Hallo in die Runde…
Ich sehe es auch so, wie Du Christian, dass eine Musikszene wie Visual Kei mit ihren Vorbildern zum Nachahmen anregt. Störend empfinde ich es nicht
Die Frage ist, was war zuerst da? Das Ei, oder die Henne?

Beispiele:
Das traditionelle japanische Theater bietet Gesang, Pantomime und Tanz. Die Rollen wurden von stark geschminkten Männern mit feinen Bewegungen und falsetto-Stimme übernommen. Auch heute noch ist Kabuki beliebt. Das traditionelle Noh-Theater wurde nur von Männern gespielt und getanzt sowie musikalisch begleitet. Also wurden auch Frauenrollen ausschließlich und nur von Männern gespielt. Erst mit beginnendem 20. Jahrhundert begannen Frauen in diese männliche Domäne einzudringen. Wieder einmal.

Ein weiteres Beispiel zu einer japanischen Tradition, der Kimono:
Kimono heißt wörtlich übersetzt lediglich "Anzieh-Sache".
Der Kimono ist ein traditionelles japanisches, etwa fußknöchellanges Kleidungsstück ohne Knöpfe oder sonstige Verschlüsse, das lediglich in der Taille mit einer Schärpe (obi) gebunden wird. Vorne liegt die linke über der rechten Seite, unabhängig vom Geschlecht.
Herren- und Damenkimono unterscheiden sich kaum in ihrer Grundform. Die wesentlichen Gestaltungs-Unterschiede liegen lediglich geringfügig in der Farb- und Mustergebung, der Länge der Ärmelschleppe und natürlich den Maßen des Obi (Taillenschärpe).
Das leidige westeuropäische Thema, dass Kleidung links geschlossen (Frauen) , rechts geschlossen (Männer) bedeutet, ist in der traditionellen japanischen Kleidung also beispielsweise kein Thema.
Vor allem bei der jüngeren Generation erfreuen sich Kombinationen von Tradition und Moderne wachsender Beliebtheit und wird zusätzlich von westlichen Einflüssen ergänzt.
Wenn ich die Szenemode zu „Visual Kei“ betrachte, so findet sich all das genau dort sehr ausgeprägt.
Männer in Frauenkleidung sind in Japan Tradition und schlicht anerkannt. Westliche Einflüsse zeigen sich in den Kleidern für Männer des Visual Kei, die zuweilen an die Barockzeit, oder den Hof Ludwigs des XIV bei der damaligen Damenmode erinnern.
Ich glaube daher kaum, Christian, dass die ersten Boygroups des Visual Kei in ihrer Kleidung in Japan „schräg angeschaut“ wurden. All das war und ist dort in der Kultur schon immer Tradition.

Gerade deshalb kann die dortige Jugend deutlich experimentierfreudiger damit umgehen und es einfach tun. Die japanische Jugend – wie Du Christian es formulierst - mit einem sich bildenden Lebensstil also experimentieren. Insbesondere auch deshalb, da das Internet heute dieser Jugend zur Verfügung steht.
„Alter“ ist für mich, lieber Christian, übrigens kein Thema. Alter spiel lediglich eine Rolle bei gut gereiftem Käse.

Ich sehe die westeuropäischen, Rocktragenden Mann durchaus als kulturelle Bewegung. Männer wollen sich in eine traditionell weseuropäisch geprägte Männerrolle nicht weiter pressen lassen.
Denn es kann m.M.n. nicht angehen, dass Männer zwar nach wie vor Pflichten (Beschützer- und Versorgungsrolle) für Frauen behalten dürfen, Rechte aber faktisch nicht mehr gegeben sind. Eine Art Gesellschaftsumbau mit freien Entscheidungsmöglichkeiten des Mannes, auch in seiner Mode, erscheint mir nötig.

Klasse Beschreibungen habt ihr beide, Christian und Asia Harry, geliefert:
Zitat Christian:
„Weil ich mich gut fühle, wenn ich mich schick kleide. Ich fühle mich auch in traditioneller Männerkleidung, die schick ist, besser. Aber es ist noch schöner, die Grenzen nicht so eng zustecken. Vor allem ist es auch ein wenig aufregender.“
Und ein nahezu genialer Schlusssatz von Asia Harry:
„Visual Kai ist für mich ein gutes Beispiel was Bekleidung sein sollte: etwas was Spaß macht.
Nicht dieses peinliche Aufdrängen von Dresscodes oder No Go´s, einfach nur Spaß. Menschen die Spaß haben sind fröhliche Leute, und Fröhliche Leute sind glückliche Leute. Aber wenn ich heute durch die Stadt gehe, dann sehe ich nur wenige fröhliche Leute.“
Lasst uns also gemeinsam daran arbeiten, dass sich mehr fröhliche Leute auf den Strassen zeigen.

LG
Skirt