Autor Thema: Wie war euer erstes Mal im Rock?  (Gelesen 12258 mal)

Yoshi

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Wie war euer erstes Mal im Rock?
« am: 25.09.2023 21:53 »
Mich würde mal interessieren, wie euer erstes Mal im Rock war. Gerne auch mit Jahreszahl und Altersangabe. Ich fange mal an:
Ich trug zum ersten Mal ernsthaft öffentlich Rock im April 2023 mit 32 Jahren. Bei mir muss ich aber zuerst mit dem ersten Mal Nagellack anfangen, weil diese stark verknüpft ist mit dem ersten Mal Rock. Im Januar 2023 trug ich zum ersten Mal Nagellack und ich fing mit schwarz an, weil mir das am "akzeptabelsten" für einen Mann erschien. Schließlich hatte man Rockstars schon damit gesehen. Als ich auf meiner Arbeit in der Kita ankam, war ich übelst aufgeregt. Reaktionen waren aber letztendlich entweder nicht vorhanden oder äußerst positiv. In den laufenden Wochen experimentierte ich mit dunklen Farben (königsblau, tannengrün) und dann wagte ich auch knalligeres (rot, rosa). Das gab mir unglaublich viel Selbstbewusstsein. Dann dachte ich mir: "Du wolltest doch schon immer Röcke tragen. Mach es doch einfach! Der Nagellack wurde doch auch akzeptiert."
Bei den Röcken muss ich auch kurz ausholen: Ich hatte bereits im Winter 2022 zwei Männerröcke von adidas gekauft, die ich ab und zu Zuhause trug. Doch dann bestellte ich mir mehrere Damenröcke und hatte eine ganze Sammlung. Das erhöhte den Druck für mich ("Wenn du jetzt schon so viele gekauft hast, musst du sie auch tragen."). Also plante ich für meinen ersten "Auftritt" ein Outfit, was mir sehr gut gefiel. Ich legte die Messlatte hoch, es sollte überzeugen und ich wollte nicht "durchschnittlich" aussehen. Also zog ich meinen greige-farbenen Faltenrock an, dazu eine schwarze Leggings, dunkelbraune Damenstiefel von Mustang, einen weißen Pullover und einen beigen Mantel.
Ich muss auch sagen, dass ich für mein erstes Mal gleich auf die Arbeitsstelle gegangen bin und keinen Spaziergang oder Supermarkteinkauf zur Probe voranstellte. Irgendwie war ich schon immer der "Ganz-oder-gar-nicht"-Typ! Dank meiner Nagellackerfahrung, war ich schon etwas weniger aufgeregt, als ich zur Arbeit lief. Einmal kurz durchatmen, bevor ich die Haustür öffnete und los ging es. Dann kam meine erste Begegnung mit einem Menschen: Ein kleiner Junge, ca. 12 Jahre alt, fuhr mit dem Fahrrad vorbei, schaute auf meinen Rock, zuckte sichtlich zusammen und machte große Augen. Ich dachte mir: "Das kann ja spannend werden, wenn jetzt alle so reagieren." Für eine erste Reaktion wirklich sehr krass, aber solche heftigen bekommt man tatsächlich sehr selten. Ich denke, das war ein unglücklicher Zufall. Für den Rest meines 30-minütigen Fußweges, keine Reaktionen, vereinzelte interessierte Blicke, aber unisono Gleichgültigkeit.
Auf der Arbeit angelangt, sah mich zuerst mein Arbeitskollege. Er zog die Augenbraue hoch und sagte: "Oh, wow! Wie fühlt sich das an? Ich glaube, du hast bestimmt viel Beinfreiheit!" Dann ging ich in den Personalraum, um Mantel und Schuhe auszuziehen. Meine Kollegin musterte mich: "Sehr schöner Rock! Steht dir!" Eine weitere Kollegin gab mir Komplimente: "Sieht echt gut aus! Hat was schottisches!" Dann noch eine Kollegin zu mir: "Ich finde es toll, wie du zu dir selbst steht. Zuhause tragen kann jeder, aber das öffentlich zu machen, dazu gehört viel Mut."
Die Eltern reagierten auf mich. Am häufigsten hörte ich das Wort "chic" und es gab vor allem von den Müttern haufenweise Komplimente. Was auch ziemlich lustig war: Eine Mutter afrikanischer Herkunft war zuerst verwirrt und fragte, ob Fasching sei, weil ihre Tochter leider nicht verkleidet ist und sie das vergessen habe. Ich habe sie dann beruhigt und aufgeklärt. Sie fand es toll.
Die Kinder gaben mir viele Komplimente "Yoshi, du siehst so cool aus!" und "Das ist voll der schöne Rock." Wie ich an anderer Stelle schon beschrieb, natürlich auch Fragen, warum ich das mache. Das wäre doch was für Mädchen.
Ein Mädchen rief auch ganz aufgeregt, als sie abgeholt wurde, durch die ganze Kita: "Mama, Mama! Der Yoshi hat heute einen Rock an!" Die Mutter sagte nur ganz gelassen: "Ja, ich hab's gesehen."
Ein Junge wurde von seiner großen Schwester abgeholt. Sie war mit zwei Freundinnen da. Alle so um die 15. Eine von ihnen kam auf mich zu: "Sehr schöner Rock, den Sie anhaben. Wo haben Sie den gekauft? Mir gefällt der und vielleicht hole ich mir den auch."
Es war ein richtig beflügelndes Gefühl, als ich nach Hause kam. Ich hatte noch nie so viele Komplimente und positives Feedback für ein Outfit bekommen. Es war wirklich überwältigend und ich war selten so glücklich wie an diesem Abend. Das hat mich unglaublich bestärkt, das wieder zu tun. Einen besseren Start hätte ich mir nicht wünschen können.

