als sei Männlichkeit stärker Kulturprodukt als Weiblichkeit?
Ich glaube schon. Ein Beispiel, auf die Frage: «Was machst du denn so?» kann die Frau antworten: «Ich bin Mutter.»
Antwortete ein Mann schlicht: «Ich bin Vater», käme wie aus der Pistole geschossen die Nachfrage:
«Und sonst?» Frauen können sich mehr über ihre
Fruchtbarkeit definieren. Das ist gesellschaftlich akzeptiert. "
Das meinte ich an anderer Stelle, als Berliner Kerl meinte, er sei froh, keine Kinder gebären zu müssen.
Den Nachteil und die Folgen ist er bewusst oder unbewusst übergangen.
Und auch das, was Jo zu der Männerrolle bereits sagte, wenn Männer nur Hausmänner sind, wird das nicht geschätzt.
"Die gängige Theorie ist heute die, dass der Aufbau
männlicher Herrschaft begonnen hat, als die Menschen in der Lage waren, mehr zu erwirtschaften, als sie zum täglichen Überleben brauchten:"
"Das klingt nach Marxismus. Hat der Mann als der körperlich Überlegene sich nicht von Beginn an einfach nehmen können, was er begehrte – also auch die Frau?
Das muss sich nicht widersprechen. Man geht davon aus, dass der Mann aus einem Gefühl
biologischer Zweitrangigkeit heraus angefangen hat, die Welt der Kultur zu erschaffen, gewissermassen als
Kompensation. Er erfand Werkzeuge, baute Behausungen, zog Zäune um Acker und Herden, formulierte Gesetze und gründete Herrschaft. Die Geschichte der Männlichkeit ist auch die Geschichte der
Angst des Mannes vor der Frau. "
Letzte These von mir bei runningskirt, dass Männer sich nicht gleichwürdig mit Frauen fühlen. Daraus enststeht erst Frauen- und Transfeindlichkeit und warum Frauen in Männerkleidung bei Männern keine Ablehnung widerfährt.
"Männer werden von Frauen auf die Welt gebracht,
es sind Frauen, die ihnen Urvertrauen, Körperlichkeit, Zärtlichkeit vermitteln. Aus diesem paradiesischen Zustand werden die Jungen allerdings irgendwann ziemlich
abrupt verjagt, wenn es ansteht, ein
Mann zu werden. "
Hat Jo schon mehrmals erwähnt und ich wage das auch zu beobachten. Man muss sich nur mal angucken, wer so zusammen kommt, oder wer als Idealpartner gesehen wird.
"Der Junge verkörpert das andere Geschlecht,
die Mutter vollzieht die Ablösung radikaler als bei Mädchen."
Darum werden an Jungen keine Röcke geduldet.
"Es ist eine Verletzung, die Männer gegenüber Frauen zeitlebens misstrauisch sein lässt. Hier liegt auch das Geheimnis, warum Männer mit Hingabe grosse Schwierigkeiten haben. "
"Resultiert aus dieser Verletzung die Bereitschaft zur Gewalt gegen Frauen?
Nicht selten reagieren Männer
mit Wut und Aggression auf das Prinzip des Weiblichen. "
-> Meine These, die ich zu beobachten und zu spüren vermag, sobald man nicht mehr den Männern zugehörig scheint.
"Die Loslösung von der Mutter ist ihnen nur gelungen, indem sie auch in sich sämtliche von der Gesellschaft als
weiblich etikettierten Eigenschaften abgespalten haben."
"Fortan stand die
Frau für Gefühl, Schönheit, Schwäche, Unterordnung, Natur, Anlehnungsbedürfnis, Anpassung, Fürsorge"
"
Der Verlust von Arbeit bedeutet für den Mann den
Verlust von Männlichkeit. Er gerät in eine Existenzkrise, während die
Frau noch über andere Quellen verfügt, die ihr
Selbstwertgefühl nähren, zum Beispiel ihre sozialen Funktionen. "
"
In welcher Lebensphase beginnt die eindimensionale Ausrichtung?
Wie skizziert, hat die
Mutter das Monopol auf die Erziehung, denn
der Vater ist abwesend. [..] Seine Vorstellung davon speist sich aus dem, was die Mutter über den Vater erzählt. So entsteht ein Bild, das nicht realistisch ist, sondern entweder idealisierend oder diskriminierend. Der Junge
entwickelt eine
brüchige Vorstellung von Männlichkeit. Es fehlt ihm an innerer Souveränität, was er durch äussere Kriterien wie
Leistung,
Erfolg, Fortschritt zu
kompensieren versucht. "
"Aber gibt es tatsächlich noch Eltern, die Sprüche von sich geben wie «Ein Indianer kennt keinen Schmerz»?
Und ob. Aber es läuft oft viel subtiler. Es gibt eine amerikanische Untersuchung, bei der Väter gefilmt wurden, als ihnen zum ersten Mal ihr Neugeborenes gezeigt wurde.
