Ich hatte die letzte Woche zwei Leuten auf den Zahn gefühlt. Einmal einen Passanten und einmal eine Kollegin in meinen Alter. Meine Kollegin hat einen Sohn und eine Tochter. Und hat davon berichtet, dass ein Junge mit in seinen Kindergarten ging, der "merkwürdig" ist und seine Mutter ihn verpooft rumlaufen lässt (sie ist Grundschullehrerin). Der wollte unbedingt eine quietsch rosane Jacke mit weißen Herzen, die sie noch nicht mal ihrer Tochter anziehen würde. So ging er eines Tages in den Kindergarten und die Kinder sind dann schon angekommen und haben laut gefragt, wie siehst du denn aus? Wieso trägst du Mädchensachen? "" Wie kann man das seinen Kind antun? Der wird doch zum Außenseiter" "Ist er ja schon. Er war immer alleine." Sie akzeptiert es, wenn Andere wie ich, anziehen, was ihnen gefällt, aber nicht bei ihren Kindern und ihren Mann und Rosa würde sie ihrem Sohn nie anziehen lassen. Darauf kommt sie nicht klar, wie sie sagt. Auch an dem Mann, der mit Leggings zum Yoga geht, findet sie es merkwürdig.
Dann fragte mich mal Einer, nachdem er mich auszulachen versuchte, warum ich denn so rumlaufe (=wieso trägst du das?) und kein richtiger Mann sei. Ich ganz cool.
"Weil ich es darf und Sie nicht. Punkt aus."
Kurzes Schlucken und Schweigen
"Wieso, weil du es darfst?"
"Weil ich kein Beherrschter bin."
"Wie? Du bist kein Be..Beherrschter? Von wem? Ich werde auch nicht beherrscht."
"Ich habe keine Herrscherin an meiner Seite. Sie haben eine Frau."
"Ja"
"Dann haben Sie doch eine Herrscherin, die ihnen sagt wo's lang geht und deshalb dürfen Sie das nicht."
Kurzes ungläubiges Gucken und Schmunzeln.
"Ich habe gar nicht das Verlangen danach."
"Es ist egal, ob Sie das Verlangen haben oder nicht, wenn Ihre Herrscherin das letzte Machtwort spricht."
"Aber der Mann trägt nunmal Hosen."
"Der entrechtete Arbeitssklave trägt die schlechteren Hosen. Frauen haben die geileren und kostbareren Hosen, die sie zusätzlich mit hohen Stiefeln vor Schmutz schützen. Den Herrschenden in der Gesellschaft wird keine Kleidung vorgeschrieben. Die Kleidung der Herrschenden Klasse ist bunt und nicht dunkel und schwarz"
"Wie?"
"Schauen Sie sich doch selber und andere Männer an, wie die rumlaufen. Männer tragen 1% von dem was Frauen übrig lassen und selber nicht anfassen. Ich zähle, 1,2,3,4 Männer in Arbeitshosen und Bauhosen."
"Die gehen und müssen arbeiten."
"Richtig, die müssen. Von ihren Frauen und Müttern und Schwiegermüttern aus. Frauen ist egal wie Männer aussehen, Hauptsache sie arbeiten ihnen und ihrer Familie zu. Danach werden Männer gemessen und das wird bei Ihnen als Mann vorausgesetzt. Frauen können zwischen sich versorgen lassen, selber arbeiten und Karriere oder Beides wählen. Genauso ist das bei der Kleidung."
"Findest du, dass Frauen Männern etwas vorschreiben?"
"Ja. Sie sind doch das lebende Beispiel, sonst würden Sie nicht lachen und fragen, warum ich Rock und sowas trage. Es wäre für Sie selbstverständlich, wenn Männer es dürften, wie es für Frauen selbstverständlich ist."
"Ich finde nicht, dass meine Frau und Frauen mir etwas vorschreiben."
"Versuchen Sie es doch. Mal sehen, was ihre Regierung dazu sagt, wenn sie einen Rock tragen."
"Meine Frau?"
"Ja, zum Beispiel."
"Das würde sie nicht mitmachen."
"Sehen Sie. Ich dachte, Sie lassen sich nicht bevormunden? Sie machen genau das und lassen das, was die Herrscherin von Ihnen verlangt"
"Meine Frau."
"Oder ihre Mutter und Schwiegermutter."
"Auch mein Schwiegervater."
"Die Meinung ihrer Schwiegermutter gewichtet mehr als die Meinung irgendwelcher hergelaufener Männer oder des Schwiegervaters, wenn Sie zumindest das Zugeständnis der weiblichen Hoheit haben. Männer wie Sie, legen sehr viel auf die Meinung und Beurteilung von Frauen wert. Schließlich waren Sie bei ihrer Schwiegermutter auch bestrebt, ein gutes Bild bei ihr abzugeben, um die Hand ihrer Tochter anzulegen."
"Das stimmt wohl. Von der Seite habe ich das noch nicht betrachtet." "Aber noch was, Schwule erkennt man doch auch meist an bunten Sachen."
"Das ist zwar ein Klischee. Aber die haben auch keine weibliche Regierung, wie Sie, daheim, die über die zentralen Punkte des Lebens entscheidet und ihnen sagt, wie man als Mann auszusehen hat. Schwule Beziehungen sind in der Tat gleichberechtigter als die zwischen Mann und Frau."
Viele Grüße
Jule