Offline nasenbaer

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Antw:Wie war euer erstes Mal im Rock?
« Antwort #1 am: 25.09.2023 22:48 »
Ich fing 2005 an männliche und weibliche Kleidung zu mischen, dieses Jahr kamen dann auch Röcke dazu. Davor habe ich nur an Fasnacht Röcke getragen, angefangen vom Hexenrock... ;)

Am 10.03. war ich dann das erste Mal im Rock bei einem Selbsthilfetreffen für Transsexuelle, auch wenn ich selbst nicht Transsexuell bin, sondern nur wie eine Frau leben und auch Frauenkleidung tragen möchte, obwohl ich Mann bin und bleibe.

Es war insgesamt ein sehr intensives Erlebnis.

Ich habe meiner Frau erzählt, dass ich zu dem Treffen gehen möchte. Sie fragte nur: "Ich dachte das (transsexuell) bist Du nicht." Ich antwortete darauf: "Stimmt, ich bin nicht transsexuell, möchte aber trotzdem hingehen."

Ich habe mich dann rasiert, umgezogen und geschminkt, noch größere Ohrringe rein gemacht. Ich hatte ziemlich "schiss", dass meine Frau doch anfangen könnte mit mir rumzusikutieren oder sogar zu streiten.

Als ich mich dann verabschiedet habe, kam nur die Frage, ob ich nicht zu früh dran wäre. Ich meinte dann, dass ich die Adresse ja erst noch finden muss. Die Verabschiedung fiel distanzierter und kühler aus als sonst, ohne Umarmung und Abschiedskuss und kurz darauf saß ich dann tatsächlich schon im Auto, ganz ohne Streit oder unschöne Diskussionen.

Von der Organisatorin des Treffens gab's zur Begrüßung ein Kompliment: "Schick siehst Du aus!". Beim Treffen selbst gingen die Gespräche um alles Mögliche. Manche Erfahrungen mit der eigenen Familie kannte ich auch, andere dagegen, z.B. wegen des Namens bzw. der Anrede gar nicht. Es ging auch viel um Computerspiele und um Bücher schreiben, beides nicht so meine Interessen.

