Neues Thema im Versuch Abstand zu den Unterbekleidungsfragen zu verschaffen:
Meine Frau und ich sitzen vor anderthalb Monaten mitten in Como draußen vor einem Café auf einem kleinen ruhigen Platz, der fast menschenleere Straßen verbindet. Ein Mann und (vermutlich) seine 7-8 jährige Tochter kommen spazieren und stehen dann zirka 20 Meter von uns entfernt still. Sie reden miteinander auf Italienisch, sehen aber nach Touristen aus. Das Mädchen lacht, tanzt ein paar Mal um den Vater herum und gestikuliert, als ob es ihn gerne von irgendetwas überzeugen oder von ihm erreichen will. Der Vater lächelt zurück, scheint aber nicht ganz überzeugt zu sein.
Der Mann sieht ganz gewöhnlich aus: Blaues Hemd, knielange beige Shorts, kurze schwarze Haare. Das Mädchen hat ein kurzes, luftiges hellblaues Kleid an, Sandale an den Füssen und an der rechten Hand ein elastisches Armband aus Plastikkugeln in drei-vier verschiedenen Farben. An sich nichts Merkwürdiges. Aber dann werde ich auf ihren Haarschnitt aufmerksam. Wäre es nicht um diese Frisur, hätte ich mich nicht mehr für dieses Ereignis interessiert und es sofort wieder vergessen. Schwarze, kräftige Haare wie die ihres Vaters hat sie, nur sehr kurz. Auch Mädchen haben oft kurze Haare, aber nie sehen sie doch so aus wie bei diesem Kind. Kein Versuch ist gemacht, um es auch nur ein bisschen mädchenhaft zu machen. An den Seiten und am Hinterkopf nur wenige Millimeter lang, oben auf dem Kopf 1,5-2 cm.
Selbst nach einer eventuellen Chemo-Behandlung braucht es an einem Mädchen nicht so aussehen. Nein, der Haarschnitt ist genau das, was einige Jungen, besonders im Sommer, haben oder mal hatten. Eine sehr markante Bürstenfrisur.
Sie stehen beide noch da und plaudern. Könnte es um einen Jungen im Kleid handeln? Die Gesichtszüge sind tatsächlich mehr die eines Jungen als die eines Mädchens, obwohl es bei diesem Alter schwer festzustellen sein kann. Die Bewegungen und die Stimme, die ein paar Mal zu hören ist, deuten auch an einen Jungen. Das Kleid, das Armband und die leichten Sandale sagen aber eindeutig Mädchen. Und warum sollte ein Junge total als Mädchen gekleidet gehen? Umgekehrt, warum sollte ein Mädchen eine so ausgeprägte Jungenfrisur haben?
Dann kommen die Mutter und die kleine Schwester dazu, auf die sie angeblich gewartet haben. Die Mutter und die um die vier Jahre alte Schwester sind beide im Kleid, und beide haben lange Haare. Als sie dabei sind, weiterzugehen, kommt ihnen ein älteres Ehepaar zu. Es sieht nicht aus, als ob sie sich vorher kennen. Die ältere Frau lächelt freundlich, sagt ein paar höfliche Worte, zeigt dann an das große Kind und stellt eine Frage. Die Mutter erklärt ihr lächelnd etwas, indem sie mehrmals an das Kind deutet und danach auch an ihren Mann, der dabei ein bisschen verlegen aussieht. Die ältere Frau nickt wiederholt, als ob sie es versteht. Auch das Kind nickt zustimmend. Dann lachen sie alle, auch die Männer, die bisher nichts gesagt haben. Die ältere Frau streichelt freundlich das Kind an den Arm und sagt ihm ein paar Worte, und dann verabschieden sie sich. Das alles kann wohl um drei-vier Minuten gedauert haben.
Ich fühle mich aber nun ganz sicher, dass es um einen Jungen handelt.
Die unbeantworteten Fragen:
Warum wollte der Junge total in Mädchenklamotten gehen und nicht nur im Kleid, wenn er doch dazu diese ausgeprägte Jungenfrisur hatte?
Wie konnte die Mutter so schnell der älteren Frau die Sache erklären und wohlbemerkt angeblich Verständnis dafür bekommen?
Und dann noch dazu:
Wenn ich ja auch dafür bin, dass Männer als etwas Natürliches Röcke/Kleider tragen können sollten, wäre es, glaube ich, mit einem Kind, für dessen Wohl ja die Eltern die volle Verantwortung tragen, doch etwas anderes. Und irgendwie fand ich es, trotz meiner behaupteten liberalen und freisinnigen Einstellung, nicht so ganz in Ordnung.
Was meint ihr dazu? Wäre es für euch OK, möchte der eigene Sohn so gekleidet gehen? Oder wo würden eure Grenzen liegen?
Gruß
Gregor