Trotz meiner allgemein gelassenen Grundstimmung, gibt es immer noch Dinge, über die ich mich manchmal richtich uffreeche kann.
Hier das Thema bietet mir auch Anlass dafür, wenn man mich nach meiner Meinung fragt.
Zwar verursacht mir permanentes Kopfschütteln, dass die Männer so blöd sind, sich nicht selbst aus ihrem Kleidungsschema zu befreien, aber mit all den bekannten und im Forum hoch- und runterdiskutierten Faktoren kann ich das noch so ein bisschen nachvollziehen. Worüber aber ich mich uffreech, dass da die Frauen, hier speziell die Mütter, das auch noch unhinterfragt ebenfalls unterstützen. Eigentlich müsste von klugen Müttern der Impuls ausgehen, von ihren Söhnen nicht all das Macho-Gehabe der erwachsenen Männer befolgen zu müssen. Frauen tragen nun in der 3., 4. oder gar weiteren Generation auch Hosen und sie genießen die Kleidungsvielfalt. Warum kommt da nicht eine Müttergeneration auf die Idee, dass das ihre kleinen Söhne auch mal so frei handhaben könnten? Keine Mutter schreit großartig auf, wenn ihre Tochter etwas anzieht, was traditionsgemäß auch Männer anziehen, sagen wir T-Shirt/Jeans-Kombination oder ähnliches. Warum schreien Mütter auf, wenn ihre Söhne etwas anziehen, was dem bisherigen Männerschema nicht mehr ganz entspricht?
Vielen Eltern sollte es eigentlich mittlerweile relativ egal sein (und solche gibt es wohl auch), ob Sohn oder Tochter anfängt, sich zum gleichen Geschlecht hingezogen zu fühlen. Unter modernen Eltern sollte sich der Konsens herumgesprochen haben, Hauptsache unserem Kind geht es gut und es fühlt sich wohl, sowohl jetzt als auch in Zukunft. Ausserdem ist jetzt auch seit bald 2 Generationen körperlicher Kontakt unter gleichgeschlechtlichen Männlichgeborene nicht mehr strafbar. Also sollte im Punkt der sexuellen Orientierung des Nachwuchses unter heutigen Eltern relative Gelassenheit herrschen dürfen.
Auch wird die Sache mit dem 'Stammhalter' einer Familie heute nicht mehr so eng gesehen wie noch vor 50 Jahren. Sehr wohl aber kann ich verstehen, dass ein Vater, eine Mutter es gerne sehen würde, wenn vom eigenen Nachwuchs eine Enkelgeneration nachwachsen würde; nicht zuletzt, damit sich all die Mühen, und die finanziellen wie mentalen Investitionen auch nachhaltig 'rentiert' haben. Bei homosexuellem Nachwuchs ist das eben auf rein genetischer Linie so dann eher nicht mehr zu erwarten. Und so kann ich auch verstehen, dass ein Vater, der eben in diese Machokultur tief mit eingebunden ist, versucht, von seinem Sohn jeglichen Weibskram fernzuhalten, damit er nicht auf den Geschmack am eigenen Geschlecht kommen soll. Andererseits, wenn die Tochter anfängt, sich für Motorräder zu interessieren, gehen vermutlich längst nicht so schnell familiäre Alarmglocken an. Ja, man kann es vermuten, aber sicher ist es nicht, wenn man etwas typische andersgeschlechtliches tut, dass das auch Auswirkung auf die sexuelle Orientierung hat.
Und die letzten zwei Abschnitte habe ich mich nur mit potentieller sexueller Orientierung beschäftigt. Wer aber sagt, dass Nagellack, weiblich wirkende Hosen oder sogar ein Rock einen Menschen automatisch zu jemand macht, der auch andere typische Frauensachen übernimmt, also auch die sexuelle Orientierung?
Und das, was mich uffreecht, ist, dass junge Frauen bzw. mittelalte mit pubertierenden Kindern, heutzutage scheinbar noch immer Angst haben, der Nachwuchs könne die 'falsche' sexuelle Orientierung entwickeln (und das besonders bei den Jungs), und dass eben solche Mütter die Tatsache nicht eigenständig bewerten können, dass Kleidung nicht automatisch zu einer gewünschten Geschlechtsumwandlung führen muss. Denn durch Eigenbeobachtung müsste ihnen bekannt sein, dass generationenübergreifendes Hosentragen bei den Frauen nicht zu drastischem Abbau gegengeschlechtlich-orientierter Frauen geführt hat.
Mein nun bis dahin dargelegtes Urteil habe ich aus dem Geschreibsel der "sogar-auch-Rock"-Mama abgeleitet, aber auch aus einigen anderen Kommentaren, die ich mir gegen die Empfehlung von Micha doch alle durchgelesen habe.
Etwas beruhigend finde ich, dass die Stimmen in den Kommentaren, die das alles gelassener bewertet haben, gefühlt überwiegen. Das lässt ein bisschen hoffen, aber auch da fehlte mir ein breiteres, erkennbares Verständnis, dass Jungs endlich genauso wie Mädchen alles anziehen können dürfen. Auch bei den gelasseneren Kommentaren herrscht überwiegend die Verbindung zwischen Kleidungsausdruck und potentieller Identität bzw. sexueller Orientierung vor.
Wir haben also noch ein gutes Stück Arbeit vor uns, durch unsere eigene Präsenz unter Menschen der Allgemeinheit den Eindruck zu vermitteln, dass Kleidungswunsch etwas ist, was nicht an Identität oder Sexualität rütteln muss.