Die Organisatorin selbst ist Transfrau, die anderen 3 Personen Transmänner. Es war schon irgendwie eine neue Erfahrung, dass andere das haben wollen, z.B. Bart oder Körperbehaarung, von dem man selbst froh ist, dass man es nicht hat oder das man lieber los wäre.

Zum Schluss gingen wir noch ins nahe gelegene Mc Donald. Es hat schlicht und einfach niemanden interessiert, dass ich (als Mann erkennbar) Rock getragen habe. Eigentlich habe ich das schon so erwartet, aber jetzt habe ich die ganz reale Bestätigung, dass es keinen Grund gibt es (immer) wieder zu tun.

Als ich wieder heim kam, habe ich mich unaufgefordert einfach wieder umgezogen und es war zwischen uns alles wieder wie immer. Da hätte ich insgesamt mit deutlich mehr Konfliktpotential gerechnet und bin froh, dass es keine Streitereien darum zwischen uns gab. Vielleicht können wir irgendwann auch gemeinsam so weg gehen...
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Online Skirtedman

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Antw:Wie war euer erstes Mal im Rock?
« Antwort #2 am: 26.09.2023 00:22 »
Am 10.03. war ich dann das erste Mal im Rock bei einem Selbsthilfetreffen für Transsexuelle, auch wenn ich selbst nicht Transsexuell bin, sondern nur wie eine Frau leben und auch Frauenkleidung tragen möchte, obwohl ich Mann bin und bleibe.

Auch eine interessante Konstellation...

...
Als ich mich dann verabschiedet habe, kam nur die Frage, ob ich nicht zu früh dran wäre. Ich meinte dann, dass ich die Adresse ja erst noch finden muss. Die Verabschiedung fiel distanzierter und kühler aus als sonst, ohne Umarmung und Abschiedskuss und kurz darauf saß ich dann tatsächlich schon im Auto, ganz ohne Streit oder unschöne Diskussionen.
...
Als ich wieder heim kam, habe ich mich unaufgefordert einfach wieder umgezogen und es war zwischen uns alles wieder wie immer. Da hätte ich insgesamt mit deutlich mehr Konfliktpotential gerechnet und bin froh, dass es keine Streitereien darum zwischen uns gab. Vielleicht können wir irgendwann auch gemeinsam so weg gehen...

Wow! Ich hatte ja schon höchst liberale Frauen an meiner Seite auf meinem Lebensweg...

... aber mit keiner hätte genau dieses nicht zu schwierigen, nervigen und lange Zeit - mehrere Wochen - sich hinziehenden Diskussionen geführt. Von Maßnahmen wie längerfristigem Liebesentzug und dergleichen oftmals begleitet.

Deswegen: Hut ab! vor der coolen Reaktion Deiner Frau, a) dass Du Dein Ding doch durchgezogen hast, b) dass daraus kein abgrundtiefer Riss in Eurer Beziehung aufgetreten ist. Herzlichen Glückwunsch dazu, und auch hier nochmal!

Offline cephalus

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Antw:Wie war euer erstes Mal im Rock?
« Antwort #3 am: 26.09.2023 08:43 »
Hallo Yoshi,

mein erstes Mal ernsthaft und öffentlich im Rock war an Silvester 1999 zu einer großen öffentlichen Party mit vielen Freunden - ich dachte ein neues Jahrtausend könnte man so beginnen und die damalige Stimmung zwischen Aufbruch, Angst, Euphorie uns Skepsis hat das gut hergegeben. Ich war damals in einem ähnlichen Alter wie Du jetzt.

Ich trug einen knöchellangen Rock aus einem Anzug- Wollstoff, Taschen und Reißverschluss einer Hose nachempfinden, extra für mich geschneidert. Ich war ziemlich nervös, aber der Rock wurde gut aufgenommen, wenn auch mit einer anderen Art und größerem Umfang der Aufmerksamkeit als heute.

Leider hatte ich mich total vergriffen, was die Temperatur betraf: Mit einer dickeren Strumpfhose darunter, Hemd, Pulli und Anzugschuhen wurde der Abend sehr schweißtreibend.

