Irgendwann nach ein paar Minuten schon setzt ein Vergessen ein, ich bin mir nicht mehr bewusst darüber, ob ich Rock oder Hose trage. Nur in ganz speziellen Situationen fällt mir dann wieder auf, dass ich Rock trage. Beispiele: Wenn mich jemand dermaßen ins Visier nimmt, dass es selbst mir nicht mehr entgeht, setzt bei mir die Überlegung ein, dass es am Rock liegen könnte. Oder beim Einkaufen, wenn ich mich bücken muss, um ins unterste Regal zu greifen, fällt mir auf, dass es bequemer im Rock mit Strumpfhose oder Leggins ist als mit einer Hose. Oder im Restaurant, wenn ich an langen vollbesetzten Tischreihen vorbei den Weg zur Toilette gehe, ist der Gedanke da, dass ich mit Rock ja auffallen könnte. Normalerweise ist es aber schon so, dass ich gar nicht mehr dran denke, was ich trage, so dass es eigentlich egal wäre, ob ich Rock oder Hose anhabe.
Die großen Überlegungen finden eigentlich außerhalb eines öffentlichen Auftritts, in der warmen gut beheizten Stube statt, wenn sonst nichts anliegt und die Gedanken um das Thema Damenbekleidung kreisen.
Meine erste Stufe führte über die allgemeine Orientierung, lang,lang ist es her: Damen- und Herrenbekleidung, was in Kaufhäusern angeboten wird, unterscheidet sich gravierend. Herrenkleidung ist sehr begrenzt in der Auswahl, was Formen, Farben, Muster, Materialien angeht. Die Auswahl ist sehr nüchtern und sachlich, es gibt wenig und nur geringe Abweichungen von einem wem auch immer gesetzten Standard. Einfach langweilig. In Damenabteilungen ist das Angebot vielfältig und überwältigend, hier kann man sich selbst wirklich danach hinterfragen, was denn der eigene Geschmack ist, was man gern anziehen würde. Auf diesem Weg, den eigenen Geschmack zu erkunden, bin ich damals zum Rock, zu Strumpfhosen, zu Long Cardigans, Long Shirts und auch zu Bodies und Damenslips gekommen.
Die zweite Stufe war die Überlegung nach Zweckmäßigkeit. Nun hab ich von Frauen auch schon gehört, dass sie Hosen statt Röcke tragen, weil sie Hosen nicht bügeln müssten. Das kann ich nun nicht bestätigen, weil ich auch etliche Röcke habe, die nicht gebügelt werden müssen. Wenn ich eine normale Hose auf die Waage lege, stelle ich fest, dass sie das Gewicht von etwa 6 Thermostrumpfhosen und noch viel mehr Nylonstrumpfhosen hat. Je nachdem, was ich trage, merke ich an der Kleidung teilweise sehr deutliche Gewichtsunterschiede, ein Rock mit Strumpfhose ist allemal leichter als eine Hose. Dennoch aber hält eine Thermostrumpfhose die Beine an kalten Tagen genauso warm wie eine Hose. Und: Je nach Wetterlage und Temperatur kann man mit Nylon-, Thermostrumpfhosen und Leggins viel besser als mit Hosen feinabstimmen, ob es an den Beinen zu warm oder zu kalt ist. Im übrigen hab ich es seit Jahrzehnten nicht mehr gemacht, eine lange Herrenunterhose unter der Hose zu tragen. Ich finde dieses Gefühl einfach nur widerlich, eklig und total einschränkend. Wenn es aber mal nötig sein sollte, findet sich immer irgendeine Strumpfhose oder Leggins, die sich auch ganz angenehm unter einer Hose anfühlt. Ähnliche Gedanken beziehen sich Richtung Gürtellinie. Klamotten aus der Herrenabteilung sind meist so kombiniert, dass ein Hemd aus der Hose rutschen kann, dass ein Pullover oder eine Jacke einen Teil der Nierengegend frei gibt, dass man sich z.B. mal leicht eine Nierenentzündung holen kann. Bodies sind da eine wunderbare Lösung, denn sie decken den Rücken in jedem Fall ab. Auch Long Cardigans oder Long Shirts bieten einen viel besseren Wärmeschutz für den Rücken.
