Hallo, um die Antwort auf "mein erstes Mal" zu geben - Achtung, das wird länger! -, steige ich mit Zitaten und gut passenden Stichwörtern ein.
Zitat von hier:Ich war ziemlich nervös
Zitat aus der Vorstellungs-Rubrik:Ich war natürlich übelst nervös und aufgeregt
Eigenzitat aus "Auch in Paris":Hätte es in den 80er Jahren ausgewiesene, auffindbare und bezahlbare Männerröcke gegeben, dann hätte ich nicht innerlich zitternd und verstohlen mich in die Damenabteilungen reintrauen müssen.
aufgeregt, nervös, zittrig - zu diesem Stichwort komme ich später.
Noch ein Zitat aus der Vorstellungs-Rubrik:Herzlich Willkommen,
ich habe es auch erst mit Ermutigung durch das Forum (mit 55) geschafft, vorher bin ich im Rock noch nichtmal auf den Balkon gegangen...
Balkon! - Ein sehr gutes Stichwort, was zu "meinem ersten Mal" passt.
Denn "mein erstes Mal im Rock (in der Öffentlichkeit)" gibt es in diesem Sinne nicht.
"Mein erstes Mal" war ein langandauernder, zäher Prozess.
Wie ich im pubertierenden Alter das Thema Rock in meine Gefühlswelt integrierte (nur zuhause, auch dort erst mal nur heimlich), hatte ich aber dennoch den Drang, mich damit nicht gänzlich zu verstecken.
Da war der
Balkon sowas wie mein erstes Feld, sichtbar zu werden. Ich hatte einen alten Fastnachtsrock aus dem Keller an mich genommen und bin damit in den größtenteils uneinsehbaren Garten und dann auf den Balkon. Am Balkonende gab es dann Luftwirbel, die bisweilen den leichten Rock über die Balkonbrüstung anhoben. Der Balkon war von vielen Seiten recht gut einsehbar, zwar mit meist viel Abstand, aber die umliegenden Nachbarn haben bestimmt auch auf 200 Metern Distanz unterscheiden können, dass da nicht eine meiner Schwestern Rocklupfen spielte. Falls überhaupt jemand da guckte.
Anders war der recht geräumige Vorgarten. Den musste ich auch im Rock in Besitz nehmen. Erst mal ohne Passanten. Dann mit, was ein leichtes war, weil schräg gegenüber eine Bushaltestelle mit regelmäßigem Busverkehr war. Also hatte ich alsbald den Drang, mal kurz mich im Rock vor die potentiellen Augen der Wartenden in den Vorgarten zu trauen.
Das waren verschiedene Male vor fremdem Augen im Rock. Den besagten Fastnachtsrock trug ich dann bald auch mal offiziell zu einer Fastnachtsveranstaltung, zu welcher mich die drei Frauen zuhause als Mädchen zurecht gemacht hatten - ich erwähnte das neulich (bei "
gestern getragen").
Und zu Fastnacht nutzte ich dann auch - sowas als familiärer Rockeinstieg - ausgiebig Rock zu tragen. Dass ich öffentlich draussen Röcke trug, dauerte lange, bis das die Familie mitbekam, das machte ich lange Zeit sowas von heimlich.
Und das fing mit verstohlenen Versuchen vor der Haustür an, in abendlicher oder nächtlicher Dunkelheit, soweit das im Familienleben einer 5-köpfigen Familie mal machbar ist. Da immer noch - ich war pubertierend - in der Hoffnung, niemand der potentiell vorbeifahrenden Autoinsassen würde merken, dass da gerade kein Mädchen umherlief.
Erst mit dem ersten Auto wurde ich draussen wagemutiger. Aber auch da suchte ich die Abgeschiedenheit. Das erste Mal müsste im Hinterland gewesen sein mit einer gut fünf mal fünf Kilometer großen Ackerfläche ohne Straßen und Ortschaften mittendrin. Eine andere Stelle war abgelegen im Hochtaunus, eine Waldrunde. Oder das Waldgebiet zwischen Groß-Zimmern und Darmstadt. In diesen Gebieten trieb ich mich jahrelang immer und immer wieder im Rock herum.
Manche begegnende Leute machten große Augen. Manche machten keine Anzeichen von Verwunderung, sie dachten vermutlich ihr Teil innerlich. Es war oftmals aber auch gut möglich, potentiellen Begegnungen aus dem Weg zu gehen.
Insofern gewöhnte ich mich nach und nach - über viele Jahre - an zwischenmenschliche Konfrontationen.
"Mein erstes Mal" beim Rockkauf hingegen war bemerkenswert. Darmstadt. Kaufhaus. Jetzt kommt
Stichwort "zittrig" ins Spiel. Verstohlen traute ich mich in die Damenabteilung, hielt mir irgendeinen Rock an meinen Bauch, ging zur Kasse, und mit Sicherheit zitternd wie Espenlaub bezahlte ich diesen Rock mit ebenso zittrig stammelnden Worten: "Hoffentlich passt er ihr auch!" Die Kassiererin und die Kundinnen hinter mir werden mit Sicherheit bemerkt haben, dass ich den für mich kaufte.
