Bevormundung?
Wie sähe wohl der Alkoholkonsum aus, wenn keine Alkoholsteuer erhoben würde? Oder noch härter: Wie weit verbreitet wäre wohl der Konsum harter und härterer Drogen, wenn das Betäubungsmittelgesetz sie nicht verböte? Wie groß wäre die Aufregung, wenn die Kunden nur noch krumme und schiefe Gurken und Bananen kaufen könnte? Warum muss man überhaupt seinen Führerschein machen, warum kann man nicht einfach so fahren? Sind Verkehrsregeln übrigens nicht auch Bevormundung?
Die Erfahrung zeigt doch, dass ein Großteil der Menschen Verhaltensrichtlinien braucht. Klar schränkt das die ein, die über 'gesunden Menschenverstand' (eigentlich ein Oxymoron

) verfügen. Ziel sollte es aber sein, durch solche Richtlinien das Verständnis für gesellschaftlich gewünschtes und ungewünschtes Verhalten in die Breite zu tragen. Wie wir leben ist kein natürlich entstandener Zustand sondern das Ergebnis gesellschaftlicher Selbstregulierung. Dass
laissez-faire nicht immer im Sinn jedes einzelnen ist oder gar der Gesellschaft, sieht man doch z.B. an dem Problem des Übergewichts, das in den USA schon 15 Jahre weiter ist als hierzulande.
Zuerst: Glueckwunsch, dass Du es geschaft hast. Aber, sich auf ein Gesetz zu
berufen ist so eine Sache. So wie Du das schilderst, sieht das mehr
nach Abgeben der Verantwortung aus.
Ich halte es da gerne mit Elrond: 'Menschen sind schwach!'
Ergänzend zu oben kann ich noch schreiben, dass Menschen natürlich lernen müssen, mit ihrer Freiheit und Selbstverantwortung umzugehen. Man kann sie aber nicht schutzlos allen Verlockungen und Gefahren aussetzen. Nein, mit der Volljährigkeit hat sich an der kindlichen Unfähigkeit zur Reflexion und Urteilsfindung nicht viel geändert. Das sind Fähigkeiten, die erworben werden müssen.
Ich bezeichne mich zwar gerne als Misanthrop, tatsächlich versuche ich damit aber eigentlich nur zu vermitteln, dass Menschen eben nicht alle über die gleichen hohen mentalen Fähigkeiten verfügen. Es ist schön für Euch, wenn Ihr alle über dieses enorm hohe Maß an Selbstdisziplin verfügt, um ohne rechtlich-soziale Leitplanken auszukommen. Aber ich will mal sehen, wer dann tatsächlich anfängt, alle Fußnotentexte und alles Kleingedruckte zu studieren. Wer seine Nahrung selbst zieht, weil keine Inhaltsangaben mehr auf den Produkten stehen. Wer überhaupt noch wagt, Lebensmittel zu kaufen. Es ist doch bevormundend, dass der Landwirt kein DDT oder Nikotin mehr auf den Feldern ausbringen darf, es ist doch bevormundend, dass die Viehwirte keine Antibiotika verfüttern dürfen und kein Genvieh züchten dürfen. Wer würde wohl jedes Mal eine komplette Analyse seines Essens machen, um sowas auszuschließen? Niemand, richtig. Bevormundung?
Ich finde, dieses Gesetz reiht sich ein in ein Phaenomen, das uns seit ca.
einem Jahrzehnt schleichend widerfaehrt: Bevormundung und Gaengelung.
Mich wundert einfach nur, dass die meisten Menschen das einfach so
schlucken und es auch noch als "Fortschritt" bezeichnen:
Ich für meinen Teil biete meine Expertise und meinen Sachverstand, über den andere nicht verfügen, gerne ein. Im Gegenzug erwarte ich von meinem Umfeld, dass sie ihre Expertise und ihren Sachverstand einbringen, über den ich nicht verfüge. Aber es gibt Lücken. Dahingehend begrüße ich gesetzliche Vorgaben, die mir abnehmen, mich in jedes verfluchte Thema einarbeiten zu müssen. Da jeder andere Lücken hat, müssen eben alle Gebiete abgedeckt sein.
