zu dieser Beobachtung fallen mir mehrere Erklärungen ein.
Wer schon mal so weit durchgedrungen ist, den Hosenzwang zu hinterfragen und sich da gegen die Konvention zu stellen, wird kaum dabei aufhören, und dann noch viel mehr Verrückheiten unserer Gesellschaft entdecken, und sich dadurch gegen die Gesellschaft stellen.
Es geht auch umgekehrt. Weil man in vielem schon entdeckt hat, daß übliche Konventionen bekloppt sind, hat man das auch beim Rock gemerkt.
Beides sind gültige Erklärungen. Hinzufügen würde ich nur, daß sich im Web, in solchen Foren naturgemäß nur diejenigen sammeln, die über ihre gesellschaftlichen Probleme im Bezug auf den Rock am Mann und dem Mann im Rock reflektieren und darüber Austausch suchen. Persönlich würde ich es anders formulieren, als sich 'gegen die Gesellschaft zu stellen'. Es muß erlaubt sein, Kritik zu üben, ohne gleich 'die Gesellschaft' als Gegner aufzufassen. Ich mag die Gesellschaft. Deswegen will ich ihr helfen, nicht mich von ihr abwenden. Ich will nicht Teil einer Protestkultur oder ener Szene sein.
Es gibt einfach gesellschaftliche Mißstände. Sie zu benennen heißt nicht, sich die Gesellschaft zum Gegner zu machen.
Der Rock taugt wunderbar als Beispiel, wo sich Konvention unsinnig entwickelt hat. Die einzige Instanz, die über Rock oder nicht Rock entscheiden sollte, ist die Ästhetik (nein, Wohlbefinden zählt nicht, wir reden hier die ganze Zeit über über externe Entscheidungskriterien) -- und die Ästhetik wird maßgeblich
überdeckt durch Gewohnheit, kommt also nur selten zu tragen. Hat man diesen Mechanismus erkannt, stellt man ihn auch an anderen Stellen fest. Außerdem kommt die Frage auf, welche Berechtigungen denn Kleiderkonventionen für 'weiblich' und 'männlich' haben, wo Frauen sich doch unbegrenzt an vorgeblich 'männlicher' Kleidung bedienen können und dennoch keine gesellschaftliche Ächtung zu befürchten haben. Und so kommt man von einem zum anderen und hangelt sich immer weiter. Und man stellt fest, daß bei vielen Konventionen reine 'Willkür' (oder auch reiner 'Zufall' oder schlicht Entwicklung aus historischen Begebenheiten) vorliegt, findet man auf der ganzen Welt oder in der Vergangenheit viele Beispiele, daß es auch anders geht oder anders ging. Welchen Grund sollte es für ein Festhalten an Konventionen geben?
Da wäre einmal die Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern. Im Extremfall kann man das reduzieren auf Besamer und 'Gebär'-Mutter. Dafür sind keinerlei Konventionen nötig, es sei denn, man möchte den Vorgang der Besamung persönlich und möglichst effizient gestalten -- das überlasse ich aber der Phantasie eines jeden einzelnen ;-). Die Rollenverteilung im Abendland ist noch sehr stark geprägt von der Marienverehrung der christlichen Kirche, wonach jede Frau Unschuld und Mütterlichkeit für sich gepachtet habe und Verehrung verdiene. Als schutzbedürftiges Wesen wird ihr nicht zugestanden, selbständig zu sein oder für sich Verantwortung zu übernehmen. Frauen hängt immer noch an, keine wirklichen erwachsenen Menschen zu werden, sie werden gerne als infantil oder als ein bißchen schwachsinnig betrachtet, jedenfalls nicht für voll genommen. Vermutlich ist es in den letzten Jahrzehnten besser geworden, aber es ist immer noch zu spüren und zu beobachten.
Zu erkennen, daß Frauen auch 'ernste' Menschen sein können/sind, würde aber erfordern, daß man sich mit ihnen auseinandersetzt -- anders als 'Wie kriege ich sie ins Bett?' Und wenn man das schafft, sind Frauen auf einmal auch kein großes Rätsel mehr. Sie sind Menschen mit Eigenheiten wie Männer auch -- aber das erkennt man wohl nur, wenn man nicht ständig die Frau oder den Mann im Menschen suchen will.
Und auf einmal hat man den Bogen gespannt vom Rock zum individuellen Verhältnis zwischen Mann & Frau. Wenn man jetzt Männer und Frauen eh als Menschen betrachtet, ergibt auch das individuelle Verhältnis zwischen Mann & Frau keinen Sinn mehr, da es nur noch ein Verhältnis von drei möglichen ist, wovon alle aber nur zwischen Mensch & Mensch ablaufen. (Cool! So ein Geschwurbel kriege ich echt nur nach zu wenig Schlaf zustande ;-))
So, wie mancher fordern mag, die Spannung zwischen den Geschlechterrollen, die aus ihren Unterschieden resultiert, solle erhalten bleiben, kann man auch fordern, daß die Spannung abgeschafft werden solle. Beides sind berechtigte Forderungen. Ich ziehe die Spannung zu einem interessanten Menschen aber ehrlich gesagt vor -- die meisten Frauen sind (wie auch die meisten Männer) mir schlicht uninteressant (wie auch ich den meisten Menschen uninteressant sein dürfte). Da brauche ich keine Spannung zwischen den Geschlechtern -- oftmals nervt diese einfach nur, weil sie einem entspannten Verhältnis im Wege steht (das ist tautologisch! :-)). Diese ach so tolle Spannung ist meiner Erfahrung nach nur in ganz seltenen Fällen angebracht, im Alltag ist sie komplett überflüssig. Meine Meinung. Andere können sich daran vielleicht erfreuen.
LG
Masin