Leider war der Abend nicht der Start meiner aktiven Rockerkariere, sondern blieb für 20Jahre eine einmalige Ausnahme. Wiklich regelmäßig Rock oder Kleid trage ich seit 2-3 Jahren, genau sagen und an feste Daten knüpfen kann ich das nicht. Gemütliche Strick- oder Sweatkleider trage ich zuhause im Winter schon eine Weile und irgendwann kam der Zeitpunkt an dem ich noch Stiefel dazu angezogen habe und für schnelle Besorgungen auch mal raus ging. Ähnlich dann im Sommer, bei großer Hitze, super luftige dünne Hemdkleider.

Erst als ich mir absolut sicher war, dass meine Frau damit kein Problem hat, habe ich auch Röcke getragen und aktiv am Design gearbeitet. Davor war es eher so "Entschuldigung, hatte ich noch an, war praktisch oder bequem ::) und hab es angelassen ;)"

So habe ich für mich zuerst das Zuhause, dann die Nachbarschaft und schließlich immer weitere Kreise rockig erobert.


Offline tigabeatz

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Antw:Wie war euer erstes Mal im Rock?
« Antwort #4 am: 26.09.2023 19:24 »
Oktober 2022 Hosenrock auf Abendveranstaltung im Arbeitskontext und kurz darauf später  dann schon im bekannten Stil mit Leggings, Minirock und co. Nach Anmeldung und Lesen hier im Forum im Februar 2023 dann längere Röcke und auch Kleid. Irgendwie spannend, das ich eine größere Herausforderung hatte, das im privaten Umfeld mit Freunden und Familie zu machen, als im Job. Bei Auftritten mit der Band, war die Aufregung doch nochmal deutlich größer, wenn auch verbunden mit .. Unsicherheiten ob der praktischen Aspekte. :-) 
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Antw:Wie war euer erstes Mal im Rock?
« Antwort #5 am: 26.09.2023 21:01 »

Hallo, um die Antwort auf "mein erstes Mal" zu geben - Achtung, das wird länger! -, steige ich mit Zitaten und gut passenden Stichwörtern ein.

Zitat von hier:
Ich war ziemlich nervös


Zitat aus der Vorstellungs-Rubrik:
Ich war natürlich übelst nervös und aufgeregt


Eigenzitat aus "Auch in Paris":
Hätte es in den 80er Jahren ausgewiesene, auffindbare und bezahlbare Männerröcke gegeben, dann hätte ich nicht innerlich zitternd und verstohlen mich in die Damenabteilungen reintrauen müssen.

aufgeregt, nervös, zittrig - zu diesem Stichwort komme ich später.

Noch ein Zitat aus der Vorstellungs-Rubrik:
Herzlich Willkommen,
ich habe es auch erst mit Ermutigung durch das Forum (mit 55) geschafft, vorher bin ich im Rock noch nichtmal auf den Balkon gegangen...


Balkon! - Ein sehr gutes Stichwort, was zu "meinem ersten Mal" passt.

Denn "mein erstes Mal im Rock (in der Öffentlichkeit)" gibt es in diesem Sinne nicht. "Mein erstes Mal" war ein langandauernder, zäher Prozess.

Wie ich im pubertierenden Alter das Thema Rock in meine Gefühlswelt integrierte (nur zuhause, auch dort erst mal nur heimlich), hatte ich aber dennoch den Drang, mich damit nicht gänzlich zu verstecken.

Da war der Balkon sowas wie mein erstes Feld, sichtbar zu werden. Ich hatte einen alten Fastnachtsrock aus dem Keller an mich genommen und bin damit in den größtenteils uneinsehbaren Garten und dann auf den Balkon. Am Balkonende gab es dann Luftwirbel, die bisweilen den leichten Rock über die Balkonbrüstung anhoben. Der Balkon war von vielen Seiten recht gut einsehbar, zwar mit meist viel Abstand, aber die umliegenden Nachbarn haben bestimmt auch auf 200 Metern Distanz unterscheiden können, dass da nicht eine meiner Schwestern Rocklupfen spielte. Falls überhaupt jemand da guckte.

