Ich war hier schon länger nicht mehr aktiv, aber möchte gerne eine Story erzählen, die schon ein bisschen her ist. Sie ist aber so witzig, dass ich sie unbedingt verbreiten möchte.
Es war im Herbst letzten Jahres; wahrscheinlich schon im November, denn es war sehr kalt. Ich zog mir einen knielangen dunkelblauen Faltenrock an, dazu ein schwarzer Pullover und eine schwarze Leggings. Um mich vor der morgendlichen Kälte zu wärmen, zog ich beigefarbene Fellboots und einen beigefarbenen Wintermantel an, der weißes Fell am Saum der Ärmel und am Kragen hatte.
Als ich damals noch in der Kita arbeitete, sagte ein Mädchen übrigens, dass ich mit dem Mantel wie der Weihnachtsmann aussähe. Diese Assoziation wäre mir niemals im Leben gekommen. Abgesehen von der kürzeren Länge, der beigen Farbe und dem Umstand, dass es ein oversized Damenmantel war, konnte ich allerdings ihre Einschätzung nicht ganz verleugnen und ihre Freude brachte mich zum Schmunzeln. Um sie soll es hier aber gar nicht gehen. Es passt nur ganz gut zu der Situation, von der ich eigentlich berichten will.
Ich war also auf dem Weg zu meiner damaligen Arbeitsstelle und in dem Morgengrauen waren ebenfalls viele Menschen unterwegs. Als ich gerade an der Kreuzung ankam und hastig über die grüne Ampel rannte, über die Schienen der U-Bahn, um auf der anderen Seite gerade noch in letzter Sekunde meinen Bus erreichen zu können, kam plötzlich ein lauter Zuruf. Es war ein Mann mittleren Alters, der mit seinem Fahrrad unterwegs war und aufgrund der roten Ampel halten musste. Er erblickte mich und rief: "Hey?! Wer sind Sie denn?! Robin Hood, oder was?!"
Seine Stimme schien bewusst so laut ertönt zu sein, damit auch wirklich jeder seinen "witzigen" Kommentar hören sollte. Ich glaube aber nicht, dass das überhaupt jemand mitbekommen hatte. Die Leute waren nämlich zu weit weg, um es akustisch verstehen zu können und in Frankfurt achtet man eh nicht so auf solche wirren Zurufe, weil ständig jemand in der Öffentlichkeit rumbrüllt.
In meiner Eile hatte ich gar keine Zeit irgendwie auf ihn reagieren zu können, geschweige denn überhaupt darüber nachzudenken, was ich ihm antworten möge. Ich konnte gerade noch so einsteigen, bevor die Türen schlossen. Erst als ich mich auf meinem Sitzplatz eingefunden hatte, begann ich die Situation zu reflektieren. Ich war zunächst etwas verwirrt, wie er die Aussage meinte und konnte es nicht genau einordnen. Der Kommentar war gewiss provokativ, aber erschien mir weniger als neckischer Spruch unter Männern, sondern ich interpretierte es vielmehr als spöttisch gemeint.
Im ersten Moment amüsierte es mich sehr, dass er so erwartungsvoll seinen Spruch raushaute, aber keinerlei Reaktion bekam, weder von mir noch von irgendjemand Anderem. Als ich aber näher über seine Worte nachdachte, empfand ich es als riesengroßes Kompliment. Obwohl er mich wahrscheinlich ins Lächerliche ziehen wollte, verglich er mich mit einem Helden aus einer legendenhaften Sage. Ich erinnerte mich an meine Kindheit, wie cool ich damals Robin Hood fand und wie ich so gerne so sein wollte wie er. Rund dreißig Jahre später wurde mir nun endlich diese große Ehre zuteil, zumindest optisch ihm zu ähneln. Damit ging quasi eine Art Kindheitstraum in Erfüllung. Irgendwie erfreute mich das sogar mehr als jeder ernst gemeinte Kommentar zu meinem Outfit.