Die dritte Stufe ist ein Ausloten des eigenen Geschmacks. Was gefällt mir? Was könnte mir gefallen? Was gefällt mir nicht? Was Röcke angeht, konnte ich mich bislang nie mit Plissee-, Wickel-, Röcken in A-Linie anfreunden, sondern der eindeutige Vorzug fiel auf Bleistiftröcke, z.B. als Jeans-, Cargo-, Cordrock, die bis kurz oberhalb der Knie reichen. Von den Farben her Denim Blau oder Schwarz, bordeaux rot, oliv grün, weiß. Von der Ausstattung her normal, drei Röcke allerdings mit Knopfleiste. Die Zahl an Strumpfhosen ist im Laufe der Zeit immer weiter angestiegen, darunter befinden sich von 20den in schwarz, transparent bis 100den in schwarz, ausserdem etliche Farben. Dann die Thermostrumpfhosen in schwarz, anthrazit, braun, dunkelrot, dunkelblau. Der eigene Geschmack findet dort seine Grenzen, wenn ich halbwegs dezent erscheinen und nicht gleich auf den ersten Blick jedermann auffallen will. Damit schieden dann farbige Strumpfhosen erstmal aus, schwarz und anthrazit sind vollkommen ok. Wenn es solche Tage gibt, an denen ich mich übermütig fühle und es mir vollkommen egal ist, wie ich auffalle, greife ich auch schon mal zu grünen Nylonstrümpfen. In der Regel versuche ich es auf dezente Art. Und spüre dabei auch nicht, wie sich alle Leute nach mir umdrehen. Im Gegenteil, es kommt mir eher vor, als würde ich niemanden interessieren. Und das ist mir ja nur recht so.
Es sind also mehr die Gedanken im stillen Kämmerlein, die mich dazu bringen, in der Freizeit fast nur noch Röcke zu tragen. Eine gewisse Zweckmäßigkeit, ein gewisser eigener Geschmack und das Streben danach, nicht übermäßig aufzufallen und entsprechend eine halbwegs dezente Kleiderauswahl zu treffen. Wenn ich mir all die Vorteile der Damenbekleidung vor Augen führe, dann bleibt davon kaum was übrig, wenn ich ein paar Minuten draußen in der Öffentlichkeit bin. Denn das eigentlich Ideale ist das Vergessen, nicht mehr darüber bewusst sein, welche Kleidung ich in jedem Augenblick trage. Das Vergessen ist so Synonym für Selbstsicherheit. Gerade aber durch das Vergessen spielen auch die Gedanken um Mannigfaltigkeit und Vorteilen von Damenbekleidung keine Rolle mehr. Es ist quasi das Normalste der Welt. Und mehr noch: auch die Frage nach der gesellschaftlichen Akzeptanz hat keine Bedeutung mehr. Im Grunde wäre es vollkommen egal, ob ich Rock oder Hose trage.
Treffe ich allerdings eine weniger dezente Auswahl, wenn ich Kleidung ausprobieren will, ob sie mir gefallen könnte oder nicht, fühle ich mich innerlich bei einem Eintauchen in die Öffentlichkeit unsicherer. Beispiele wären blaue Nylonstrümpfe, Minirock oder auch Maxirock. Ich bin mir da doch sehr viel mehr bewusst, was ich trage, eben weil es für mich ungewohnt ist und ich mich ausprobiere. Es ist mir dann präsenter, welch große Palette Damenbekleidung hat. Aber es schwirrt auch die Frage nach gesellschaftlicher Akzeptanz herum, ich beobachte umherlaufende Leute genauer und nehme dann auch häufiger ein reales oder eingebildetes Feedback wahr.
Einige Leute hier im Forum tragen zu Kleidern Cardigans. Ich denke das ist im Sinne meiner Studien eine gute Entscheidung. Denn wenn das Kleid als weiblich und wegen seiner oben und unten sichtbaren Präsenz deutlich wahrgenommen wird, ist sein Einfluss auf den Gesamteindruck sehr stark. Cardigans, offene Longshirts Shirtjacken und Strickjacken verschieben die Wahrnehmung ein wenig.
Die Verschiebung ist besonders stark, wenn das Kleid kürzer ist als z.B. Cardigans, die wie ein langer Mantel wirken. Und lange Mäntel sind als männertauglich anerkannt, auch wenn sie eine Kleidlänge haben. Der Gesamteindruck wird jetzt von zwei Kleidungsstücken geteilt, wobei dass Eine eine klar männliche Komponente hat und das Andere bedeckt, das zudem noch kürzer ist. Das ist wieder alles zusammen eine gelungene Brückenkombination.
Sowas ist eine gern getragene Kombination von mir. Schwarze blickdichte Strumpfhose, Jeansrock, der kurz bis oberhalb der Knie reicht, ein Shirt, das ich als unisex bezeichnen würde, darüber ein Long Cardigan, der ein kleines bisschen länger als der Rock ist. Damit fühle ich mich sehr wohl und sicher und empfinde es auch als ziemlich normal. "Ziemlich" - deshalb die kleine Einschränkung, weil eben der Mann mit Rock keine Normalerscheinung ist. Aber auch dieser kleine einschränkende Gedanke gerät schnell in den Hintergrund.
Grüße
Matthias