Autor Thema: Statt 'Frauen tragen Hosen'-Argument: Frauen entzogen sich dem Zwang  (Gelesen 3595 mal)

Offline Skirt-Man

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Der Zwang ist leider von der Gesellschaft da.
Wir haben oder sind dabei zu lernen diese Zwänge abzuschütteln.
Aber soweit sind noch nicht alle und für die könnte die "Zwang-Ausrede" als Erklärung funktionieren.

Wer sich schon etwas geöffnet hat und der Zwang in den Hintergrund gerückt ist.
Kann dann die Erklärung von Experimentel nutzen. Diese hatte ich auch schon oft im Hinterkopf, weil ich mich schon in einer Szene bewege, die sehr freiheitsliebend ist.

Ein RundumSorglosPaket wird man aber nicht finden, weil wir Menschen "eigentlich" zu individuell sind.

Offline nasenbaer

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Das Problem ist wahrscheinlich ein unlösbarer (Grund-)Konflikt zwischen sozialen Normen und selbsbestimmten Leben.

In der Berufsfachschule wurde davon gesprochen, dass soziale Normen das friedliche Zusammenleben einfacher machen (sollen). Für mich sind sie eher der direkte Gegenspieler von selbstbestimmten Leben.

Zu den soziale Normen gehört z.B. die Heteronorm, also z.B. das Zusammenleben von Mann und Frau als Paar. Kein homosexueller Mensch wird sowas als Erleichterung seines Zusammenlebens mit anderen erleben und wahrnehmen.

Der hier mehrfach erwähnte "Zwang" entspringt unseren sozialen Normen, z.B. in Form von Rollenbildern und Geschlechterklischees ist er immer und überall präsent.

Nur zwei persönliche Erlebnisse dazu: Ich gehörte Anfang der 90er Jahre zu den ca. 3 % der Männer, die Erziehungsurlaub gemacht haben und unsere Tochter arbeitet (immer noch untypischer Weise) als Frau als Fachinformatikerin, also in einem MINT-Beruf und hatte auch schon einen Vorgesetzten, der ihr direkt ins Gesicht gesagt hat, dass Frauen nichts in diesem Beruf zu suchen hätten...
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Offline high4all

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Offline MAS

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Ich vermeide tunlichst so ein Schwarz-weiß-Denken. Ich versuche mir immer die Frage zu beantworten, wem eine soziale Norm nützt und wem sie schadet.

Wem nützt es, dass Männer keine Röcke tragen, und wem schadet es?
Wem nützt es, dass man alten Menschen in der Bahn den eigenen Sitzplatz anbietet, und wem schadet es?
Wem nützt es, wenn man jemandem, der niest, Gesundheit wünscht, und wem schadet es?
Wem nützt es, wenn man sonntags Lärm verursachende Arbeiten sein lässt, und wem schadet es?
Wem nützt es, wenn Frauen keine MINT-Berufe ausüben, und wem schadet es?

Die Antworten sind mal leichter mal schwerer zu finden. Jedenfalls gibt es nicht eine gültige Antwort für alles oder für oder gegen soziale Normen.

LG, Micha
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Offline chris-s

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....

Wenn einem Jungen von klein auf beigebracht wird, dass Röcke nichts für Jungs seien, sondern nur für Mädchen und dass es unanständig sei, als Junge Mädchenkleidung zu tragen, dann ist das schon ein großer Zwang, der in eine junge Seele hineingelegt wird.
....
LG, Micha

Ich möchte es nicht als 'Zwang', sondern als 'die Schere im Kopf' definieren, die uns als gesellschaftliche Norm seit Jahrhunderten eingesetzt worden ist. Die Frauen haben sich in den 50er/60er Jahren - bedingt durch die Nachkriegssituation - von den Normen, die ihnen ja in viel stärkerem Maße eingeimpft wurden wie uns Männern, nicht nur von Kleidungsnormen, sondern sich ja auch von vielen anderen echten Zwängen mehr und mehr befreit. Für Männer war dies nicht nötig. Wir sind  schon immer (seit mindestens 2000 Jahren) privilegiert und mussten nichts erkämpfen. Die Scheren im Kopf haben wir nie wahrgenommen. Im sprachlichen trägt das generische Maskulinum natürlich auch dazu bei, dass der Mann an sich sich als die Krone der Schöpfung empfindet - steht ja schon in der Bibel  :-(

Weiter ist / war es natürlich so, dass mit dem Tragen von Kleidung auch bestimmte Vorstellungen verbunden sind. z.B.: Blaumann = Handwerker (gemeinhin hohes Ansehen), Servierkleid / Dirndl = Bedienung (Dienen!) Da kommt das alte Patriarchat immer wieder durch. Du siehst ja aus wie ein Mädchen! (Immer abwertend gemeint!) Wobei ich mich schon immer gefragt habe, was am Dienen so negativ ist.

