Micha, aus Deinen Worten schließe ich, dass Du Dich wohl besser aus dem Forum zurückziehen solltest, da bestimmt in anderen Foren wichtigere Themen als das marginale männliche Rocktragen behandelt werden.

Natürlich, Micha, gibt es andere wichtige Themen. Das schließt aber nicht aus, dass es weitere wichtige Themen gibt, die einen individuellen Menschen bedrücken können.
Und da möchte ich nun nicht nur für die heterosexuellen männlichen Rockliebhaber sprechen, sondern ausdrücklich auch alle denkbaren LGBTQ+-Gruppen mit einschließen. Wer ein Unwohlsein spürt, der sollte versuchen, das Unwohlsein - oder soll ich sagen Unbehagen - zu reduzieren.
Wenn Du Deine Aufmerksamkeit und Deine Überzeugungskraft lieber in den Klimaschutz stecken möchtest, bitteschön. Es gibt Menschen, die investieren all ihre Kraft in Ziele des Klimaschutzes. Andere investieren viel Zeit in die Sicherung ihrer Rente, sicherlich auch ein wichtiges Anliegen. Andere setzen sich intensiv für Menschenrechte ein, tun aber nichts, um ihre Rente zu erwirtschaften. Und so weiter. Das eine zu tun, kann das andere ausschließen.
Das eine zu tun, MUSS das andere aber nicht ausschließen.
Es mag zwar richtig sein, dass andere Aufgaben der Menschheit wichtiger sind, einer Lösung näherzubringen. Ich halte es aber für falsch, die Bedeutung für die freie Entfaltung einer individuellen Person gegenüber anderen durchaus berechtigten Problemstellungen abzuwägen und dadurch zu marginalisieren.
Trotz einiger spürbarer aktueller Einschränkungen leben wir momentan noch immer nicht in einer Gesellschaft, in der es um das tatsächliche nackte Überleben geht.
Noch immer kann sich unsere Gesellschaft auch inneren sozialen Fragen annehmen. Noch immer können Menschen mit Depressionen versucht werden, angemessen behandelt (und ich meine mit behandelt nicht nur therapiert) zu werden. Ebenso können Menschen mit psychischen oder physischen Unzulänglichkeiten (und hier rede ich vielleicht etwas hochtrabend von LGBTQ+ und von allen möglichen männlichen Rockträgern in unserer Gesellschaft) versuchen, diese auszugleichen - oder zumindest zu reduzieren.
Nach diesen relativ unnötigen Gedankenausflügen möchte ich es auf den Punkt bringen:
So lange wir uns es noch leisten können, über Ungleichbehandlung von Frauen in unserer Gesellschaft zu sprechen, solange können wir auch allemals darüber reden, dass Männer gleiche Bekleidungsfreiheiten haben dürfen.
Jedoch, Micha, habe ich den Eindruck, dass der Kern meiner Botschaft - aus vor allem meinen beiden langen/längeren Beiträgen hier zuvor - bei Dir noch nicht ganz verständlich geworden ist. Vielleicht hilft da mehr als Überfliegen. Vielleicht ist die Botschaft auch zu kompliziert. Oder der vielschichtige Begründungsaufbau und die immer wiederkehrenden Floskeln, um das Gemeinte möglichst genau zu beschreiben oder jene Floskeln, um möglichst niemandem seelisch wehzutun, mögen den Kern der Botschaft verdecken.
Wie sollen wir die Gesellschaft weiterbringen, wenn wir uns selbst in diesem kleinen Ausschnitt der Gesellschaft, den wir bilden, nicht einig sind? Ach so, ja, wir wollen ja gar nicht alle die Gesellschaft weiterbringen, sondern sind zum Teil ganz zufrieden damit, am Wochenende zu bestimmten Anlässen Rock zu tragen.
Ja, die Akzeptanz eines Mannes im Rock, gleich welchen Mannes, ist in meinen Augen ein Weiterbringen der Gesellschaft.
Nein, mir geht es aber nicht um ein Weiterbringen der Gesellschaft in dieser begrifflichen Dimension.
Es geht mir um den Mann im Rock, der nicht LGBTQ sein muss, um gesellschaftlich akzeptiert zu werden.
Und es geht mir nicht um mich und um Dich, Micha, und um einige andere, die für sich schon viel erreicht haben in Beziehung Rock oder Kleid. Jedenfalls nicht primär.
Es geht mir um die Männer, die sich nicht trauen, Röcke zu tragen, weil sie sich es eben nicht trauen.
Es gehört nicht viel dazu, sich als Mann einen Rock anzuziehen: man muss ihn einfach nur anziehen.
