Lieber Michael,
ok, du nimmst dir also als Nichtmuslime nicht heraus, Muslimen zu erklären, wie sie den Koran zu interpretieren haben. Du nimmst die aber als Nichtmuslime heraus mir zu erklären, wie ich den Koran zu interpretieren habe.
Immerhin warst du es, der diese Sure von der angeblichen Toleranz des Islam, Andersgläubigen gegenüber, in den Raum gestellt hast. Ich versuchte dann, den von dir angegebenen Link zu laden, tja, er funktionierte nicht. Also suchte ich die Sure eben selber und stieß dann auf eine andere Seite, wo etliche Korangelehrte die Sure auslegen und keiner von ihnen behauptet, daß in dieser Sure von Toleranz die Rede sei. Das sagen diese Korangelehrten, also unterstelle bitte nicht mir schlechte Koranexegese.
Ja, das wäre so eine schöne Welt, wenn es nur lauter liberale Gläubige gäbe, die sich immer gegenseitig Recht geben, selbst wenn sie in Wirklichkeit völlig anderer Meinung sind. Wenn du nur mit solchen auf diesem Planeten leben willst, wäre es wohl gut, wenn wir alle aussterben, aber das spielt es nicht .
Ja, Bibel (inklusive Hebräische) und Koran sind wie Feuer und Wasser. Wenn Menschen in die hebräische Bibel etwas hineinlesen, das dort nicht steht, ist das wieder eine andere Sache. Mich brauchst du jedenfalls nicht dazu zählen. An keiner Stelle des AT gibt es auch nur die geringste Rechtfertigung, die Völker Afrikas zu versklaven. Mir wird auch nicht im Traum einfallen, dem Volk Israel Grausamkeit zu unterstellen.
Zu deinem abfälligen Satz: Na, ja, näh Du Deinem Freund den Hochzeitskilt. Ich hoffe, das kannst Du besser als Koranexegese.
Vielen Dank für diese herablassende Bemerkung. Zur Koranexegese, siehe oben, sie ist nicht von mir. Was den Kilt betrifft, daß ich davon eine Ahnung habe und das Handwerk verstehe, darauf kannst du dich verlassen. Du wohnst ja sogar in jener Stadt, in der auch meine Schülerin beheimatet ist. Du kannst ja sie mal fragen, ob ich weiß, wie man einen Kilt näht, bzw. ob ich es kann. Ich habe im Lauf der Jahre wahrscheinlich mehr Kilts genäht, als so mancher schottische Kiltmaker, weil die nämlich die bei ihnen in Auftrag gegebenen Kilts so gut wie nie selber nähen. Ich hatte in all den Jahren noch nie Kunden, die etwas zu bemängeln gehabt hätten. Aber genug davon.
Du weißt schon wie ich diesen Satz meinte. Ich wollte wissen, wie du reagiert hättest, wenn du als der, der du heute bist, vor Jesus gestanden wärest. Mit Anachronismus hat das also nichts zu tun. Ich könnte genausogut sagen, wie würdest du reagieren, wenn Jesus heute vor dir stünde.
Liebe Grüße,
Hans
Lieber Hans,
den Koran, die Bibel, die Bhagavad Gita, die Mahayana-Sutren usw. usf. kann man sehr verschieden interpretieren.
Man könnte vorgehen wir Rock aktiv und diese Bücher alle als "Märchenbücher" ablehnen. Meine Erfahrung ist aber die, dass in ihnen viel Weisheit steckt. In Märchen übrigens auch. Deswegen lehne ich weder Heilige Schriften noch Märchenbücher ab, setze sie aber auch nicht gleich.
Ich beobachte, dass es Menschen gibt, denen eine Heilige Schrift sehr wichtig für ihr Leben ist. Für tradtionelle Muslime ist der Koran sogar direkt von Gott geoffenbartes Wort. Nun sehe ich, dass es Muslime gibt, die von daher sehr intolerant mit Andersgläubigen umgehen. Und ich sehe, dass es Muslime gibt, die von daher sehr tolerant mit Andersgläubigen umgehen.
Wenn ich nun den Koran als furchtbares Buch bewerte, stärke ich die intoleranten Muslime, die mir dann ja Intoleranz vorwerfen können. Und ich schwäche die Position der toleranten Muslime. Da ich das nicht will, sage ich, dass es viele Möglichkeiten gibt, den Koran zu interpretieren und dass mit die Interpretation der toleranten Muslime lieber ist.
