Hallo Gregor,
Dass ein Mann sich verpönen und verspotten lässt, ist OK, so lange er alleine lebt. Ist er aber in einer Ehe, fällt es auch auf seine Frau und ihre Kinder zurück.
Halten wir mal fest, dass das völlig unabhänig von dem Thema Gleichberechtigung ist. Wenn Frau sich keine Vorschriften machen läßt, was sie anziehen darf und was nicht, dann hat der Mann dieses Recht ebenfalls.
Und nun zum Zurückfallen auf die Familie. Was ist das denn bitte für ein Familie, in der das vermutete(!) Gerede anderer Leute mehr wiegt, als der Wunsch eines Familienmitglieds nach freier Entfaltung? Was ist denn dieses "auf die Familie zurückfallen" eigentlich? Es ist nichts anderes, als die Angst, dass man in der Bewertung anderer plötzlich schlechter abschneidet. In einem eingebildeten Wettbewerb, in dem es offenbar darum geht, besser zu sein, als die anderen oder zumindet darum, nicht schlechter zu sein als der Durchschnitt.
Selbst wenn man diesen absurden Wettbewerb akzeptiert - wer bitte hat denn bestimmt, dass ein Mann im Rock zur Abwertung der Familie führt? Was ist denn ein Mann im Rock? Ein Mann mit Mut, Rückgrat, Selbstbewußtsein! Ein Mann, der seinen Weg geht. Ist das nicht wichtiger, ehrenvoller und vor allem männlicher als Mitläufertum und Massenkonformität? Doch, ist es.
Aber dieser Wertemaßstab ist nicht anerkannt, weil die meisten von Eltern erzogen wurden zu deren Zeit Massenkonformität das höchste erstrebenswerte Gut war. Das sitzt immer noch in den Köpfen fest und bestimmt die Wertemaßstäbe in unserem lustigen Wettbewerb. Es ist höchste Zeit, das wir das überwinden.
Die Aussage einer Frau, dass das auf sie zurückfällt enthält noch einen weiteren Aspekt, nämlich den der Abwertung. Denn zurückfallen kann es ja nur auf sie, wenn er nicht in der Lage ist, seine Kleidung selbst auszusuchen und demnach sie für den Rock verantwortlich ist. Oder wenn sie ihn nicht "unter Kontrolle hat". Das ist aber eine denkbar schlechte Grundlage für eine Beziehung, denn eine Beziehung oder eine Familie sollte nicht auf Besitz und Kontrolle basieren, sondern auf Unterstützung und Freiheit. Weder Beziehung noch Ehe noch Familie darf ein Gefängnis für irgendjemanden sein, sonst geht das früher oder später schief. Was wir als Midlife-Crisis kennen ist imho nichts anderes, als die späte Erkenntnis, sich selbst in einen Käfig gesperrt zu haben und der Versuch, etwas eigenes Leben nachzuholen.
Ich drehe den Spiel mal um: Wenn meine Frau morgen auf die Idee kommt, sich die Haare pink zu färben, dann mag mir das nicht gefallen. Aber warum sollte ich ihr das verbieten? Weil es andere nicht tun? Weil mir es nicht gefällt? Weil andere reden könnten? Weil sie sagen könnten "Was hat der denn für eine Frau?". Das sind alles rein egoistische Motive. Letztendlich muss ich also eine Entscheidung treffen: Was ist mir wichtiger? Meinen persönlichen Geschmack an ihr durchzusetzen, das Gerede der Anderen oder die Freiheit meiner Frau? Diese Entscheidung ist einfach: Die Freiheit meiner Frau, das zu tun, was sie glücklich macht. Auch wenn mir pinke Haare nicht gefallen: Ich würde sie zum Friseur begleiten, die Farbe mit ihr aussuchen und sie gegen jeden verteidigen, der ihren Mut zu pinken Haaren in Frage stellt.
Und genau das erwarte ich auch umgekehrt. Ich weiß, dass das nicht immer einfach ist, aber nur, wenn wir in einer Beziehung, Ehe, Familie, frei bleiben und uns entfalten können, werden wir zusammen glücklich sein. Nicht, wenn wir uns gegenseitig unterdrücken um irgendwelchen Idealen zu entsprechen.
Hugh, ich habe gesprochen.

Mann, bin ich heute in Stimmung für einen gepflegten Rant...
