Das ist eine Frage der Abgrenzung von Merkmalen. Jede Art von Grenze eines Phänomens zu einem anderen wird von unserm Gehirn konstruirt. Bei empirischen Konstrukten erscheint es uns meistesn selbstverständlich, wenn es z.B. darum geht, die Außengrenzen unseres Körpers zu bestimmen oder den Übergang vom Bürgersteig zur Fahrbahn. Wie wir die beiden Seiten einer Grenze dann bezeichnen, ob wie z.B. sagen, die Straße bestehe aus Fahrbahn und Bürgersteig oder ob wir nur die Fahrbahn als Straße bezeichnen oder ob wie den Bordstein nochmal als eigene Einheit definieren, das liegt weniger an den Objekten selbst, als an unseren Denkkonventionen.
Ich hatte mal einen Kollegen, der meinte, man sei entweder Deutscher oder Europäer, während ich "Deutscher" als Teilmenge von "Europäer" definierte. Es kommt also immer darauf an, mit welchen Merkmalen man ein Objekt und damit das Wort, das das Objekt bezeichnet, verbindet.
In Bezug auf die Geschlechterbezeichnungen kommt es auch sehr darauf an, welche Wertungen die betreffenden Menschen damit verbinden. Es sind bei uns Menschen ja nicht einfach biologische, genetische Bezeichnungen, bei denen einfach von den Chromosomensätzen xx, xy, xyy und xxy usw. her definiert wird, sondern es spielen gesellschaftliche Rollenverständnisse, Wertungen derselben usw. eine Rolle. Daher rühren dann verschiedene Selbtempfindungen, Selbstkonzepte usw. Daher sollte man sich dann fragen, ob man Menschen von außen eine Identität geben oder sie fragen sollte, welche Identität sie sich selbst geben. An dieser Grundsatzfrage entscheidet sich, ob wir evtl. nur zwei Geschlechter zulassen oder mehrere.
Aber auch von den Chromosomensätzen ist es ja nicht einfach. Denn wenn xx weiblich ist und xy männlich, wäre dann typisch für den männlichen Chromosomensatz, dass es ein y hat, während es typisch für den weiblichen wäre, dass es kein y hat. Wäre xxy dann mehr weiblich als männlich und xyy mehr männlich als weiblich oder wären es eigene Geschlechter? Y haben sie ja alle.
Das ist nicht so einfach zu beantworten.
Natürlich ist es einfacher, nur von zwei Geschlechtern in unterschiedlichen Mischungen zu reden. Das wäre dann Komplexitätsreduzierung. Aber ob es deshalb der Wirklichkeit angemessener wäre?
LG, Micha