Beispiel: Aschenputtel (Märchen) ist diejenige, die morgens das Feuer anmacht und damit erst dafür sorgt, dass das Leben beginnt. Im alten Rom waren dies die hoch geehrten Vestalinnen. Erst mit dem Monotheismus wurde die Frau in die Küche verbannt damit sich der Mann das Leben einfacher machen konnte.

Wenn wir uns also 'weiblich' kleiden, wird dies von der Mehrheit immer als eigene Abwertung verstanden. Frauen haben sich durch die Aneignung von 'männlicher' Kleidung aufgewertet.

Es geht also darum, dass wir uns als gleichberechtigt mit Frauen sehen und dies mit unserer Kleiderwahl zeigen.

Offline MAS

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Erst mit dem Monotheismus wurde die Frau in die Küche verbannt damit sich der Mann das Leben einfacher machen konnte.

Das kann ich so allgemein nicht stehen lasse, lieber Chris. Mit das strengste Patriarchat haben wir im Hinduismus, in dem Monotheismus zwar auch vorkommt, Polytheismus aber ebenso.
Und auch in den griechischen Demokratien gehörten zum Demos nur freie, erwachsene Männer, keine Frauen, keine Kinder, keine Sklaven. Und das antike Griechenland war polytheistisch.
Im vorislamischen, polytheistischen Arabien wollen Frauen ebenfalls sehr viel weniger Rechte gehabt haben als Männer. Aber immerhin konnte Muhammad Angestellter einer weiblichen Unternehmerin sein, Chadidscha, die er später heiratete.

So einfach ist es also nicht, Frauenunterdrückung mit einer bestimmten Art von Theismus in Zusammenhang zu bringen.   

LG, Micha
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Offline chris-s

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Erst mit dem Monotheismus wurde die Frau in die Küche verbannt damit sich der Mann das Leben einfacher machen konnte.

Das kann ich so allgemein nicht stehen lasse, lieber Chris. Mit das strengste Patriarchat haben wir im Hinduismus, in dem Monotheismus zwar auch vorkommt, Polytheismus aber ebenso.
Und auch in den griechischen Demokratien gehörten zum Demos nur freie, erwachsene Männer, keine Frauen, keine Kinder, keine Sklaven. Und das antike Griechenland war polytheistisch.
Im vorislamischen, polytheistischen Arabien wollen Frauen ebenfalls sehr viel weniger Rechte gehabt haben als Männer. Aber immerhin konnte Muhammad Angestellter einer weiblichen Unternehmerin sein, Chadidscha, die er später heiratete.

So einfach ist es also nicht, Frauenunterdrückung mit einer bestimmten Art von Theismus in Zusammenhang zu bringen.   

LG, Micha

Lieber Micha,

es tut mir Leid, dass ich meine verkürzte westliche Sicht hier ausgebreitet habe. Sicher sind vielen anderen Kulturen andere / gleiche Strukturen gebräuchlich.

Hier das ganze Zitat nach Joseph Campbell, Die Masken Gottes, Westliche Mythologie:

"Und zum Weibe sprach er: Ich will dir viel Schmerzen schaffen, wenn du schwanger wirst; du sollst mit Schmerzen Kinder gebären; und dein Verlangen soll nach deinem Manne sein, und er soll dein Herr sein.

Dieser merkwürdige mythische Gedanke, und die noch merkwürdigere Tatsache, dass er fast 2000 Jahre lang in der ganzen westlichen Welt als absolut verlässliche Schilderung eines Ereignisses galt, das angeblich 14 Tage nach der Erschaffung der Welt stattgefunden hatte, werfen mit Nachdruck die hochinteressante Frage auf nach dem Einfluss bewusst zurecht gemachter, unechter Mythologien und ihrer Ummodelungen auf die Struktur der menschlichen Weltanschauung und dem sich daraus ergebenden Gang der Kultur.