Genau so mache ich es mit den anderen Religionen und deren Interpretationen ihrer heiligen Schriften.
Wenn ich es so machen würde wie Du, würde ich ja den toleranten Muslimen sagen, dass sie keine echten Muslime sind. Das sagen die intoleranten Muslime auch, so dass ich mich zu ihrem Komplizen machen würde. Damit würde ich die Stellung der toleranten Muslime im Kampf um die Deutungshoheit schwächen. Letztlich würde dann die intoleranten und gewaltaffinen Muslime siegen. Das wäre die Folge einer nichtmuslimischen Koranexegese, wie Du sie betreibst. Mir verbietet es mein Verantwortunsethik, es so zu tun.
Ich habe indes den Eindruck, dass Du nur die Interpretationen der intoleranten Korangelehrten zulässt. Du siehst nur die Gewalt und Intoleranz. "Es gibt keinen Zwang in der Religion" (Koran 2,256) (übrigens keine Sure, sondern eine Aya) kann auch sehr unterschiedlich interpretiert werden (vgl.
http://de.wikipedia.org/wiki/Kein_Zwang_in_der_Religion) Du suchst Du die intoleranten Korangelehrten aus. Warum?
Und warum suchst Du Dir in Bezug auf die Bibel die toleranten Interpretationen aus? Wie gehtst Du um mit Exodus, 17-19 oder Exodus, 32, vor allem Vers 27? Ist das, was Gott da von Moses verlangt in irgendeiner Form tolerant? Und nein, ich unterstelle Juden und Muslimen nicht, die könnten gar nicht tolerant sein, sondern müssten diese Stellen aus der Bibel herausreißen, um tolerant sein zu können. Es kommt ja auch bei diesen Stellen darauf an, wie man sie interpretiert. Und das ist beim Koran und bei jeder heiligen Schrift genau so. Und überall findest Du Fanatiker, auch bei Hindus und Buddhisten. Die Bhagavad Gita z.B. wird von Hindu-Nationalisten im Sinne einer Aufforderung, Feinde zu töten, verstanden, von Mahatma Gandhi wurde sie im Sinne einer friedlichen Pflichterfüllung verstanden. DeinerVorgehensweise nach müsste man Gandhi vorwerfen, kein richtiger Hindu zu sein. Das hat sein Mörder ja auch geglaubt.
Deine Nähkünste wollte ich übrigens nicht gering achten, sondern Deine einseitige Exegese. Man kann eben nicht alles! Und wenn ich sehe, wie sehr Du gegen die friedlichen Muslime vorgehst, indem Du ihnen sagst, ihre Koranexegese sei falsch, dann sage ich: Nähe lieber Kilts, denn davon scheinst Du was zu verstehen.
Menschen, die die Heiligen Schriften anderer Menschen so interpretieren, dass sie diesen Menschen sagen, sie könnten ja gar keine friedlichen Menschen sein, wenn sie ihre Heilige Schrift richtig interpretieren, gießen Öl ins Feuer. Und das ist es, was Du machst. Was hat das mit Frieden zu tun?
Ich bin ja immerhin froh, dass Du zumindest keine physische Gewalt anwendest, um Deine Sicht der Religion auszubreiten oder zu verteidigen. Aber wie Du mit Muslimen umgehst, die ihren Koran im Sinne einer Friedensverplichtung interpretieren, indem Du ihnen sagst, sie interpretierten ihren Koran falsch, das ist nicht friedlich! Du machst Dich damit zum unfreiwilligen Komplizen der Islamisten, die alles daran setzen, alle Muslime auf ihre Seite zu bekommen. Und wenn ein friedlicher Muslim sieht, dass er von Leuten wie Dir nicht als friedlicher und echter Muslim akzepitiert wird, wenn er seine Heilige Schrift durch Leute wie Doch beleidigt fühlt, dann läuft er zu denen über, die ihn als echten Muslim akzeptieren und ihm weismache, wenn er jetzt intolerant und gewaltbereit wird, dann sei das nur eine Verteidigung gegen die Angriffe von Ungläubigen.
Bist Du Dir dieser Verantwortung bewusst?
So, ich wiederhole mich. Ob Du es nun verstanden hast?
LG,
Michael