Anders war der recht geräumige Vorgarten. Den musste ich auch im Rock in Besitz nehmen. Erst mal ohne Passanten. Dann mit, was ein leichtes war, weil schräg gegenüber eine Bushaltestelle mit regelmäßigem Busverkehr war. Also hatte ich alsbald den Drang, mal kurz mich im Rock vor die potentiellen Augen der Wartenden in den Vorgarten zu trauen.

Das waren verschiedene Male vor fremdem Augen im Rock. Den besagten Fastnachtsrock trug ich dann bald auch mal offiziell zu einer Fastnachtsveranstaltung, zu welcher mich die drei Frauen zuhause als Mädchen zurecht gemacht hatten - ich erwähnte das neulich (bei "gestern getragen").

Und zu Fastnacht nutzte ich dann auch - sowas als familiärer Rockeinstieg - ausgiebig Rock zu tragen. Dass ich öffentlich draussen Röcke trug, dauerte lange, bis das die Familie mitbekam, das machte ich lange Zeit sowas von heimlich.

Und das fing mit verstohlenen Versuchen vor der Haustür an, in abendlicher oder nächtlicher Dunkelheit, soweit das im Familienleben einer 5-köpfigen Familie mal machbar ist. Da immer noch - ich war pubertierend - in der Hoffnung, niemand der potentiell vorbeifahrenden Autoinsassen würde merken, dass da gerade kein Mädchen umherlief.

Erst mit dem ersten Auto wurde ich draussen wagemutiger. Aber auch da suchte ich die Abgeschiedenheit. Das erste Mal müsste im Hinterland gewesen sein mit einer gut fünf mal fünf Kilometer großen Ackerfläche ohne Straßen und Ortschaften mittendrin. Eine andere Stelle war abgelegen im Hochtaunus, eine Waldrunde. Oder das Waldgebiet zwischen Groß-Zimmern und Darmstadt. In diesen Gebieten trieb ich mich jahrelang immer und immer wieder im Rock herum.

Manche begegnende Leute machten große Augen. Manche machten keine Anzeichen von Verwunderung, sie dachten vermutlich ihr Teil innerlich. Es war oftmals aber auch gut möglich, potentiellen Begegnungen aus dem Weg zu gehen.

Insofern gewöhnte ich mich nach und nach - über viele Jahre - an zwischenmenschliche Konfrontationen.

"Mein erstes Mal" beim Rockkauf hingegen war bemerkenswert. Darmstadt. Kaufhaus. Jetzt kommt Stichwort "zittrig" ins Spiel. Verstohlen traute ich mich in die Damenabteilung, hielt mir irgendeinen Rock an meinen Bauch, ging zur Kasse, und mit Sicherheit zitternd wie Espenlaub bezahlte ich diesen Rock mit ebenso zittrig stammelnden Worten: "Hoffentlich passt er ihr auch!" Die Kassiererin und die Kundinnen hinter mir werden mit Sicherheit bemerkt haben, dass ich den für mich kaufte.

Dieser Rock war es auch, als ich mich das erste Mal Sonntagsmorgens auf einem abgelegenen Ackerstück draussen bewegt hatte - das war das erste Mal in meinem Leben, als ich für ein paar Tage Sturmfreie Bude hatte - bei einer 5-köpfigen Familie fast ein Ding der Unmöglichkeit. Ich nutzte diese paar Tage für meine Rock-Entwicklung. Nach diesem Morgenspaziergang (bei Spießheim) saß ich anschließend zuhause zum Frühstück, als meine Oma kam. Sie deutete den blass-zitronengelben Baumwollrock noch als mein "Nachtgewand". Das müsste 1985 gewesen sein.

