Ich habe hier bereits über meine Eltern gesprochen und es gab kürzlich ein interessantes Gespräch mit meiner Mutter beim diesjährigen Osteressen. Der Hintergrund ist, dass wir demnächst, aufgrund eines Ostergeschenks, einen Gutschein in einem Restaurant einlösen werden. Ich kenne das Restaurant aus Erzählungen, das etwas gehobener und nobler ist als der Durchschnitt, aber nicht in Richtung "Schickimicki" geht. Meine Eltern kennen es nicht, weil sie nie dort waren und ich wollte sie darauf hinweisen. Zu meiner Mutter sagte ich:
Y: "Das ist ein etwas gehobeneres Restaurant. Ihr solltet euch etwas besser anziehen als in normaler Alltagskleidung."
M: "Was soll das heißen?"
Y: "Ja, nicht so alltäglich wie sonst."
M (leicht wütend): "Ich bin doch immer gut angezogen!"
Y: "Darum geht es doch nicht. Da sollte man halt nicht im Schlabbershirt und einfacher Hose auftauchen."
M (wird lauter): "Bin ich heute etwa nicht gut angezogen? Ich bin immer gut gekleidet." (Sie trug eine Jeans und ein weißes Sweatshirt. In meinen Augen ein alltägliches Outfit, das für Ostern doch sehr schlicht war. Ein solches würde ich als "unpassend" für den anstehenden Restaurantbesuch empfinden.)
Y: "Man muss da jetzt nicht im Anzug oder Abendkleid auftauchen, damit wäre man overdressed. Es reicht ein Hemd oder Bluse mit guter Jeans."
M (sauer): "Ich will aber kein Kleid tragen!" (Wie ich schon mal erwähnte, hasst sie Röcke und Kleider seit eh und je. Wenn sie mal ein Kleid zu Hochzeiten oder Beerdigungen trug, empfand sie das als Zwang und hat den ganzen Tag darüber gemeckert.)
Y: "Das hat doch niemand gesagt. Du musst kein Kleid anziehen."
M: "Ich habe sogar Kleider. Ich besitze sowas." (Sie klang wie ein Kind, das etwas "beweisen" möchte. Wahrscheinlich nahm sie an, dass ich es ihr nicht glaube, weil ich sie in meinem Leben höchstens fünf Mal im Rock oder Kleid gesehen habe.)
Y: "Wie gesagt, wenn du willst, kannst du es anziehen, aber es ist nicht nötig."
M: "Was soll man denn dann anziehen? Was ziehst du denn an?"
Y: "Ich denke, ein weißes Hemd oder eines meiner Holzfällerhemden, die sehen nicht so 0815 aus."
M: "Aber dazu trägst du auch eine Jeans, oder?"
Y: "Ja, vielleicht meine schwarze Jeans, denn die wirkt etwas besser als meine Alltagsjeans." (Ich habe ja noch die Challenge, dass mein Outfit "männlich" wirken soll, damit meine Mutter nicht wieder meckert, es sähe "schwul" aus. Röcke fallen sowieso per se schon weg, aber auch farbige Hosen oder welche mit kariertem Schottenmuster können bereits queere Assoziationen bei ihr hervorrufen. Ich muss dann halt achten, dass es besonders "männlich" und schlicht ist, aber nicht so bieder und spießig. Schließlich will ich mich auch nicht verkleidet oder unwohl fühlen.)
M (wütend): "Wieso darfst du eine Jeans tragen und ich nicht?! Frauen können doch auch eine Jeans tragen!"
Y (mittlerweile genervt): "Hör mir doch mal richtig zu. Du kannst auch eine Jeans tragen. Es sollte halt nicht die Alltagskleidung sein, die ihr tagsüber zur Gartenarbeit angezogen habt."
M (immer noch wütend): Wieso dürfen Männer Hosen tragen und wir Frauen nicht?! Wieso sollen wir bei sowas Kleider tragen?! Das ist doch unfair! Ein Mann und eine Frau sollten doch die gleichen Rechte haben! Das ist doch nicht mehr so wie früher zu meiner Zeit!"
Y: "Wie gesagt, eine Bluse mit guter Jeans reicht. Du brauchst kein Kleid."
Danach brach ich das Gespräch ab, weil ich den Teufelskreis dieser Argumentationskette kenne und darauf keine Lust hatte. Interessant fand ich, dass sie es so sehr auf Kleider bezog. Ihre tiefe Abneigung, die sie seit Kindesalter gegen Röcke und Kleider hegt, offenbarte sich hier. Sie hatte wohl Sorgen, dass sie das tragen muss. Dann hätte sie schnell die Lust verloren und man könnte sich den ganzen Abend das Gemecker anhören, wie schrecklich es ist, dass sie jetzt gezwungenermaßen ein Kleid trägt. Ich kenne diesen seltenen Fall aus der Vergangenheit.
Vor allem ihr Pochen auf die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau blieb mir in den letzten Wochen im Gedächtnis. Sie empfindet es also als "unfair", wenn eine Frau zu bestimmten Anlässen keine Hose tragen darf und sie das gleiche "Hosenrecht" wie jeder Mann haben sollte. Es ist diese Doppelmoral, die darin liegt, denn ich könnte genau das gleiche sagen, warum ich als Mann ein Recht habe, einen Rock zu tragen. Mir lag es natürlich auf der Zunge, darüber zu sprechen, aber um mir unnötige Diskussionen zu ersparen, behielt ich es auf derselbigen.