-Bevormundung durch die Industrie. Viele technische Produkte lassen
sich erst nach ausfuehrlichem Studium der Gebrauchsanleitung benutzen.
Und das dann in der Weise, die von den entsprechenden Produktdesignern
vorgegeben werden. (Dieser reduzierte Funktions/Bedienungs- umfang ist
natuerlich kostenguenstiger zu produzieren)
Blödsinn. Entschuldige die Wortwahl. Klar sind es marketingpolitische Gründe, weswegen Features zugänglich gemacht werden oder nicht. Tatsächlich ist es in den meisten Fällen schlicht Unvermögen der Designer bzw. Ingenieure, schlaue und eingängige Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine zu entwerfen. Das es besser geht, zeigt Apple und oftmals auch die Free-Software-Bewegung. Aber sowas ist kein Kinderspiel sondern erfordert umfassendes Verständnis und Vorstellungsvermögen von den beschränkten technischen Fähigkeiten der Käufer.
Solange aber technische Daten und nackte Zahlen mehr zählen als Komfort und Bedienung, wird sich daran auch nichts ändern. Apple ist aus dem Zirkus ausgestiegen, dafür mussten sie aber ihre Produkte als Lifestyle-Devotionalien positionieren. Soviel also zum aufgeklärten und rationalen Konsumenten. Ohne diese Positionierung würden sich Apple-Geräte kaum verkaufen. Aber sie versprechen auch nicht mehr als sie liefern.
-Bevormundung durch Software. Je moderner eine Software ist, desto
weniger Moeglichkeiten hat man, sie nach eigenen Vorstellungen und
Beduerfnissen umzukonfigurieren. Warum auch, die
Softwareprogrammierer wissen ja schliesslich was fuer uns gut ist..
(Und damit schliesst man schliesslich Supportanfragen der
scheinbar zunehmenden Analphabeten von vornherein aus)
Ebenfalls Blödsinn. Ebenfalls bitte ich um Entschuldigung. Konfigurationsoptionen erhöhen die Komplexität einer Software. Um ihre Stabilität und Funktionsfähigkeit zu gewährleisten, müsste eine Software in allen Kombinationen an Konfigurationsoptionen getestet werden. Da gilt es dann Kompromisse zu machen und sinnvolle Voreinstellungen zu finden. Was gut genug ist für 90 % aller Anwender, muss dann eben reichen. Dank Marktwirtschaft und Wettbewerb gibt es dann aber bestimmt ein anderes Produkt, was den verbliebenen 10 % eher liegt.
Gerade viele Software aus dem UN*X-Lager folgt der Devise, möglichst wenig Funktionen, diese dann aber möglichst ohne Fehler zu bieten.
Außerdem sehe ich den Wunsch nach Konfigurationsmöglichkeiten zur Anpassung an die eigenen Bedürfnisse mittlerweile sehr skeptisch. Oftmals verpackt man darin nur die eigene Unfähigkeit, sich auf etwas Neues einlassen zu können oder zu wollen. Ich habe mich damals gegen PCI gewehrt, ich habe mich gegen Desktopdesigns gewehrt, ich habe mich gegen USB gewehrt. Verdammt, war ich konservativ. Heute begrüße ich Änderungen, eröffnen sie mir doch einen neuen Blickwinkel auf etwas scheinbar Gewohntes. Das darf man auch gerne auf Mode übertragen.
Ich wundere mich einfach nur, dass das alle so hinnehmen.
Anspruch an Autarkie, Selbstbestimmtheit- wohl alles Vokabeln einer
vergangenen Epoche.
Ich bin ein großer Befürworter von Autarkie, aber es gibt eben auch Menschen, die man nicht allein im Regen stehen lassen kann. Aber ich da ich auch hochgradig flexibel bin, kann ich mich auch an deren Vorgaben anpassen. Ich sehe es auch so, dass sich niemand in seiner Selbstbestimmtheit verletzt sieht, wenn Gurken gefälligst gerade zu sein haben. Die Liebhaber krummer Gurken sind in einer leidenschaftslosen Minderzahl. Und die Landwirte wissen mittlerweile, dass sich gerade Gurken auch besser verkaufen. Wenn Kondome eine bestimmte Länge haben sollen, dann soll das auch gewährleisten, dass sie nicht kleiner sind.
LG
Masin