Ich kaufte fortan so ein bis zwei Röcke im Monat. Und bald merkte ich, dass es mehr Sinn macht, bereits im Rock in die Damenabteilungen zu gehen. Dann brauchte ich das nicht mehr verstohlen zu tun. Und so bereiste ich verschiedene Städte im Umkreis von 50 bis 200 km, parkte an den Stadträndern, versuchte in die Innenstädte zu kommen, um dort durch die Kaufhäuser und Boutiquen zu ziehen. Das dortige Personal war oft hellauf begeistert. Und ich hörte davon, dass in deren Verwandtschaft auch Jungs gibt, die Röcke tragen (z.B. "der zieht sich immer einen Schlauchrock an", Hanau) oder Promis wie Thomas Gottschalk neulich im Rock auftraten.

Ein wesentlicher Teil meiner Sozialisation im Rock waren bei diesen Tripps auch die Bäckereien, mit manchmal netten Verkäuferinnen.

Ein weiteres "erstes Mal" war zu Fronleichnam in der Fußgängerzone von Heidelberg. Da schloss ich mich unvermittelt einer Prozession an und ging anschließend im Rock in die Kirche zum Schlussgottesdienst. Es war ein besonderes Erlebnis, unter den doch eher konservativ eingestellten Menschen nicht ausgestoßen zu werden. Das wird vielleicht 1988 gewesen sein. Natürlich hatte ich mir in den vorgenannten Situationen ja schon ein klein wenig Selbstbewusstsein antrainiert.

Heidelberg war dann noch zwei Mal in dieser Hinsicht erwähnenswert "mein erstes Mal". Denn ich saß mitten im Café Journal an einem kleinen runden Tisch in grauem Mini und übte die Lösung von Differentialgleichungen. Da kamen irgendwann drei Mädels zu mir und setzten sich dazu. Wir unterhielten uns toll. Auch über den Rock. Da habe ich gesehen, dass Rock und Mädels geht!

Und irgendwie noch mal ähnliche Situation. In der Fußgängerzone, draussen an einem kleinen Tisch. Zwei Studentinnen auf Tagesausflug aus Freiburg wollten sich zu mir setzen. Angeregte Gespräche. Die eine meinte: "Ich stelle mir gerade vor", und schaute durch die Fußgängerzone, "wenn jetzt alle Männer hier einen Rock anhätten!" Meinen Rock (und wohl auch mich) fanden sie cool.

Das hat in mir den Schalter umgelegt. Fortan brauchte ich mich nicht mehr verstecken - in allen Situationen. Soweit jedenfalls der Wunsch.

Irgendwann kam auch der Drang, in meiner Stadt und am helllichten Tag, aber auch abends, Rock zu tragen. Das war auch eine Art "mein erstes Mal".

Ich stieg dann eines Abends zuhause aus dem Auto aus, mit kurzem weissem Faltenrock (den ich heute noch manchmal trage). Und da kam gerade meine Nachbarin an. Sie sah mich das erste Mal im Rock und war verzückt. Sie wollte noch in die Dorfkneipe. Ich ging mit. Und auf dem Rückweg verführte sie mich in Nachbarsgarten. - Mein tatsächlich "erstes Mal" im Rock! Das wird 1988 gewesen sein.

Es dauerte noch, bis dann auch meine Familie mitbekam, dass ich öffentlich Rock trage. Einmal des Nachts hatte ich keine Lust, mich noch umzuziehen drei Meter vor zuhause. Also kam ich im Rock heim. Meine Mutter kam runtergeschlichen und entdeckte mich. Sie war schockiert. Weil ich hatte zwei gemusterte Teile an! "Er hat nix von mir gelernt!", erzählte sie dann schockiert in der Verwandtschaft. Ein quergestreifter Rock zu einem Jeanshemd, das bei genauer Betrachtung feine rote, grüne Nadelstreifen im Karo hatte - 25 Zentimeter weiter weg nicht zu erkennen! Übrigens eines der Lieblingsoutfits in den Augen meiner damaligen Freundin. Ja, auch das war dann ein offizielles "erstes Mal im Rock".  ;D Das müsste inzwischen so 1991 gewesen sein. Und das, obwohl ich seit Jahren schon draussen aktiv im Rock unterwegs war; und ich bereits vor ewigen Zeiten das erste Mal im Rock das Grundstück verlassen hatte - das müsste der 6. Januar 1979 gewesen sein - im Schutze der Dunkelheit.