Es kann gut sein, das ein gut Teil von dem, was als Wille des „Alten“ ausgegeben wurde, tatsächlich nichts anderes ist als das Vermächtnis eines Haufens Alter, und zwar alter Männer; und das in erster Linie nicht so sehr daran gedacht war, Gott zu ehren, als vielmehr sich das Leben leichter zu machen, indem man die Frau in die Küche verbannte."


Das aus meinem Beitrag nur ein Satz herausgezogen wurde, hat mich erstaunt.



Offline MAS

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Lieber Chris,

Joseph Campbell kenne ich noch nicht, und habe nur mal https://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_Campbell überflogen. Meiner Erfahrung als Religionswissenschaftler muss man vorsichtig sein, dann auch Wissenschaften unterliegen Moden, aber vor allem machen sie nach und nach weiter Fortschritte. Nur kenne ich mich im Bereich der Mythenforschung nicht so aus, um da jetzt zu urteilen, wie aktuell Campbells Forschungen sind.

In Bezug auf so ein Bibelzitat ist aber wichtig zu wissen, dass jede Bibelstelle - wie jede andere Stelle aus jedweder Literatur - interpretiert werden muss. Und dass Campbells Interpretation da das Maß aller Dinge ist, wage ich zu bezweifeln. Kann auch sein, dass die Autoren dieser Passage einfach empirische Beobachtungen in Gottes Mund legten. Aber klar, dass Menschen daraus dann auch eine Norm machten.

Warum ich nur diesen einen Satz heraus griff? Nun ja, ich bin Religionswissenschaftler, und als solcher interessiert daran, einseitige Sichtweisen über Religionen zu verhindern.

Das bedeutet nicht, dass ich den Rest Deines Beitrags schlecht finde. Eher finde ich ihn gut, wenn ich schon nicht meckere! Nee, echt, damit stimme ich eher überein!

LG, Micha
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Offline Skirtedman

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Nun, Campbells Gedankenwelt - nachdem was mir nun hier und in Wikipedia kurz begegnet ist - finde ich relativ plausibel. Ich fasse das als  eine eher philosophische Grundhaltung auf, manche menschliche Gepflogenheiten zu erklären. Vielleicht ein interessanter Gedankenansatz.

Woher nun der "Zwang" (Hosenzwang für Männer) kommt, und welche Facetten er hat, bzw. "die Schere im Kopf", jenseits von dem, was man uns seit frühester Kindheit als kleine Jungs eintrainiert hat, mag ganz hilfreich sein, diesen Zwang zu verstehen und ihm zu entgehen, sofern man ihn als Einschränkung empfindet.

Ich empfinde ihn als Einschränkung für uns Männer, auch wenn ich mich selbst individuell davon befreit habe. Es gibt aber viele Männer - auch welche, die hier mitlesen - die von dieser Befreiung bisher nur träumen konnten. Auch finde ich gut, dass eher weniger schreibende Mitglieder, explizit Nasenbaer, Skirt-Man und Experimental, sich dazu geäussert haben.

Und auch aus manchen anderen Beiträgen lese ich heraus, dass es dieser "Zwang" nicht rein erfunden ist, und sei es nur eine "Schere im Kopf", was eine selbstverschuldete Mitverantwortung deutlich macht.

Wenn wir (die überwiegende Mehrheit der Männer) uns diesem Zwang beugen, dann machen wir uns ebenfalls zu einem Mitakteur, der diesen Zwang multipliziert. So gesehen hat auch Hajo Recht.

Wer aus diesem Zwang ausbricht (so wie viele der aktiven Mitschreiber), zeitweise oder sehr oft oder immer, der zeigt, dass dieser Zwang nicht unausweichlich ist. Man könnte sagen, der bricht den Widerhall dieses allgegenwärtigen Zwanges. Zwar ist man nur ein einziges kleines Teilchen in der großen Masse, das diesen Widerhall unterbricht, aber immerhin ein Zeichen, dass dieser Zwang nicht auf Gedeih und Verderb unausweichlich ist.

Offline Skirtedman

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Chris,

ich kann Deinem Beitrag (siehe Link vom Zitat gleich) auch jenseits von dem kurzen religiösen Aspekt (der mir an dieser Stelle fast etwas zu esoterisch ist) weitestgehend zustimmen.

Und vor allem stimme ich Deinem Fazit zu:

Es geht also darum, dass wir uns als gleichberechtigt mit Frauen sehen und dies mit unserer Kleiderwahl zeigen.

