(Lesedauer: 4 Minuten)
In diesem Thread wollte ich ja neben einer Zusammenfassung auch in lockerer Folge noch auf detaillierte Betrachtungen eingehen. Das könnten z.B. sein: detailliertere Betrachtungen von Strumpfhosen. Oder Schuhen. Wie sich da mein Geschmack / Stil im Laufe der Zeit entwickelt hat – und vielleicht auch warum.
Die Thread-Frage „Wie entwickelt sich euer Geschmack / Stil?“ inspiriert mich aber zunächst darüber nachzudenken, wie sich mein Geschmack entwickelt hat in der Fremdwahrnehmung, daher also zunächst dieser Aspekt:
„Wie hat sich mein Geschmack entwickelt in der Wahrnehmung rock-/kleidtragender Männer?“
Antwort ganz kurz: Hat sich verändert.
Antwort etwas konkreter: Ist breitbandiger geworden.
Antwort umfassend muss erstmal sehr weit ausholen. Nämlich klinkt da sich auch mein Philosoph in mir ein, der sagt, er muss erstmal über die Sache nachdenken.
Denn mein Geschmack, wie ich fremde bzw. andere Männer im Rock/Kleid wahrnehme hat ganz viel auch mit meiner Eigenschau zu tun, vor allem auch im Vergleich mit mir und meinem Stil / Geschmack.
Und mein Stil / Geschmack hat sich über die Jahre auch unter Eindruck meines Umfelds entwickelt, besonders meine Freundinnen haben da mitgemischt; und über die auch wiederum deren Umfeld.
Also hat mein Stil / Geschmack sich auch recht stark entwickelt, wie meine Freundinnen und deren Umfeld mich wahrgenommen haben und es zu mir zurückgespiegelt haben. Dieser Einfluss war unterschiedlich ausgeprägt, von Freundin zu Freundin. Ganz besonders gewirkt hat (wahrscheinlich freilich) meine bislang längste Beziehung von 13 Jahren. Vor allem auch, weil wir zusammenwohnten, und man sich nur sehr begrenzt soweit aus dem Weg gehen konnte (und meist auch wollte), ohne auf das Urteil des anderen angewiesen zu sein.
Spannend war es vor allem auch, was diese Freundinnen mir gespiegelt haben, wie sie (sofern sie die Chance überhaupt hatten) andere Männer im Rock/Kleid wahrnahmen – auch wieder im direkten Vergleich zu meinem Stil.
Anfangs spielte das überhaupt noch keine Rolle. Da ich phasenweise weder eine ernsthafte Beziehung hatte noch, dass ich andere Männer in Röcken / Kleidern sah (80er, Anfang 90er Jahre).
Ohne in jedes kleinste Detail zu gehen, kannte ich nur (1984?) zwei, drei Mal Beispiele aus dem Fernsehen (Tagesschau z.B.) von Jean Paul Gaultier, einen Beitrag über Röcke/Gewänder aus München (ZDF-Beitrag „Neue Männer braucht das Land“ von Redakteur Wolfgang Kabisch für die Sendung „aspekte“). Und ich hörte in Südtirol im Radio, dass „Kenzo die Männer fast weiblich über den Laufsteg flattern ließ“, was der Boulevard-Moderator auch gleich mit einer eher abfällig zu deutenden Bemerkung über Stöckelschuhe am Mann abschloss.
Ansonsten kannte ich neben den Schotten allenfalls Männer, die Kilts trugen, meist mit Dudelsack bewaffnet in Fußgängerzonen, wo ich auch erst einmal ein Gefühl entwickeln musste, dass das nicht immer wirkliche Schotten waren.
Ich wusste: Kilts, nein, das ist nichts für mich. Sollen diejenigen Schotten spielen, die das wollen. Diese „Fremdwahrnehmung“ war bei mir also eher ein inneres Abschotten als die Erkenntnis, dass ich doch gar nicht sooo sehr verschieden war, von dem, was die „Möchtegern-Schotten“ taten.
Mit Stöckelschuhen und allzu weiblich (die Kriterien dazu musste ich für mich auch erstmal entwickeln) wollte ich auch nicht sein. Drum gelangte in meiner Fremdwahrnehmung rock-/kleidtragender Männer dann vieles auch in einer Ecke: „zu weiblich“, „drückt, was anderes aus, als ich es will“.
Viele Beispiele aus den weiteren Jahren kannte ich aus dem Real-Life beileibe nicht, allenfalls etwas aus dem Bereich „Drag Queens“ im Nachtleben, wovon ich mich aber auch ‚inhaltlich‘ distanzierte und sowas von gar nicht meinem Geschmack entsprach.
Richtig los ging es also erst mit dem Internet, wo ich nach meinem Nachnamen sofort „Mann im Rock“ als Suchbegriff wählte, um mich in diesen neuen Erlebnismöglichkeiten umzusehen.