Es gab ja natürlich auch noch z.B. "mein erstes Mal" im Studium, bei der Arbeit, mit Freunden...

Offline tigabeatz

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Antw:Wie war euer erstes Mal im Rock?
« Antwort #6 am: 26.09.2023 21:44 »

Hallo, um die Antwort auf "mein erstes Mal" zu geben - Achtung, das wird länger! -, steige ich mit Zitaten und gut passenden Stichwörtern ein.


Respekt, für die ausführliche Aufbereitung und spannende Beschreibung, den Mut. Und auch Danke für Deinen Teil dazu beizutragen es heute in unserem Umfeld einfacher zu haben.
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Offline Peter1958

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Antw:Wie war euer erstes Mal im Rock?
« Antwort #8 am: 26.09.2023 23:15 »
2019 war für mich der Beginn mit Röcke tragen in der Öffentlichkeit.
Zu Hause trage ich schon 2 Jahre länger  Rock oder Kleid.
Meine ersten Schritte waren schon mit Unbehagen belegt wie Reagieren die Leute auf meinen Auftritt.
Nachdem die Befürchteten Reaktionen ausgeblieben sind wurde ich auch mutiger und mein Radius größer. Wir waren dieses Wochenende in einem Hotel und ich bin in Rock, Bluse und Ballerinas zum Frühstück gegangen, hat auch niemand Interessiert.
Diese Erfahrungen machen dann auch mehr Mut.
Ich bin sehr Dankbar das meine Frau in diesem Thema voll hinter mir steht und mir hilft meinen Stil zu finden

Offline SW Michl

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Antw:Wie war euer erstes Mal im Rock?
« Antwort #9 am: 27.09.2023 00:52 »
Obwohl mein erstes öffentliches Rocktragen erst ein halbes Jahr her ist, kann ich mich gar nicht so genau auf DAS erste Mal festlegen. Mir geht es wie Wolfgang, es gab viele erste Male und zählt ein erster Hundespaziergang im Dunklen auf menschenleerer Strecke eigentlich...?

Los gings natürlich zu Hause, das war vor etwa einem Jahr. Meine damalige langjährige Lebensabschnittsgefährtin war erst irritiert und hat es dann aber voll mitgetragen, wenn wir später zusammen in anderen Städten oder mal abends im Kabarett waren.

Am aufregendsten war aber vorher die erste Damenabteilungs-Shoppingtour alleine in der nächsten größeren Stadt. Das muss so im Mai / Juni dieses Jahres gewesen sein. Interessant war dabei die Erfahrung, wie in jedem neuen Geschäft die Aufregung weniger stark anstieg. Beratung habe ich immer abgelehnt, ich erinnere mich aber vor allem an besonders freundlich lächelnde Kassiererinnen. Diesen Tag würde ich am ehesten als den ersten in der Öffentlichkeit bezeichnen.

Etwas Überwindung brauchte es dann wieder, als ich mich zum ersten Mal in meiner Kleinstadt mit Rock blicken lies.

Die Hemmschwelle gegenüber meiner Arbeitskolleginnen (100% weiblich) und meiner weiteren Familie war dann kaum noch wahrnehmbar.

Liebe Grüße
Michael

Offline Silkman

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Antw:Wie war euer erstes Mal im Rock?
« Antwort #10 am: 30.09.2023 00:21 »
Das erste mal - Hmmja, was gilt als das erste mal?

Den ersten langen Rock von der Freundin heimlich angezogen?
(irgendwann 2000 plusminus 2 Jahre) 
Fühlte sich toll an, aber da hielt ich es lange für einen sehr seltsamen Spleen...