Ich untermauere das noch einmal mit meiner Wortwahl dieses Threads:

Wenn wir Männer einfordern, auch den Zwang bzgl. Kleidung abzuschütteln, wie das die Frauen schon längst taten,
dann möchten wir auch uns als gleichberechtigt mit den Frauen fühlen,
und den Frauen auf Augenhöhe begegnen.
Wir Männer sind nicht mehr wert wie Frauen. Frauen sind nicht mehr wert wie Männer.

Wenn wir uns also 'weiblich' kleiden, wird dies von der Mehrheit immer als eigene Abwertung verstanden. Frauen haben sich durch die Aneignung von 'männlicher' Kleidung aufgewertet.

Genau gegen dieses Denkschema sollten wir arbeiten. Denn mit dieser Auffassung wirken ja immer noch Gedanken, die einer Wertung von Mann und Frau auf gleichberechtigter Ebene widersprechen.

Im sprachlichen trägt das generische Maskulinum natürlich auch dazu bei, dass der Mann an sich sich als die Krone der Schöpfung empfindet - steht ja schon in der Bibel

Da könnte man trefflich drüber streiten. Aber ich denke schon, dass diese Sprachbilder im Kopf mitwirken und aus einer Zeit stammen, in der Klempner, Ärzte, Arbeiter, ja früher irgendwann auch Schüler, immer nur Männer oder männlich waren. Weil Frauen Bildung und vor allem Beruf untersagt war, jedenfalls unüblich war; jedenfalls ziemlich alles, was irgendwie ausserhalb häuslicher Leistungen war. Also Dienstmagd war ja üblich.

Es gibt etliche Einzelbeispiele, wo auch Frauen Berufe der Männer ergriffen (Autorin, Ärztin, Astronomin), doch waren sie sehr seltene Einzelfälle. Es gab im 19. Jh., aber auch noch vor 100 Jahren, Fälle, wo mit viel Mühe und Beziehungen Frauen z.B. studieren durften. Es kam aber oft vor, dass sie an den Abschlussarbeiten nicht teilnehmen durften, um den akademischen Grad eben nicht zu erwerben zu können - einfach nur, weil sie Frauen waren. Das wäre heute inzwischen undenkbar. (Aber in einigen Ländern gibt es das auch heute noch.)

Es ist also kein Wunder, dass im deutschen generischen Maskulinum die Widerspiegelung alter patriarchaler Strukturen interpretierbar ist.


... bestimmte Vorstellungen ... z.B.: Blaumann = Handwerker (gemeinhin hohes Ansehen), Servierkleid / Dirndl = Bedienung (Dienen!) Da kommt das alte Patriarchat immer wieder durch. Du siehst ja aus wie ein Mädchen! (Immer abwertend gemeint!)

Das kann man so deuten.
Doch gibt es sowas auch umgekehrt. Zum Beispiel der Ausdruck "Mannweib". Dieser Begriff mag inzwischen fast ausgestorben sein, und er hat sicherlich zwischen den 1920er Jahren und den 1970er Jahren an Bedeutungsumfang verloren. Aber dieser Begriff ist gleichermaßen abwertend gemeint. Frauen oder Mädchen, die nicht ausreichend konform mit den erwarteten Rollenvorstellungen sind, werden durchaus auch abwertend und verletzlich kommentiert. Anstelle des "Mannweibs" mag inzwischen vielleicht eher "Kampflesbe" getreten sein - aber mit nochmal einer deutlichen Bedeutungsverlagerung - und auch dieser Begriff dürfte mit gestiegener Achtung alternativer Lebensformen auf dem Rückzug sein.
Jedenfalls ist auch heute noch Gegenstand von Unterhaltung, wenn eine Frau / ein Mädchen nicht ausreichend weiblich erscheint.

Dennoch, da geb ich Dir Recht, Chris, ist es weniger verpönt, wenn "eine Frau ihren Mann steht", als wenn ein Mann irgendwelche Weichei--Züge zeigt. Ein Kindergartenkind wird gelobt, wenn es ein Rabauke ist, sofern es ein Mädchen ist - ein Junge hat es da schwerer. Ein Kindergartenjunge steht schneller in der Kritik, wenn er lieber mit Puppen spielt als mit dem Fußball. Auch wenn selbst das längst nicht mehr so verpönt ist und es viele Gegenbeispiele gibt.