Dieser Rock war es auch, als ich mich das erste Mal Sonntagsmorgens auf einem abgelegenen Ackerstück draussen bewegt hatte - das war das erste Mal in meinem Leben, als ich für ein paar Tage Sturmfreie Bude hatte - bei einer 5-köpfigen Familie fast ein Ding der Unmöglichkeit. Ich nutzte diese paar Tage für meine Rock-Entwicklung. Nach diesem Morgenspaziergang (bei Spießheim) saß ich anschließend zuhause zum Frühstück, als meine Oma kam. Sie deutete den blass-zitronengelben Baumwollrock noch als mein "Nachtgewand". Das müsste 1985 gewesen sein.
Ich kaufte fortan so ein bis zwei Röcke im Monat. Und bald merkte ich, dass es mehr Sinn macht, bereits im Rock in die Damenabteilungen zu gehen. Dann brauchte ich das nicht mehr verstohlen zu tun. Und so bereiste ich verschiedene Städte im Umkreis von 50 bis 200 km, parkte an den Stadträndern, versuchte in die Innenstädte zu kommen, um dort durch die Kaufhäuser und Boutiquen zu ziehen. Das dortige Personal war oft hellauf begeistert. Und ich hörte davon, dass in deren Verwandtschaft auch Jungs gibt, die Röcke tragen (z.B. "der zieht sich immer einen Schlauchrock an", Hanau) oder Promis wie Thomas Gottschalk neulich im Rock auftraten.
Ein wesentlicher Teil meiner Sozialisation im Rock waren bei diesen Tripps auch die Bäckereien, mit manchmal netten Verkäuferinnen.
Ein weiteres "erstes Mal" war zu Fronleichnam in der Fußgängerzone von Heidelberg. Da schloss ich mich unvermittelt einer Prozession an und ging anschließend im Rock in die Kirche zum Schlussgottesdienst. Es war ein besonderes Erlebnis, unter den doch eher konservativ eingestellten Menschen nicht ausgestoßen zu werden. Das wird vielleicht 1988 gewesen sein. Natürlich hatte ich mir in den vorgenannten Situationen ja schon ein klein wenig Selbstbewusstsein antrainiert.
Heidelberg war dann noch zwei Mal in dieser Hinsicht erwähnenswert "mein erstes Mal". Denn ich saß mitten im Café Journal an einem kleinen runden Tisch in grauem Mini und übte die Lösung von Differentialgleichungen. Da kamen irgendwann drei Mädels zu mir und setzten sich dazu. Wir unterhielten uns toll. Auch über den Rock. Da habe ich gesehen, dass Rock und Mädels geht!
Und irgendwie noch mal ähnliche Situation. In der Fußgängerzone, draussen an einem kleinen Tisch. Zwei Studentinnen auf Tagesausflug aus Freiburg wollten sich zu mir setzen. Angeregte Gespräche. Die eine meinte: "Ich stelle mir gerade vor", und schaute durch die Fußgängerzone, "wenn jetzt alle Männer hier einen Rock anhätten!" Meinen Rock (und wohl auch mich) fanden sie cool.
Das hat in mir den Schalter umgelegt. Fortan brauchte ich mich nicht mehr verstecken - in allen Situationen. Soweit jedenfalls der Wunsch.
Irgendwann kam auch der Drang, in meiner Stadt und am helllichten Tag, aber auch abends, Rock zu tragen. Das war auch eine Art "mein erstes Mal".
Ich stieg dann eines Abends zuhause aus dem Auto aus, mit kurzem weissem Faltenrock (den ich heute noch manchmal trage). Und da kam gerade meine Nachbarin an. Sie sah mich das erste Mal im Rock und war verzückt. Sie wollte noch in die Dorfkneipe. Ich ging mit. Und auf dem Rückweg verführte sie mich in Nachbarsgarten. - Mein tatsächlich "erstes Mal" im Rock! Das wird 1988 gewesen sein.
Es dauerte noch, bis dann auch meine Familie mitbekam, dass ich öffentlich Rock trage. Einmal des Nachts hatte ich keine Lust, mich noch umzuziehen drei Meter vor zuhause. Also kam ich im Rock heim. Meine Mutter kam runtergeschlichen und entdeckte mich. Sie war schockiert. Weil ich hatte zwei gemusterte Teile an! "Er hat nix von mir gelernt!", erzählte sie dann schockiert in der Verwandtschaft. Ein quergestreifter Rock zu einem Jeanshemd, das bei genauer Betrachtung feine rote, grüne Nadelstreifen im Karo hatte - 25 Zentimeter weiter weg nicht zu erkennen! Übrigens eines der Lieblingsoutfits in den Augen meiner damaligen Freundin. Ja, auch das war dann ein offizielles "erstes Mal im Rock".
Das müsste inzwischen so 1991 gewesen sein. Und das, obwohl ich seit Jahren schon draussen aktiv im Rock unterwegs war; und ich bereits vor ewigen Zeiten das erste Mal im Rock das Grundstück verlassen hatte - das müsste der 6. Januar 1979 gewesen sein - im Schutze der Dunkelheit.
Es gab ja natürlich auch noch z.B. "mein erstes Mal" im Studium, bei der Arbeit, mit Freunden...