Mit Verlaub, meine Herren, darf ich Sie wieder in die Damenabteilung führen:
Kleiderkauf in Chile
Als Seemann viel unterwegs war der längere Aufenthalt in der Werft in Valdivia willkommen. Schon lange, jahrzehntelange, wollte ich aus der westlich diktierten Bekleidungsnorm für Männer ausbrechen, ist doch der herkömmliche, langweilige Anzug an warmen Tagen eine unnötige Qual, das Jackett, mit 6 taschen, die man nicht benutzen darf weil es sich ausbeult, das empfindliche Hemd, geschlossen, die Krawatte, geht's noch? Und man muss hoflich um Zustimmung bitten um etwas ablegen zu können, will nicht der erste sein und traut sich nicht recht, und dann noch die Hose, sie will hochgezogen werden um beim Sitzen an den Knien nicht auszubeulen, unpraktisch! Durch weitgehende Akzeptanz von Freizeit- Jeans- und Sportkleidung hat sich manches getan, aber den Durchbruch zu zweckmässiger und dennoch gesellschaftsfähiger Sommerkleidung hat es nur für Damen gegeben. Warum? Ist doch Vollquatsch! In Nigeria habe ich mir 1976 einen Kaftan zugelegt, er berührte den Körper nur an den Schultern und war sehr angenehm zu tragen, er wurde mir jedoch mit allem anderen Gepäck geklaut. Ich hätte auch wegen der gesellschaftlichen Vorbelastung Hemmungen damit in Europa herumzulaufen. Jetzt gibt es einen zaghaften Anfang, es wird geschrieben, es werden Bilder publiziert, es gibt Firmen, die sich spezialisieren - Mann trägt Rock. Noch nie habe selbst ich Rockträger gesehen. Valdivia, mit ca 120000 Einwohnern in Südchile ist modemässig ziemlich vom Schuss, dennoch, und auch durch völlige Anonymität ermutigt, inspiriert durch verschiedene Websites ging ich in das führende Damenbekleidungshaus und liess mich von der Verkäuferin beraten, ich hatte eine ziemlich fixe Vorstellung was ich wollte. Wir hatten guten Spass, gingen durch die begrenzte Auswahl. Mit 190 Länge und 105 kg bin ich um einiges grösser als die eher kleinen Chileninnen, dazu lange blonde Haare und Dreitagebart. Wir fanden einige Röcke, einen schwarzen Wickelrock, der mir am besten gefiel und recht gut passte und einen braunbeigen Rock aus velourartigem Stoff, den ich gleich anbehielt. Die Verkäuferin hatte bestimmt recht, dass das T-Shirt nicht passte und verkaufte mir noch ein rotes Top. Mir gefiel, was ich im Spiegel sah, und ich wurde mit einem Problem der Damenwelt konfrontiert - keine Taschen. So kaufte ich mir noch eine kleine praktische Umhängetasche in der ich all den Krimskrams aus den Jeanstaschen verstauen konnte. So gerüstet durchdrang ich die Menschentraube, die sich mittlerweile gebildet hatte und wagte den ersten Schritt auf die Strasse. Ich hatte viel weniger als geplant ausgegeben, und wollte noch einen Jeansrock und klapperte die Boutiquen am Hauptplatz ab. In einem eleganten Laden für Ledermode und Reitsport wurde ich fündig, ein 5 Taschenjeansrock aus Stretchdenim, sie hatten da allerdings keinen von der Länge passenden Gürtel, sah aber wonach ich suchen muss. Bei einem Strassenhändler erstand ich einen Gürtel und war glücklich. Gruss aus Papeete, Tahiti, aus Chile bin ich vor einem Monat ausgereist und war die ganze Zeit auf See, kalotto