Hallo Lea,
Lass mich auch mal ein paar Worte dazu sagen... Ich habe vor etwa einem Jahr angefangen auch Röcke zu tragen und auch ich habe Familie. Meine Erinnerung ist also noch recht frisch und ich kann beide Seiten ganz gut nachvollziehen.
Ich möchte etwas ganz wichtiges vorausschicken: Was immer dein Vater da macht, es ist nicht mit Psychologen, Therapien oder ähnlichem behandelbar, denn es ist kein Krankheit. Er hat nur den Mut, das nach außen hin zu zeigen, was er wirklich ist. Die Frage nach den Gründen kann allerdings nur er beantworten, denn es gibt ganz unterschiedliche Gründe dafür. Prinzipiell kann man zwei Gruppen unterscheiden: Die eine Gruppe Männer macht das aus modischen Gründen, weil die Männermode schlicht langweilig ist oder um gegen Geschlechterrollen zu protestieren. Die andere Gruppe macht das, weil sie damit einem Teil ihres Selbst Ausdruck verleiht. Alle Menschen haben sowohl weibliche, als auch männliche Anteile. Je nach unserem biologischen Geschlecht, lernen wir die jeweils andere Seite zu unterdrücken. Wenn die männlichen und weiblichen Anteile in etwa gleich sind, dann läuft das auf einen Mann heraus, der eben seine weibliche Seite auch über die Kleidung ausdrückt. Wenn die unterdrückte weibliche Seite deutlich größer war, als die männliche Seite, dann fühlt sich der Mann in seinem biologischen Körper nicht wohl und wäre lieber eine Frau. Und dann gibt es noch diejenigen, die einfach einen sexuellen Fetisch für Frauenkleidung haben, bei denen also nicht die Geschlechtsidentität oder das soziale Rollenverhalten eine Rolle spielt, sondern die eigene Sexualität. Was davon auf deinen Vater zutrifft kann nur er beantworten und ich vermute mal, er könnte es selbst noch nicht genau sagen. Oft sind die Übergänge auch fließend.
In welche Schublade er nun gehört, spielt für euch aber im Grunde nur eine unbedeutende Rolle, denn euer Problem dreht sich nicht um ihn, sondern um euch. Ich kann euch nur empfehlen, das Problem mit Liebe anzugehen und nicht mit Therapie und Unterdrückung. Ersteres mag zu einer optisch interessanten Familie führen, letzteres führt aber früher oder später zum Zerbrechen der Familie. Euer Vater macht das nicht, um euch zu ärgern, sondern etwas drängt ihn dazu. Etwas, das er vielleicht selbst nicht ganz versteht. Ihr könnt nun wählen, ob ihr ihn verurteilt, oder ihm helft. Wenn es euch nur um euch selbst geht, um die "Normalität", dann zwingt ihn wieder zurück in das genormte Rollenverhalten und ihr werdet mit hoher Wahrscheinlichkeit erleben, wie er und eure Familie daran zerbricht. Denn er kann das nicht wieder unterdrücken und wenn ihr es trotzdem von ihm fordert, wird er es sehr wahrscheinlich heimlich ausleben. Wenn ihr ihn aber liebt und es euch vor allem um ihn geht, versucht ihn zu verstehen und ihn bei der Suche nach sich selbst zu unterstützen.
Er sagte mir nur, das muss er allein mit Mama klären und ich solle mich nicht einmischen.
Ich würde das nicht als Herabsetzung werten, er hat vermutlich gerade genug damit zu tun, das deiner Mutter irgendwie zu erklären. Das ist in der Tat erst einmal wichtiger und ich bin sicher, wenn das soweit geklärt ist, wird er mit dir nochmal in Ruhe und im Detail darüber reden.
Das ich ihn akzeptiere wie er ist, das weiß er ja. Und es tut ihm leid, dass ich jetzt Probleme mit Kumpels habe. Er wollte das nicht und er hätte schon eher mit mir reden sollen.
Meine Tochter ist genauso alt wie du und hat irgendwo natürlich das gleiche Problem. Ich habe sie gerade mal gefragt, und wenn du möchtest, tauscht sie sich gerne mal mit dir aus.
Es geht ja schon 2 Jahre so. Er wollte anfangs wissen wie es ist, warum Mama und ich so gerne Röcke tragen, was das für ein Gefühl ist und er hat es genossen. Daraus entwickelte sich eine Liebe zu den angenehm leichten Stoffen und so kam Eines zum Anderen.
Ich kann das verstehen, aber ich glaube irgendwie nicht, dass das alles ist. Das Problem ist natürlich, dass du ihn in der Stadt erwischt hast und er damit rechnen musste, dass deine Mutter davon erfährt. Da war die Flucht nach vorne und das Outing vor der Familie der einzig mögliche Weg. Er ist damit ein hohes Risiko eingegangen und ich denke, das geht man nur ein, wenn einem etwas wirklich sehr wichtig ist. Ansonsten hätte er es auch als verlorene Wette oder ähnliches verkaufen können.
Er hat nie mit jemand darüber gesprochen. Er hat ja eine berufliche Stellung zu verlieren. Eine Reputation. Und das will er nicht verlieren. Auch Mama will er nicht verlieren. Aber er will auch nicht auf die Kleidung verzichten.
Das mit der beruflichen Stellung ist so eine Sache, das kennen wir alle. Das wird aber eigentlich erst dann zum Problem, wenn man die Kleidung auch beruflich tragen will und das passiert in der Regel auch nur dann, wenn das wirklich ein Identitätsproblem ist, wenn er also wirklich lieber eine Frau wäre. Oder wenn man einen toleranten Arbeitgeber hat, dem die Kleidung egal ist. Was macht er denn beruflich, wenn ich das fragen darf?
Die Tatsache, dass er weder berufliche Reputation, noch deine Mutter verlieren will, aber auch nicht auf die Kleidung verzichten kann, ist meiner Meinung nach ein Hinweis, dass er einem inneren Drang folgt und das ist ein wenig wie Pandoras Büchse: Einmal geöffnet, bekommt man sie nicht mehr zu. Es wäre deshalb auch sinnlos, von ihm zu fordern, dass er das nicht mehr macht. Ihr könnt ihn nur unterstützen und das bedeutet aber auch, sich hinter ihn zu stellen und ihn nach außen zu verteidigen. Das ist nicht einfach, aber ihr müsst euch überlegen, was euch wichtiger ist: Die Meinung der Anderen oder dein Vater. Ich denke, die Antwort ist einfach...
Ich habe ihm von der Seite hier erzählt und er will darüber nachdenken und sich evtl. anmelden.
Er liest vermutlich schon mit, daher ein herzliches Willkommen und nur Mut. Wir sitzen alle im gleichen Boot.