Mit Mädchen sind sie so behutsam umgegangen, als hielten sie eine Vase aus der Mingdynastie im Arm, während sie
die Jungen auf den Po klopften oder in die
Luft warfen. Und das Frappierende: Selbst dann, wenn die Säuglingsschwester den Vätern jeweils das
falsche Geschlecht ansagte, verhielten sie sich entsprechend dieser Information, obwohl die Säuglinge nackt waren und die Väter nicht blind."
"Wie lässt sich daran rütteln?
Die
Eindimensionalität muss
aufgebrochen werden. Die Frauen sind uns da voraus. Sie haben ihr auf Haus und Kinder
reduziertes Rollenprofil bereits geknackt. Dank Feminismus und Frauenbewegung. "
"Der Stahlkocher der Schwerindustrie taugt heute nicht mehr als Idealbild. Wir brauchen neue Bilder! Solche, die Männer in sozialen Berufen oder «zu Hause»
positiv darstellen statt immer nur in dunklen Anzügen."
"«Ein Haus bauen, einen Sohn zeugen, einen Baum pflanzen» – das waren einst die Lebensziele der Männer. Welche sind es heute?
Erfolg, Besitz, Status. Das sind die Ziele, die sie nennen, weit vor Beziehung und Familie. Und dann muss man feststellen, dass ebendiese Männer, die sich primär um Besitz und Status gekümmert haben,
zerbrechen,
wenn ihre Beziehung scheitert. Manche geraten angesichts des Verlusts in Panik und laufen Amok."
"Genau, Scheitern gehört zunehmend zum Alltag. Deswegen ist Männlichkeit in ihrer Eindimensionalität auch eine hochriskante Lebensform.
Während die Frauen sich mittlerweile die Wahl zwischen verschiedenen Lebensformen erkämpft haben. ""Wenn die Männer zunehmend das Gefühl haben, ihre Interessen würden in der Gesellschaft nicht wahrgenommen, drohen Zeugungsverweigerung und Impotenz. Tiefenpsychologisch gesehen ist Impotenz die Rache des Mannes an der Frau. Auch wird es weiterhin kindische Kompensationshandlungen geben wie die diverser Manager, die immer höhere Boni fordern müssen, um sich gegenseitig überhaupt ernst nehmen zu können.
Am anderen Ende der Skala droht eine Proletarisierung und Kriminalisierung der Männer. "
"Sinnvoll wäre zum Beispiel ein Männergesundheitsbericht – so wie es auch einen Frauengesundheitsbericht gibt. Nur so ist Geschlechterdemokratie möglich. "
"Was genau verstehen Sie daunter?
Der Hausmann soll genauso akzeptiert sein wie die Vorstandsvorsitzende, der Kindergärtner wie die Lastwagenfahrerin, die Hausfrau wie die Ärztin."
"
Frauen sind im Moment besser gerüstet für unsere Welt. Flexibilität, Kooperation, die Fähigkeit zu Teamarbeit und Empathie sowie auch Manipulation – all das sind Eigenschaften, die Frauen eher haben. Aber es ist nicht so, dass den Männern biologische Grenzen gesetzt sind. Uns fällt kein Zacken aus der Krone, wenn wir lernen, besser zuzuhören, statt uns selbst darzustellen. Im Gegenteil: Das kann durchaus männlich sein. Macht ist zwar nach wie vor primär männlich besetzt,
aber der Zeitgeist ist heute fast ausschliesslich weiblich. "
"Dennoch gestalten die traditionellen Machtmänner in Politik und Wirtschaft massgeblich unsere Welt.
Auch sie sind verunsichert, aber aufgrund ihrer Privilegien können sie sich bis zu einem gewissen Mass abschotten."
"Wie funktionieren diese männerbündlerischen Systeme?
Das sind Männerschutzzonen, in denen durchaus auch die
Angst vor dem anderen Geschlecht eine Rolle spielt."
"weifellos aber finden Frauen mächtige Männer attraktiv.
Auch sie sind dem
traditionellen Männerbild verhaftet, selbst wenn sie
Emanzipation fordern. Die Biologie spielt mit herein: Bei der
Partnerwahl schauen Frauen wohl tatsächlich auf die soziale Potenz, also auf
Macht und
Leistung, während
Männer mehr auf
Schönheit achten."
-> "Ein Mann, der bereitwillig das Machtkorsett ablegt, riskiert also, dass seine Frau mit dem nächstbesten Alphamännchen durchbrennt."
"Zunächst müssen wir uns die Krise überhaupt eingestehen. Spüren, wie eng und vergewaltigend dieses Korsett ist, in dem wir stecken. Dann kapieren wir auch, welche Chance es ist, es abzulegen."
"Gibt es noch etwas,
was Männer besser können als Frauen?
Was
Sensationelles fällt mir
nicht ein. [..]. Andere Vorzüge gehen ins Fragwürdige: Talent zur Selbstdarstellung und zu schnelleren Entschlüssen.
Kommt Ihnen noch etwas in den Sinn? "
Ich hoffe, dass Jos Gedanken verständlicher geworden sind.