Um dann Tines Frage zu beantworten: Ich hätte mir eben Eltern gewünscht, die eben hinter einem stehen können, weil sie selber zu sich stehen. Das zieht sich quer durch meine Kindheit und Jugend und bis heute. Besonders deutlich wurde die ganze Geschichte, als ich eben anfing, Röcke etc zu tragen. Mit der Zeit ist mir dabei zweierlei bewusst geworden, als ich anfing mein Leben zu reflektieren: Zum einen, dass meine Eltern es nicht fertigbrachten, zu sich selber zu stehen und damit für mich keine wirkliche Stütze waren, da sie Angst insbesondere vor der Umgebung hatten, auf der andern Seite, dass ich es ebenso wenig auf die Reihe kriege zu mir zu stehen und mein Ding einfach durchzuziehen. Stattdessen laviere ich rum, versuche ich dauernd es anderen (wie meine Eltern auch) recht zu machen, ziehe beispielsweise im Zweifelsfall lieber 0815-Kleidung an, statt das, was ich in dem Moment gerade will, oder tu nicht einfach das, was ich gerade tun will. Angst davor, dass man sich nicht verteidigen kann, ist auch ein Motiv. Wichtig ist daher - das sag ich aus eigener bitterer Erfahrung, dass Kinder lernen sich adäquat zu verteidigen, anstatt lernen ihre Persönlichkeit (Wünsche, Sehnsüchte, Kreativität...) zu unterdrücken aus Angst vor Mobbing. Und gemobbt und schikaniert wird in der Regel derjenige, der sich nicht wehren kann. Sich zu unterdrücken macht außerdem mit der Zeit sehr depressiv.
Hallo Asterix.
danke für Deine Antwort. Ich vermute, dass so gut wie jeder die eine oder andere Schwierigkeit im Leben hat, die mit einer andern Vorbereitung im Elternhaus, so nicht bestehen würde.
Auf der andern Seite hast Du eine Antwort ja schon selbst gegeben:
Zum einen, dass meine Eltern es nicht fertigbrachten, zu sich selber zu stehen und damit für mich keine wirkliche Stütze waren,
Vermutlich haben Deine Eltern selbst darunter gelitten, dass sie nicht zu sich stehen konnten. Am Ende leiden sie heute noch deswegen. Möglicherweise sind sie sich dessen gar nicht bewusst. Und ich bin zu 100% sicher, dass sie, hätten sie die Möglichkeit gehabt, Dich mehr unterstützt hätten. Sie konnten es nicht besser, vermutlich haben es Ihre Eltern auch nicht gekonnt, haben ihnen eben auch nicht die Unterstützung geben können, die sie gebraucht haben.
Alle Eltern wollen das beste für ihr Kind, aber sie können nicht mehr geben oder vorleben, als sie selbst haben. Ich habe mich vor nicht allzu langer Zeit auch mal mit meiner Familie auseinander gesetzt. Letztendlich hat diese Betrachtung zu großer Hochachtung von meinen Eltern geführt. Sie haben beileibe nicht alles "richtig gemacht" bei meiner Erziehung. Aber im Rahmen Ihrer Möglichkeiten haben sie immer alles gegeben und das rechne ich ihnen hoch an.
Jetzt bleibt noch die Frage, ob Eltern ihre Kinder vor der Umwelt schützen können, indem sie ihnen abweichendes Verhalten ausreden oder indem sie ihnen beibringen, sich zu verteidigen.
Nur wie soll das gehen, sich zu verteidigen? Krafttraining, Boxkurs, Karatestunden? Rhetorikseminare für Kindergartenkinder?
Für mich der einzige Weg das Kind zu stärken ist sein Selbstbewusstsein und sein Selbstvertrauen zu fördern. Und das passiert nicht beim Kleiderständer. Das ist eine Aufgabe, die in so gut wie jedem Gespräch mit dem Kind zu bewältigen ist, indem die Eltern das Kind als eigene Persönlichkeit respektieren, die Gefühle des Kindes ernst nehmen, versuchen, die Beweggründe des Kindes zu verstehen und mit dem Kind die sinnvolle Lösung suchen.
Wo es mich immer schüttelt, ist beim Essen: Kind: Das schmeckt mir nicht. Mutter: Doch das ist gut! Wenn das Kind sagt, dass ihm das Essen nicht schmeckt, ist es seine eigene Wahrnehmung, der es normalerweise vertrauen sollte. Jetzt kommt die Mutter (oder der Vater oder wer auch immer) und erklärt dem Kind, dass es nicht recht hat, weil das Essen doch gut schmeckt. Wie kann das Kind so lernen, seinen eigenen Impulsen zu vertrauen und sich sicher zu fühlen?
Oder das Kind hat Angst und der Erwachsene sagt, es braucht keine Angst zu haben. Wieder ist der Eindruck des Kindes "falsch". Und das Spielchen läuft schon lange vor dem Kindergarten.
Diese Haltung wandelt sich zunehmend, was auch sehr, sehr gut ist. Wir sollten das unsern Eltern nicht verübeln, sondern versuchen, es bei unsern Kindern besser zu machen. Leider habe ich vieles selbst viel zu spät verstanden und ich hoffe, meine Kinder werden mir auch irgendwann mal zugute halten, dass ich es einfach nicht besser wusste.

Viele Grüße
Tine
PS: Unser Sohn war aus eigenem Antrieb mit Rock im Kindergarten. Und wir dachten, wir hätten ihn auch entsprechend unterstützt und selbstbewusst erzogen... leider Fehlanzeige.