Ich sagte ihm dann, ich trage Röcke nicht weil sie angenehm sind, sondern weil ich eine Frau bin und es einfach zu mir gehört. Außerdem habe ich schöne Beine. Und ich mag es wenn Jungs Stielaugen bekommen. Lach.
All das könnte auch für ihn eine Rolle spielen. Seine feminine Seite möchte auch Aufmerksamkeit - sonst wäre so nicht in der Stadt unterwegs.
Und Mama trägt eben gerne Businesskostüme. Keine Hosenanzüge wie dieser Dackel von Kanzlerin. Es sieht einfach edler aus und macht mehr her, eine Frau in einem schönen Kostüm oder schönen Kleidern. Wir wollen eben einfach schön sein und ich seine Prinzessin.
Und dein Vater darf das nicht? Im Sinne der Gleichberechtigung müsste man ihm das doch auch zugestehen, oder?
Oder kann es sein, dass ihr Angst davor habt, in den Augen der anderen plötzlich nicht mehr die angsehene Königin und Prinzessin zu sein, weil der König aus der Normalität ausbricht?

Privat trage ich auch mal Jeans und vor allem in der kalten Jahreszeit. Wir redeten dann noch bisschen über belangloses.
Dass Frauen bis vor wenigen Jahrzehnten keine Hosen tragen durften, weißt du? Die Frauen haben sich dieses Recht über lange Jahre erkämpft und das erforderte viele mutige Frauen und viele Verstöße gegen die herrschenden Normen. Dein Vater macht im Grunde nichts anderes - und aus eigener Erfahrung: Es gehört ein enormer Mut dazu, das zu tun. Wer freiwillig aus seinem Rollenverhalten ausbricht und sich der normierten Masse und ihren Angriffen aussetzt, der braucht Balls of Steel. Das schaffen nur echte Kerle.
Und dann machte ich noch den Vorschlag, da jetzt ja Faschingsaison ist, er solle halt einfach mal mit Mama die Rollen tauschen zum Fasching. Er mal als Frau und Mama als Mann. Mit Mama werde ich heute noch reden.
Gute Idee, ich bin gespannt.

Aber das löst vermutlich nicht das Alltagsproblem.
Ich komm mir grad vor wie so ein Vermittler bei Lufthansa Streiks. Zwischen den Stühlen.
Vielleicht ist das genau deine Aufgabe gerade. Die Frage ist: Wo stehst du selbst?
Aber Papa muss sich Mama genauso öffnen wie mir, sonst wird das nichts. Er war immer so stark, so erhaben und jetzt ist er nur noch ein Häufchen Elend. Es tut mir echt weh, ihn, aber auch Mama so leiden zu sehen.
Bitte besorgt euch mal diesen Film und schaut ihn euch gemeinsam an:
Eine Frage der LiebeIch denke, beide Seiten werden sich darin sehr gut wiederfinden.