Die Frauen haben sich in den 50er/60er Jahren - bedingt durch die Nachkriegssituation - von den Normen, die ihnen ja in viel stärkerem Maße eingeimpft wurden wie uns Männern, nicht nur von Kleidungsnormen, sondern sich ja auch von vielen anderen echten Zwängen mehr und mehr befreit. Für Männer war dies nicht nötig. Wir sind  schon immer (seit mindestens 2000 Jahren) privilegiert und mussten nichts erkämpfen.

Diese Untermauerung des Hosenzwangs für Männer halte ich sehr stark geprägt von feministischen Narrativen.

Sind wir Männer seit 2000 Jahren schon immer privilegiert? Männer mussten auch immer "ihren Mann" stehen. Sie zogen in Kriege, schlugen sich gegenseitig die Köpfe ein. Sie schufteten unter der Erde in Stollen, wurden verschüttet, Opfer von Schlagwettern. Ob die Geschichte der Männerwelt sich so einfach beschreiben lässt mit "privilegiert zu sein", wage ich zu bezweifeln. Natürlich waren die Herrscher der Geschichte fast alles Männer - um in diese Positionen zu gelangen war es von deutlichem Vorteil, ein Mann zu sein. Und natürlich wurden Frauen von Männern geschändet, vermutlich mehr als wir uns das heute ausmalen können - auch eine Bezeugung von Macht bzw. Machtmissbrauch. Ob aber die Rolle der Frauen über die 2 Jahrtausende hinweg als so benachteiligt gegenüber Männern zu werten ist, wage ich zu bezweifeln. Mann und Frau hatten beide ihre Aufgaben, und für die Mehrheit der Männer und Frauen war das keineswegs ein Zuckerschlecken.

Die Wertung des "privilegierten" Mannes als solchem stammt aus der Zeit des fortgeschrittenen Bürgertums, das es besonders in Deutschland mit zwei Weltkriegen - eine etwas verkürzte, daher steile These - auf die Spitze getrieben hat, und aus der Folgezeit.
Da nach den Weltkriegen Männer fehlten, mussten einige Frauen an die Arbeitsplätze der Männer. Die ersten Frauen waren gezwungen, "ihren Mann zu stehen". Das eröffnete ganz neue Perspektiven. Während in den 20 Nachkriegsjahren die treu fürsorgliche Hausfrau ihren Mann, sofern sie einen abbekam, unterstützend beistand und somit auf ihre Weise zum Wirtschaftswunder beitrug, wurde die nachwachsende Generation der Frauen diesem Verhalten überdrüssig und begann, über den privilegierten Mann nachzudenken. Hinzu kam die Möglichkeit, der selbstbestimmten "Familienplanung" (Pille), so dass mehr Freiraum für Bildung, Ausbildung und Partnerwahl bzw. Paarbindung möglich wurde.

Das Begehren, eigenes Geld zu verdienen und nicht mehr vom Belieben eines Mannes abhängig zu sein, schaffte ein ganz neues Selbstbewusstsein der Frau. Gleichzeitig wuchsen die Ressentiments gegenüber der "Privilegien der Männer". Selbstbestimmung und wirtschaftliche Unabhängigkeit ist der eigentliche Nährboden für den Feminismus bzw. der Forderung nach der "Gleichstellung der Frau".  "Selbstverwirklichung" war noch ein Stichwort der 80er und 90er Jahre, das da mit reinstrahlte.

Das - verkürzt - ist die Grundlage der "Gleichberechtigung". Wobei "Gleichberechtigung" lange Zeit nur die Angleichung der Rechte der Frauen an die "Privilegien" der Männer sah. Inzwischen liegt bei "Gleichberechtigung" der Fokus auf Frauen und LGBTQ+, nicht aber auf Männern. Noch immer gelten die Rechte und "Privilegien" der Männer als das Maß der Dinge, die erstrebenswert sind. Da hat das Wort "Gleichstellung" oder Ideen wie "Elternzeit" kaum etwas gebracht, dass über Benachteiligung von Männern nachgedacht wurde. Ergänzend sei hier noch Ferdis Slogan erwähnt: "Gleichberechtigung ist keine Einbahnstraße!"

Dass heranwachsenden Jungs im eher weiblich ausgeübten Bildungswesen gewisse Benachteiligungen entstehen, z.B. weil männliche "Vorbilder" fehlen, fällt erst seit 10, 15 Jahren so langsam auf.

Dass es Männer geben kann, die sich benachteiligt fühlen, weil der gesellschaftliche Druck das Hosentragen erwartet, muss auch erst so langsam ins kollektive Bewusstsein eindringen.

