Lieber Jo,
ich habe eben bei einem Einkaufsgang nochmal über unsere Unterhaltung nachgedacht.
Da möchte ich 1. fragen:
Was meinst Du oder meint man mit "Belehrung"?
a. "Bevormundung" oder
b. "Jemanden auf Fakten, Zusammenhänge usw. aufmerksam machen. die ihm bisher entgangen sind" und "jemanden auf für ihn neue Gedanken bringen".
Mir scheint, auch nach deinem letzten Posting, Du meinst ersteres. Ich meine aber auf jeden Fall zweiteres.
Und 2. kam mir etwas in Erinnerung, auf das mich letztens (per Buch, nicht persönich) kein Geringerer als der berühmte Ägyptologe Jan Assman gebracht hat und was ich dann versucht habe, meinen Studierenden weiter zu vermitteln: Er hatte nämlich mit seinem Buch "Moses der Ägypter" die Leser zu Reaktionen provoziert, die er nicht erwartet hatte. Diese hatten aus dem Buch etwas herausgelesen, das er beim Schreiben nicht intendiert hatte. Er dachte darüber nach und kam zu dem Schluss, dass man seinen Text tatsächlich so lesen könnte, und vertiefte in dem Buch "Die Mosaische Wende" diesen Inhalt, den er in sein erstes Buch unbewusst so nebenbei heingebracht hatte.
Weiter schrieb er, dass es so ja auch mit der Bibel und anderen Texten gehe: Da steckten Inhalte drin, die die jeweiligen Autoren evetuell gar nicht intendiert haben. Das gehe mit vielen Texten so. So würden Texte mehrdeutig. Und beim Lesen lese man vieles aus dem je eigenen Lebenskontext hinein in den Text, man lese den Text mit einem bestimmten Erkenntnisinteresse. Oder mit einem bestimmten Vorverständnis. Das sei das, was Theologen eigentlich ständig tun wenn sie ihre jeweilige Heilige Schrift interpretieren. Diese Möglichkeiten eines Textes, verschieden gelesen, verstanden, interpretiert zu werden, nennt Assmann "das semantische Potential eines Textes".
Auf unser Thema angewandt: Monika Bittl las meinen Text mir ihrem spezifischen Erkenntnisinteresse und Vorverständnis. Und so las sie da etwas heraus, was ich nicht intendiert habe, was aber in ihm steckt. Ich muss also, will ich so ein Verständnis - in meinen Augen ein Missverständnis - vermeiden, muss ich bei künfitgen Texten anders verfahren. Leider bräuchte ich ihre genauere Analyse und Kritik, um genau zu verstehen, warum sie den Text so verstanden hat, wie sie ihn verstanden hat. Aber die Auskunft verweigert sie mir ja, indem sie kein Interesse an einem Austausch zeigt. Ich müsste jetzt also versuchen, ihr Verständnis aus ihrer Sartiere herauszulesen. Dabei kann ich aber wiederum etwas heraus lesen, was sie nicht intendiert hat. Es ist also schwierig.
Deshalb bin ich Dir so dankbar, dass Du versuchst, mir zu erklären, was sie vielleicht gemeint hat.
Ob sie nun als Bayerin auf uns Preußen, Nordlichter, Fischköppe (ich bin weder noch, sondern Rheinländer) oder was auch immer herabblickt und sich deshalb nicht belehren lassen will, weiß ich nicht. Ich möchte das den Bayern und Bayerinnen nicht einfach so unterstellen. Ich habe nichts gegen Bayern, trinke gerade ein sehr leckeres bayerisches Bier (Paulaner Braumeister Ediiton Weibersud: obergärig, rötlich, hefig-trüb: süß-herb, citrusfruchtig, auch etwas nach tropischen Früchten, hefig, würzig, vollmundig dabei; ähnlich "unserem" rheinischen Gaffel Sonnenhopfen). Also keine preußisch- oder rheinisch-bayerischen Stereotypen!
Und wenn Du andere Motivationen für Dein Röcketragen hast als ich, so seien sie Dir gegönnt! Jeder Jeck ist anders.
Ach ja: Dein Beispiel mit dem Christen und dem Kreuz brachte mich zu dem spontanen Gedanken: Ja, warum soll er sein Kreuz auch sonst tragen? Nur als Schmuckstück? Und mir fiel ein Erlebnis mit einem Christen ein, der ein T-shirt trug mit einer Aufschrift. Ich fragte ihn, was das bedeute. Er meinte, das habe keine Bedeutung, es müsse doch nicht überall eine Botschaft mit verbunden sein. Tja, das zu den Christen, der eine so, der andere so.

LG, Michael