Rechnet man mich dazu, ist mir das egal.
Im Einzelfall mag mir das egal sein.
Im Generellen aber eher doch nicht, will ich doch auch andere Männer dazu inspirieren, sich nicht an die ewige Hose festzuklammern. Da ist eine Einschätzung als "queer" eher nicht förderlich.
Vielleicht gehört man als Rockträger auch wirklich dazu?
Wer als Mann einen Rock trägt, ist auf jeden Fall heutzutage "gendernonconforming".
GNC - wird häufig zum queeren Spektrum gerechnet.
GNC... aha, neues Wort, neue Schublade...! Hatte ich doch gerade "gn" kennengelernt, das mir als Ersatz zu "m/w/d" begegnet ist.
Mag sein, dass andere Menschen einen männlichen Rockträger als "queer" ansehen. Das kann ich nur begrenzt beeinflussen.
Ich selbst sehe mich aber nicht als "queer", genausowenig wie eine Frau in Hosen automatisch "queer" sein muss.
Es ist halt schade, dass alles, was aus der engen Männlichkeits-Schablone herausfällt, gerne als Symbol der Queerness benutzt wird. So leicht, wie man als Mann als "queer" aufgefasst werden kann, so schwer haben es Frauen, ihre Queerness zum Ausdruck zu bringen. Und so wie Hosen an Frauen nicht als "queer" aufgefasst werden, sollen Röcke oder Kleider an Männern ebenfalls nicht als "queer" aufgefasst werden. Diesen Gedanken aber muss man erst einmal unter die Leute bringen; deswegen ist es mir nicht so völlig egal, für "queer" gehalten zu werden - auch wenn ich von Kopf bis Fuß mich in Dinge hülle, die es so derzeit nur in den Damenabteilungen erhältlich gibt.
Wie sehr man doch wieder in die "queere" Ecke - die an sich ja nicht verwerflich ist - verortet wird, hat mir jener Umstand gezeigt:
Aus oben besagten Gründen meide ich sonst das CSD-Umfeld. Letzes Jahr aber hielt ich mich ganztags gut sichtbar in der Stadt auf. Und einen Kilometer beim CSD-Umzug bin ich auch mitgelaufen - es war eine gruppendynamische Entscheidung, der ich mich nur ungern entziehen wollte. Tage und Wochen später wurde ich darauf "von den Leuten" angesprochen.
Und in den letzten Wochen rund um den diesjährigen, hiesigen CSD ging das wieder los; all die Jahre zuvor war das nie ein Thema. Das vom letzten Jahr hat sich wohl rumgesprochen. Auch von jenen Leuten, denen ich schon vor vielen Jahren ihre Fragen nach meiner Motivation beantwortet hatte und denen meine Motivation eigentlich längst geläufig gewesen sein musste.
Einmal rund um den CSD wahrgenommen worden - und schon fällt man aus der engen Männlichkeits-Schablone wieder endgültig raus, in die man sich über die Jahre hinweg mühsam einzupassen versucht hat. Oder anders ausgedrückt: die ursprüngliche Idee, ein Mann könne auch ohne "queer" etwas anderes als Hosen tragen, wurde mit einem Fingerschnipps ad acta gelegt und mühelos durch "ach, doch queer!" ersetzt.
Nochmal: Im Einzelfall ist mir egal, für queer gehalten zu werden, aber die Botschaft, Mann muss keine Hosen tragen, ist mir wichtiger.
Gerade gestern: Was habe ich genossen, im schwingenden Kleid bei 35 Grad und spät abends noch immer 27 Grad luftig bekleidet zu sein. Für eine gewisse Weile war ich unter anderen Männern (ausschließlich Männer, fast alle jung), von denen ich niemanden kannte, alleine. In dieser kleinen Weile hatte ich Zeit zum Nachdenken. Ich fühlte mich körperlich sauwohl. Keiner der Männer schien auch nur im Geringsten ein Problem mit mir zu haben, also hätte ich mich demnach auch sozial wohl fühlen können. Dennoch fühlte ich mich emotional bedrückt. Ja, das war wieder einer jener Momente, wo ich zutiefst bedaure, wie stark die Hosenbesessenheit bei Männern verbreitet ist. Bei all meiner persönlichen Freiheit, die ich durchweg genieße, stimmt mich das tieftraurig.
Insofern stimme ich Gregor ganz besonders in dem Punkt zu: Als Minderheit der rocktragenden Männer stehe ich für meine kleine Gruppe ein. Meine Vermutung ist, die Gruppe ist eigentlich viel größer, nur es trauen sich ganz viele nicht. Und mit der Etikette "Queerness" wird man die wenigsten davon befreien können.
Möge doch jeder tun, definieren zuordnen, denken und sagen was er will - egal, das ändert für die Person die ich bin, nichts.
Das ist richtig. Aber dennoch möchte ich nicht dauerhaft als absoluter Exot dastehen, genausowenig wie Frauen als Exotinnen dastehen, wenn sie sich in Hosen kleiden. Daher ist mir meine zueigene Botschaft eher wichtig, als was die Leute denken.