Eine Konsequenz davon ist, daß ich recht schnell bissig reagiere, wenn sich jemand abfällig über behaarte Männerbeine äußert. Da vermute ich nämlich die Assoziation Frau-schön ; Mann-unschön dahinter, die eben zu diesem Prinzip führt.
Das kann ich verstehen, ich denke, in erster Linie sind die von den Medien vorgegebenen Ideale verantwortlich. Das funktioniert nach dem Prinzip einer Gehirnwäsche. Und zum Teil sind die Aussagen auch total widersprüchlich: Behaart = eklig / rasiert = unmännlich. Muskulös = prollig / nicht muskulös = unmännlich. Die Liste könnte man jetzt beliebig fortsetzen.
Das Ganze läuft auf eine Spirale hinaus, dass eigentlich dem Mann keine individuelle Kleidung zugestanden wird geschweige denn Modebewusstsein und Individualität. Sie soll in erster Linie praktisch sein. Scheinbar aber ist man nicht in der Lage, praktisch und schön miteinander zu verbinden.
Warum muss Kleidung den per se praktisch sein? Wir leben nicht mehr im Industriezeitalter, sondern in einer Dienstleistungsgesellschaft. Also sollten Männer auch das tragen können, was ihnen gefällt.
Beispiel Cargohosen: Die monströsen ausgebeulten Taschen sollen verdeutlichen, dass am Mann "immer was dran" sein soll. Z.B. sein Werkzeug rumtragen, was wiederum Körperkraft betonen soll und entsprechend dann als männlich wahrgenommen werden soll. Und deshalb ist die Kleidung auch meist sehr robust und grob. Von den feinen fliessenden Stoffen aus der Damengarderobe keine Spur. Dass aber auch Männer gerne hautfreundliche Stoffe tragen wollen, wird dabei völlig ausgeblendet.
Als 2. Beispiel die ominösen Treckingsandalen Marke "Autoreifen mit Spanngurten" Die dicke Sohle und die groben scheuernden Riemen sollen die "Standfestigkeit des Mannes", also wiederum seine Männlichkeit verdeutlichen. So was wie bequeme Ledersandalen, die auch gut aussehen, scheint es in der Herrenmode nicht zu geben. Ich bin deshalb genötigt, zu Damensandalen zu greifen, nicht nur, weil sie besser aussehen, sonder auch weil sie einfach einen besseren tragekomfort bieten.
Also: Praktische Kleidung soll zeigen, dass Männer nur zu funktionieren haben. Also braucht Mann auch keine schöne Kleidung. Frauen dagegen sollen präsentieren und entsprechend wandelbar sein. Das erklärt auch die erschlagende Auswahl der Kleidung bei den Frauen. Frauen können sich - genügend Kleidung vorausgesetzt - sich jeden Tag neu erfinden. Individuelle Kleidung und Modebewusstsein wird Männern nicht zugestanden, die sie sollen ja nur ihre Rolle gemäss dem Männlichkeitsprinzip erfüllen.
Wenn man sich mal im Web oder in Mode-Katalogen umsieht, fallen folgende Synonyme bei der Damenbekleidung auf: sexy, verführerisch, schick, Eyecatcher, anziehend, süss und was noch alles. Bei Männerkleidung fallen höchstens die Begriffe praktisch oder stilvoll an - wobei zu bemerken ist, dass "stilvoll" ein Widerspruch in sich ist, wenn man eigentlich seit 20 Jahren immer nur den gleichen öden Quark sieht.
Was noch auffällt, ist die Art, wie Männerkleidung in Katalogen abgebildet wird. Alles sieht wie zerknittert und wie dahingeworfen aus, während Damenkleidung stets in schön gebügelter und fliessende Weise dargestellt wird. Das zeigt doch erst recht, dass nur Frauenkleidung schön sein soll.