Wenn die Forumsstatistik irgendwie Recht hat, so habe ich irgendwie 73 Tage und x Stunden hier im Forum verbracht, zusmmengerechnet. Soviel Urlaub habe ich in den letzten 8 Jahren noch nicht mal zusammengerechnet gemacht.
Und andere User habe ich schon gesehen mit deutlich mehr Online-Zeit hier im Forum.
Es muss Gründe geben, weshalb man soviel Zeit in diesem Forum und überwiegend rund um das Thema des Forums verbringt.
Ausserdem lese ich immer wieder, wieviele sich schwertun, im Rock unter die Leute zu gehen und ähnliches.
Wenn das Rocktragen am Mann einfach nur das Anziehen eines Rockes wäre, wäre unser Forum möglicherweise allenfalls ein reines Modeforum. Unser Forum ist aber auch ein Hilfeforum, das weit über die Frage welcher Stil passt zu mir hinaus geht.
Nein, nicht ein Weiterbringen der Gesellschaft ist es. Ein Weiterbringen der Männer, die ein Weitergehen wünschen, ist es, worauf ich hier abziele. Das kann nur mit Gewöhnung der Gesellschaft an uns einhergehen. Das kann nur einhergehen, indem der Gesellschaft bewusst/bekannt wird, dass es uns gibt. LGBTQ haben ihre eigenen primären Kanäle. Und Fürsprecher.
Passend zur Thread-Frage aber haben wir - nein, habe vielleicht nur ich - festgestellt, dass Männer, die nicht LGBTQ sind, die aber trotzdem Rock tragen wollen, keine Fürsprecher haben. Wenn ich diese Männer - der Verständlichkeit vielleicht bis zum Ende dieses Beitrags - nun expliziert mit "WIR" bezeichne und somit alle anderen, also Frauen und LGBTQ+, explizit mit diesem "WIR"-Begriff nicht einschließe - - - Wenn also "WIR" Fürsprache brauchen, so müssen WIR uns selbst mitteilen.
Kein anderer macht das für UNS. WIR müssen das machen. WIR, wenn WIR davon träumen, unser Leben lang nicht nur Hosen zu tragen. WIR, wenn WIR bisher UNS nicht trauen, wann immer WIR wollen, etwas anderes als Hosen zu tragen.
WIR, wenn WIR bereits erreicht haben, Röcke und Kleider zu tragen, wann immer WIR UNS danach sehnen, müssen das nicht machen. Und damit meine ich zum Beispiel Dich, Micha, und mich, Skirtedman.
Wenn aber dennoch MAS, JJSW, Skirtedman und so weiter UNS zu dem großen WIR zählen, so ist es sinnvoll, dass auch diese für das große WIR einstehen.
Also die einzigen Fürsprecher für das WIR sind kurz zusammengefasst:
WIR, die noch nicht das Röcketragen im erhofften Maß für uns erreicht haben
und WIR, die das für uns bereits in einem ausreichenden Maß erreicht haben.
Es geht nicht um den Umbau der Gesellschaft. Es geht um den Umbau, wie man UNS wahrnimmt.
Und Timper, es geht nicht darum, 100 Prozent der Männer für den Rock zu begeistern. Und seien es nur 3 Prozent, die begeisterungsfähig sind. Aber es geht darum, 100 Prozent der Männer zu erreichen, dass es diese 3 Prozent gibt, egal ob es ihnen gefällt oder nicht. Solange 90 Prozent der Männer denken, WIR seien alle LGBT, werden sich viele der 3 Prozent nicht trauen, sich so zu entfalten, wie sie sich (WIR UNS) das erträumen.
Aber wenn das sogar unter uns Foristen, die sich zum WIR zählen, so schwierig ist zu verstehen, dann scheinen wir wirklich vor einer sehr viel schwereren, vielleicht unlösbaren Aufgabe zu stehen, verglichen mit dem Hosentragen der Frauen.
Aber das kann es verdammtnochmal doch nicht sein!
Darum appelliere ich an das Fürsprechen für sich selbst.
Und ich appelliere an die, die schon mehr für sich erreicht haben, für das Fürsprechen für die, die noch nicht so viel erreicht haben.
Für die, die hier mehr oder weniger mitschreiben. Und für die nicht wenigen, die hier regelmässig still mitlesen.
LGBTQ ist sicherlich wichtig. Aber das WIR ist für UNS wichtig. Und für die, die in unser WIR noch nachwachsen.
(Und das nicht nur durch das Hochhalten der WIR-Fahne hier im Forum. Sondern durch das Bekenntnis zum WIR da draussen unter unseren Mitmenschen.)