Wenn Du, Chris, schreibst, dass Frauen sich "von vielen anderen echten Zwängen" befreien mussten, dann wertest Du die Erwartung der Gesellschaft an den Mann, Hosen zu tragen, als deutlich geringer ein. Mir schimmert da eine Haltung durch à la "Ein echter Kerl übersteht die Lappalie, sein Leben lang Hosen tragen zu müssen".

Eine bestimmte Kleidung tragen zu müssen, ist keine Lappalie, wenn anderen Mitmenschen erlaubt wird, ein ganzes Spektrum von Kleidung zu tragen. Für Dich, Chris, mag es ein Nice-to-Have sein, Rock tragen zu dürfen. Für mich ist es eine Grundvoraussetzung.

Und warum soll ich zurückstecken, wenn anderen alles zugestanden wird?
Das sollten andere, die es möchten, auch nicht machen.
Und wer sich damit aber nicht traut, der ist einem gewissen Zwang ausgesetzt. Und Frauen haben diesen Zwang abgelegt, ganz gleich warum. Die Männer sollten sich auch diesem Zwang entziehen.

---- Abschließend noch dazu:
Es gibt Feigheit, derentwegen wir uns nicht trauen, anzuziehen was wir möchten, aber zwingen tut uns niemand in die Hosen.
Ich halte es für eine Ausrede, sich auf einen "Hosenzwang" zu berufen oder gar mit dem gar nicht vergleichbaren "Frauen tragen auch Hosen" Schmäh zu kommen.

Feigheit, ja, mag ja sein. Doch die Erwartung der Gesellschaft tut sich schwer, uns aus den Hosen zu entlassen - zumeist die eigene Familie, die Frau, die Angst vor Ruf- oder gar Jobverlust.
Ich bin nicht der einzige, der den Zwang als Zwang wahrnimmt, auch wenn ich mich persönlich davon befreit habe. Ja, man kann sich davon freimachen, dazu aber gehört Mut.

Und klar doch: "Frauen tragen auch Hosen", das ist kein Schmäh. Das ist ein Fakt. Und viele Frauen kommen selbst auf diese Idee, wenn sie mir im Rock oder Kleid begegnen. Manche Männer mittlerweile auch selbständig.
Und alleine diese Tatsache ist Grund genug, auf Gleichberechtigung zu pochen.
Für die, die Kleidung als eine "Lappalie" betrachten ("Du kannst ja Dein Leben lang Hosen tragen, was willst Du eigentlich?"), ist eine Verdeutlichung besser augenöffnend, wenn man aufzeigt, dass Frauen keinen Kleidungszwang mehr haben, wir Männer aber schon.

Offline MAS

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Boah, Wolfgang, Du gehst aber ins Detail! Ich denke, ich brauchte jetzt 15 Minuten, Deinen Beitrag zu lesen, während ich mein Müsli kaute.

Ja, "esoterisch" passt in Bezug auf Chris' bzw. Campbells Äußerungen zum Monotheismus oder zu Religion generell ganz gut. Das war für viele Geisteswissenschaftler (weniger :innen) seiner Generation recht typisch, aus wenigen empirischen Daten sehr große Theorien zu entwerfen. Heute sind wir da sehr viel vorsichtiger und "zählen eher Fliegenbeine". Indes haben diese Forscher auch sehr viel geleistet und waren oft extrem produktiv.

Chris, über diese Meinung:
Zitat
Wenn wir uns also 'weiblich' kleiden, wird dies von der Mehrheit immer als eigene Abwertung verstanden. Frauen haben sich durch die Aneignung von 'männlicher' Kleidung aufgewertet.
haben wir hier früher schon oft diskutiert. Ich habe sie auch vertreten und erntete vor allem von einem Forenmitglied, der unter vielen Namen hier auftrat, z.B. Rockability und Jule, starken Widerspruch, da er der Meinung war, die Frauen seien immer die Privilegierten gewesen und hätten das Rocktragen den Männern verboten. Nee, da bin ich noch immer näher an Deinem Statement.