Ich war überrascht, wie viele Beispiele ich fand – und froh, dass ich beileibe nicht der einzige war, der keinen Bock mehr auf Hosen hatte. Aber: auch hier fand ich sofort vieles als „zu weiblich“ und für „zu übertrieben“.
Bald entwickelten sich „Rock-Treffen“ bzw. „Rockertreffen“, wie sich das in den Foren dann schnell als Bezeichnung einbürgerte. Und hier sah ich die Männer dann auch in natura – und meine Freundinnen dann auch!
Auch mit den oben erwähnten Rückspiegelungen meiner Freundinnen war ich überrascht, dass die meisten der persönlich kennengelernten Männer einen (nach meiner Beurteilung) sehr viel weiblicheren Stil hatten und ich demgegenüber zu den ‚moderatesten‘ Vertretern zählte. (Vielleicht ist das aber auch die natürliche innere Haltung eines jeden, dass man „es“ am ‚vernünftigsten‘ macht…)
Und ‚moderierend‘ war ja auch der Einfluss so mancher Freundinnen auf meinen Stil und auf meine Selbstwahrnehmung – und insofern auch ein klein wenig ‚radikalisierend‘ auf meine Fremdwahrnehmung. Zu sehr (zu sehr?) hab ich mich verkrampft auf einige Details gestürzt, die darüber entschieden, ob der Stil eines anderen als „zu feminin“ ich wahrgenommen habe, oder gar als (mir; nur mir?) „förderlich“ oder gar „hinderlich“. Oder als „Geht“ oder „Geht gar nicht!“.
Letzteres „Geht gar nicht!“ wird gerne von Freundinnen (sicherlich auch Ehefrauen) und derem Umfeld eingesetzt, um einen auf eine gewünschte ‚Spur‘ zu bringen. Über die Jahre hinweg funktioniert diese Infiltration (‚Manipulation‘?) wunderbar – bei mir jedenfalls, um einen selbst von allzustarken Experimenten abzuhalten (das ist ja der Hauptzweck), um aber auch einem den Geschmack bei der Fremdwahrnehmung rock-/kleidtragender anderer Männer zu prägen.
Ich habe an mir beobachtet, dass dieser ‚moderierende‘ Einfluss (oder ‚manipulative‘ Einfluss? ) nach Ende der jeweiligen Beziehungen stark nachlässt, ich selbst wieder experimentierfreudiger werde, mich selbst weiterentwickele – und mein Geschmack, was ich an anderen Männern sehen kann und ich eher ablehne, offenherziger wird.
Neben dieser Entwicklung kam inzwischen auch meine späte Erkenntnis, dass gerade auf Bildern/Fotos die Fremdwahrnehmung von „zu feminin“ (was auch heute in meiner Wahrnehmung von Anderen noch durchaus vorkommt) sehr schnell wieder deutlich relativiert werden kann, wenn man die „zu feminine“ Person im realen Leben erleben kann. Weil vieles (wie zum Beispiel Alltags-Körperhaltung, Mimik, Gestik, ‚Gehabe‘, Verhalten, Stimme etc.) noch sehr viel intensivere Botschaften ausdrücken können, als ein Foto oder eine Reihe von Fotos vermitteln können. Der Gesamteindruck im Real-Life kann ein ganz anderer sein als der Gesamteindruck einer Bilderserie oder gar nur eines einzigen Fotos.
Insofern bin ich sehr viel liberaler, „breitbandiger“, geworden, was meinen Geschmack angeht, wenn ich andere rock-/kleidtragende Männer mir anschaue. Und mein „innerer Maßstab“ und „meine (‚die‘) Sache“ müssen nicht die absoluten Kriterien sein, um das Erscheinungsbild anderer Männer zu bemessen, jedenfalls nicht mehr so verbissen wie früher.
Und dies alles ohne genauer zu definieren, was jetzt in meinen Augen als „feminin“ oder „männlich“ galt oder gilt – zumal das jeder anders sieht. Darauf komme ich vielleicht in nachfolgenden Beiträgen zu diesem Thread noch mal genauer. Vielleicht auch nicht.
Mein Geschmack, andere Männer in der Fremdwahrnehmung zu beurteilen, ist breitbandiger geworden nicht zuletzt, weil auch ich „breitbandiger“ geworden bin. Ich bin (wie in meinem ersten Post hier im Thread gesagt) insgesamt auch femininer in meinen Outfits geworden – ganz überwiegend jedenfalls – und das Schöne ist, das scheint meine derzeitige Freundin auch ganz extrem mitzutragen und dass sicherlich sogar noch mehr für mich möglich wäre, was ich aber zum Teil defintiv nicht möchte…
Gruß an alle
und guten Start in 2021!!!
Wolfgang