Nach ein wenig Bedenkzeit und der Diskussion im Strang "Wieviele Männer eigentlich?" glaube ich, dem Problem ein wenig näher gekommen zu sein.
Wenn hier über Röcke gesprochen wird, dann ist damit ein Stück Stoff gemeint, das den Schoß und die Scham bedeckt und nicht beiden Beinen eine eigene Röhre spendiert. Wenn vom Kilt gesprochen wird, hängt da für die Experten immer auch die Kultur mit dran. Die einen sehen also den Rock als topologische Klasse von Kleidungsstücken, die anderen den Kilt als soziokulturelle Klasse von Kleidungsstücken. Beide liegen damit durchaus richtig, der Kilt ist topologisch ein Rock, soziokulturell ist er aber weitaus spezieller.
Nur halte ich die soziokulturelle Betrachtungsweise für wenig zielführend.
Ich reite gerne drauf rum: Es ist ein Mode-Forum. Mode beinhaltet Wandel, das Thema dieses Forums sogar umso mehr, da es darum geht, den Rock am Mann als Alternative in den Köpfen zu etablieren. Bliebe man bei der soziokulturellen Perspektive, dann wäre das Vorhaben von vornherein zum Scheitern verurteilt. Denn immerhin ist der Rock in unserem Kulturkreis soziokulturell Frauenkleidung. Die Hose war mal Männerkleidung. Hätten Frauen sich einer wie auch immer gearteten soziokulturellen Perspektive gebeugt, wäre das noch immer so.
Modischer Wandel bedeutet also erstmal, sich von der soziokulturellen Sicht abzuwenden oder durch absichtliches Verstoßen dagegen gar eine kulturelle Aussage zu machen.
Übrigens: Wüsste ich nicht die Bezeichnung Kimono, dann würde ich ihn wohl mit "so ein chinesischer Bademantel/Hausmantel" umschreiben -- und ich denke, die meisten wüssten dann, was ich meine, trotz der offensichtlichen Fehler. So enthält 'Schottenrock' für alle Deutschen mehr Information als Kilt: Es ist --topologisch-- ein Rock, der aus dem schottischen Kulturkreis stammt --erkennbar an dem charakteristischen Muster-- und dort von Männern getragen wird. Da ist natürlich eine ganze Menge Unschärfe drin, reicht aber all denen, die sich nicht weiter damit beschäftigen wollen. Ebenso wird 'Fustanella' kaum einem was sagen, 'Griechenrock' wäre weitaus beschreibender (oder 'Griechenkilt'? ;-)).
Und die Entwicklung von Kilt und Rock scheint bedeutend mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede aufzuweisen. Röcke --topologisch-- sind mit dem Lendenschurz das primitivste denkbare Kleidungsstück: Stoffbahn nehmen, um die Hüfte wickeln, fertig. Mit Handtüchern machen das selbst die überzeugtesten Hosenapologeten. An der Entstehung des Rocks Interessierte können sich ja mal mit dem Begriff 'Rock' beschäftigen -- der bedeutete auch erstmal kaum mehr als Tuch oder Gewebe. Warum hat sich eigentlich noch niemand drüber aufgeregt, dass er seine Nicht-Kleider in einem Kleiderschrank unterbringen muss? Sprache wandelt und entwickelt sich, findet neue Begriffe oder deutet alte um -- der Schottenrock ist eben so eine Wortschöpfung für einen Gegenstand, der hierzulande nicht bekannt war.
Generell scheint mir das Verharren auf historische Ursprünge wenig zielführend. Sprache ist Konvention, weder Rock- noch Kiltträger können sich davon lösen, wenn sie verstanden werden wollen. Es ist ja ganz interessant, wie andere Sprachen so manchen Gegenstand bezeichnen -- gibt es im Deutschen eine Übereinkunft zur Benennung, dann wird eben die genommen, ansonsten kann man die fremdsprachliche Bezeichnung verwenden oder eine neue schaffen. Als die Deutschen mit dem Kilt in Berührung kamen, da hat man eben letzteres getan. Und topologisch betrachtet ist an dem Begriff nichts auszusetzen.
LG
Masin
PS: Wir können gerne die Diskussion ausdehnen auf Dischdaschas, Kimonos und anderes. 'Arabergewand' ist sicher auch jedem Deutschsprecher verständlich. Warum es nicht 'Araberkleid' genannt wird, könnte man dann ja auch ausdiskutieren.