Indes fühle ich mich im Rock oder im Kleid nicht ab-, sondern aufgewertet, aber eben nicht aufgewertet zur Stellung der Frau, sondern zur Stellung der Selbstbestimmung, quasi auf einer Augenhöhe mit Frauen, die sich vom Rockzwang befreit haben und Hosen trugen, also damals, als das noch nicht so normal war wie heute. Indes habe ich inzwischen den Eindruck, dass nahezu niemand in der Gesellschaft mir das Rocktragen verbietet, dass also dieser Zwang der Vergangenheit angehört. Der Zwang rührt eher noch daher, dass man sich als Mensch gerne den Menschen seiner Umgebung oder Gruppe anpasst und daher zu wenige Männer auf die Idee kommen, auch mal Rock zu tragen, und die, die auf die Idee kommen, sich nicht trauen, weil sie nicht auffallen wollen. Sie würden sich unwohl fühlen, anders gekleidet zu sein, als die meisten anderen, wobei man sich da eher an Gleich-, als an Andersgeschlechtlichen orientiert. Aber auch dass die meisten Frauen überwiegend Hosen tragen, bestärkt das Gefühl, im Rock anders gekleidet zu sein. Das ist also mehr ein Konformitätszwang im je eigenen Fühlen als ein gesellschaftlicher Zwang von außen. 

Ich empfinde es indes zunehmend so, dass mein Rocktragen im privaten und beruflichen Umfeld inzwischen als normal wahrgenommen wird, wenn auch nicht als normal für alle Männer, aber als normal, dass ich als Individuum mich so kleide. Vorgestern hielt ich einen Vortrag vor einem mir bis dato unbekannten Publikum, und hatte nicht den Eindruck, als hätte mein Rock die Leute irgendwie abgelenkt. Hinterher gab es ein Gruppenfoto mit den Veranstalter:innen mit mir im Rock mittendrin, ohne dass auch nur einer das thematisierte. Manchmal habe ich den Eindruck, dass nur noch ich selbst mein Rocktragen als was immer noch Besonderes wahrnehme, den meisten anderen Menschen es aber keine Bemerkung wert ist.

Und so genieße ich meine erarbeitete oder erkämpfte Kleidungsfreiheit und hoffe, dass so allmählich auch andere Männer diese Möglichkeit für sich sehen. Einen Konformitätszwang zum Rocktragen möchte ich nicht erzeugen, aber gerne doch die Möglichkeit, mehr rocktragende Männer, Frauen und Diverse zu sehen und so keine Angst mehr davor haben zu müssen, sonderlich aufzufallen, wenn man selbst mal einen Rock oder was auch immer trägt.

LG, Micha 
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Ich hoffe, Euch fallen ein paar andere pointierte Formulierungn ein. Denn, Ziel müsste sein, es möglichst frei von 'um die Ecken denken' zu gestalten, so dass auch Menschen mit weniger Sprachgewandtheit oder weniger Spaß am Denken klar und ohne Mühe die Botschaft verstehen.
Das ist ja wieder gründlich daneben gegangen. ::)
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Offline doppelrock

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Ich hoffe, Euch fallen ein paar andere pointierte Formulierungn ein. Denn, Ziel müsste sein, es möglichst frei von 'um die Ecken denken' zu gestalten, so dass auch Menschen mit weniger Sprachgewandtheit oder weniger Spaß am Denken klar und ohne Mühe die Botschaft verstehen.
Das ist ja wieder gründlich daneben gegangen. ::)

So langsam kommen wir zu dem Punkt, wo intelligenten Menschen das Denken verboten wird, damit sich die anderen nicht benachteiligt fühlen.

Wissen und Klugheit ist immer noch eine Holschuld. Kein Geschenk und kein Diktat.

Besser wir kehren vom Zwang und Verbot beim Denken wieder zurück zu solchen Regeln bei Kleidung.

Offline MAS

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Ich hoffe, Euch fallen ein paar andere pointierte Formulierungn ein. Denn, Ziel müsste sein, es möglichst frei von 'um die Ecken denken' zu gestalten, so dass auch Menschen mit weniger Sprachgewandtheit oder weniger Spaß am Denken klar und ohne Mühe die Botschaft verstehen.
Das ist ja wieder gründlich daneben gegangen. ::)

Ja, das mag sein:

Also Botschaft an die einfachen Gemüter:

Tragt, was Euch gefällt, lasst Euch nichts vorschreiben und schreibt anderen nichts vor!

LG, Micha
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LG, Micha
Mein Prinzip 😊

Dann bin ich wohl ein einfaches Gemüt  ::)

Gruß
Jürgen
Laßt Euch nicht von Zweifeln plagen
und genießt das Röcketragen


 

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