Sie hatte es natürlich bemerkt   ;)

Das erste mal "offiziell" einen Rock von meiner (jetzt) Frau getragen? Vor ein paar Jahren [Urlaub, Affenhitze, ich in Jeans, Sie im weiten Rock] - ich: "darf ich mal Deinen Rock anziehen? Sieht so schön luftig aus" - Sie:"von mir aus kannst Du Röcke tragen, so viel Du willst"]

Zum nächsten Geburtstag bekam ich von ihr einen langen weiten Seidenrock geschenkt. Mir gefällt das und ihr gefällt das auch an mir  :)

Danach wurden es (viel) mehr Röcke, getragen fast täglich zuHause, und auch mal nach Sonnenuntergang auf dem (mäßig einsehbaren) Balkon - und unter ordentlich geläster meiner mutigeren Hälfte: "Stell Dich nicht so an"  ;)

Vor über einem Jahr habe ich eher zufällig dieses Forum entdeckt.
Und das was ich hier gelesen habe hat mir den Mut gegeben, den Schritt hinaus zu wagen - inzwischen kennen mich viele Freunde und einige Nachbarn im Rock (oder alle? Keine Ahnung, mir sacht ja niemand nix)...

soweit von mir,
Jürgen

Offline Silkman

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Antw:Wie war euer erstes Mal im Rock?
« Antwort #11 am: 30.09.2023 00:56 »
Ach ja,

ich bewundere leute, die sich noch Jahre später an einzelne Datumse erinnern können, ich kann das so ganz garnicht, mir fallen schon Dekaden schwer  ;D

Also Versuch:
  • - 2000 plusminus 2Jahre war ich 33 plusminus2,
  • - der "erste offizielle" Rock war irgendwann 2015-17 also war ich um die 50,
  • - Hier im Forum hab ich mich zu meinem 55. Geburtstag angemeldet,
  • - und knapp eine Woche später, als Freunde zu Besuch waren, hab ich den Rock NICHT vorher schnell ausgezogen...

erinnert sich nicht genau 
Jürgen

Offline GregorM

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Antw:Wie war euer erstes Mal im Rock?
« Antwort #12 am: 30.09.2023 06:36 »
Eine sehr schöne Geschichte, Jürgen. Und dass du eine so verständnisvolle Frau hast, müssen viele Rockträger dich beneiden.

Gruß
Gregor
Gruß
Gregor

Offline MAS

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Antw:Wie war euer erstes Mal im Rock?
« Antwort #13 am: 30.09.2023 09:07 »
Gude zusammen!

Bei mir könnte man es dreiteilen:
1) Als kleiner Junge (5 oder 6 Jahre alt) zog ich manchmal im Kinderzimmer einer Freundin einen ihrer Röcke an und spielte dann mit ihr.
2) Als junger Mann (21) kaufte ich mir in Sri Lanka zwei Sarongs und trug sie dort dann. Das war mein erstes öffentliches Rocktragen.
3) Ein paar Jahre später (34) hielt ich es nicht mehr aus, fand im Internet meine ersten Männerrockseiten, die mich ermutigten, erstmals mit einem Jeansrock, den ich schon zwei Jahre besaß und gerne zu Hause trug, in die deutsche Öffentlichkeit zu gehen.

LG, Micha
Wer das Leben ernst nimmt, muss auch über sich lachen können.

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Peter55Muc

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Antw:Wie war euer erstes Mal im Rock?
« Antwort #14 am: 30.09.2023 11:57 »
Bei mir war es ich glaube 2020, auf der Heimreise von einer Geschäftsreise im Auto von Mönchengladbach nach München. Ich hatte einen Jeansrock , eine FSH und ca 2cm hohe Pumps an und bin so nach Hause gefahren. Ich hielt fast an jedem Rast- oder Parkplatz und ging so entweder zur Toilette oder einfach etwas spazieren. Als ich tanken musste schlug mir des Herz bis zum Hals, was sich als völlig unbegründet herausstellte.

LG Peter


 

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