Hallo Gregor,
Hallo Joe,
ich denke, der Sarong ist ziemlich unbekannt, und passt mit einem nordeuropäischen Klima nicht besonders gut zusammen.
Als ich noch fest in Hosenhand war

, fand ich jemandem im Kilt tatsächlich viel überraschender als jemanden im Sarong. Das lag aber daran, dass ich den Sarong schon öfter an Männern gesehen hatte, wenn auch immer nur an fremdländischen und die sahen eben nicht so aus wie wir. Der Kilt wurde aber von jemandem getragen, der so aussah, wie ich und da fand ich es dann doch sehr viel erstaunlicher, dass damit jemand bei uns herumläuft.
Es gibt Schotten und Nachkömmlinge von Schotten, für die der Kilt etwas Besonderes bedeutet, aber wenn ich von einem Mann höre, dass er lange Zeit verschwendet hat, um herauszufinden, dass es tatsächlich sieben oder acht Generationen zurück einen Schotten in seiner Familie gegeben hat, und dass er deshalb jeden Tag einen Kilt tragen möchte, dann ist es meiner Meinung nach eine schlechte Entschuldigung.
Vermutlich weniger eine Entschuldigung, aber eine Möglichkeit, es vor sich selbst zu rechtfertigen. Das machen wir doch alle am Anfang: Wir suchen irgendetwas, um das Anderssein erst einmal vor uns selbst und dann vor anderen zu rechtfertigen. Bis wir merken, dass wir diese Rechtfertigung gar nicht brauchen, weil "Es gefällt mir" völlig ausreicht.

Wenn ein Mann ohne schottische Ahnen einen Kilt trägt, ist es nicht, weil er gerne Schotte sein möchte, oder eine Tradition pflegen. Er trägt ihn, weil der Kilt der (einzige) Rock ist, der generell akzeptiert ist. Das wiederum, vermutlich, weil er nicht (so) weiblich empfunden wird wie andere Röcke.
Genau das ist der Punkt: Die vermeintliche Akzeptanz des Kilts für den Mann rechtfertigt das Tragen des Kilts. Aber der Kilt ist als traditionell schottisches Gewand bei uns letztendlich doch genausowenig üblich und akzeptiert wie ein Damenrock. In beiden Fällen setzt man sich von der Masse ab, in beiden Fällen ist man anders, in beiden Fällen fällt man auf. Der Unterschied liegt nur in dem, was die anderen denken könnten. Und weil der Kilt männerkompatibel ist, steuert es die Gedanken hin zu "Oh, ist das ein Schotte?" und weg von "Oh, ein Mann im Rock, ist der schwul?". Dahinter steckt immer die gleiche Angst, seinen Status zu verlieren, weil man Dinge anzieht, die mit Schwäche assoziiert werden. Der Kilt liefert das Bild des kämpfenden Schotten, der Rock das eines Mannes, der sich im Kaufhaus verirrt hat.

Ich bin so einer. Ich habe keinen Wunsch, weiblich zu erscheinen. Aber ein Kilt ist super bequem und sieht meiner Meinung nach gut aus.
Mich halten vor allem praktische Gründe vom Tragen eines Kilts ab: Zum einen ist er vergleichsweise schwer, zum anderen sitze ich mir immer die Falten schief und krumm. Und bequemer als ein normaler Rock mit Gummizug ist er ganz bestimmt nicht. Es gibt nichts bequemeres.

Ich habe auch keinen Wunsch, weiblich zu erscheinen - ich habe aber den Wunsch, das anzuziehen, was mir gefällt. Wenn ich damit weiblicher erscheine, warum sollte mich das stören?
Andere Röcke können auch super bequem sein – und ich trage auch solche – aber mit dem Kilt geht alles total problemlos vor sich. Ich kann ihn jedem erklären. Weil sollte ich dann nicht dem Kilt den Vorrang geben?
Jeder sollte der Kleidung den Vorrang geben, in der er sich wohlfühlt, keine Frage.

Wenn das der Kilt ist, warum nicht? Ich frage mich nur gerade, was du mit "Ich kann ihn jedem erklären" meinst? Fragen dich die Leute, wie er funktioniert? Oder meinst du die Frage, warum du ihn trägst?