In einem anderen Forum, wo auch der eine oder andere von hier verkehrt, gab es vor einiger Zeit die Frage einer Frau, warum Männer keine Kleider an Frauen mögen -- es war nicht der erste derartige Beitrag, aber der, wo ich mich dann beteiligen mußte :-). Ich hatte schon seit geraumer Zeit Überlegungen dazu angestellt, die ich dann dort veröffentlichte. Jetzt möchte ich sie an der Stelle einbringen, da sie auch dieses Thema anschneiden:
Mich beschleicht bei solchen Klagen ...
... immer das Gefühl, als gäbe es eine schleichende Gegenrevolution, die --bedauerlich wie es ist-- tatsächlich sowas wie Modegleichheit wiederherzustellen versucht, wenn auch unbewußt. Es gibt nicht wenige Männer, die unpraktischen Firlefanz ablehnen und den auch bei ihren Partnerinnen nicht gutheißen. Ein sehr guter Freund von mir z.B. kann es eigentlich nicht leiden, wenn Frauen Absatzschuhe tragen: Er ist da ziemlicher Pragmatist und rational eingestellt, Absatzschuhe _sind_ unpraktisch, eigentlich auch zum nur gelegentlichen Tragen viel zu ungesund und gefährlich. Seine Partnerin ist glücklicherweise selbstbewußt und freigeistig genug, sich nicht auf seine Abneigung einzulassen und trägt sie, wenn sie Lust hat, wenn sie auch meistens eher so der maskuline Typus Frau ist. Interessanterweise ist er ein begnadeter Musiker mit einem beachtlichen Gefühl, seine eigenen Kompositionen sehr humorvoll zu gestalten. Ansonsten ist er durchaus als Aspergerkandidat wahrzunehmen.
Ich habe jetzt schon mindestens zwei Threads hier mitbekommen, wo Frauen darüber klagen, daß ihre Partner sie lieber in der sogenannten Unisex-Einheitskluft hätten, sie also den gleichen Verzicht üben wie der männliche Beziehungspartner. Auf Partys kriege ich gelegentlich mit, mit welchem Unverständnis Männer dem Wunsch der Frauen nach exklusiven Aussehen und Ästhetik begegnen. Es ist nur eine Grundstimmung, ein Kopfschütteln hier, ein gequältes Lächeln (Marke "Sie ist halt ein bißchen schwachsinnig, aber sonst ganz harmlos"), nie wirklich Gesprächsthema, aber spürbar.
Meine Partnerin hat sich mal zu meinem Geburtstag richtig rausgeputzt, schön geschminkt, aufwendige Frisur; ein langjähriger Freund von ihr, den ich auch sehr mag und eingeladen hatte, war der einzige, der ihr Aussehen rundheraus ablehnte -- er hat sie mit einem burschikosen Stil kennengelernt, ohne jede Zierde. Auch er bringt weiblichem Dekorationsbemühungen wenig Verständnis entgegen, tut es als Oberflächlichkeiten ab.
Leider läßt sich wohl kaum feststellen, ob diese Abneigung gegen ästhetischen Ausdruck in der Kleidung in den letzten Jahren zugenommen hat oder nicht. Bemerkenswert ist --vielleicht auch nur eine Koinzidenz--, daß in der islamischen Welt in den letzten zwei Jahrzehnten ein 'Trend' zurück zu den traditionellen Kleidungsstücken festzustellen ist, die ähnliche Funktion ausüben wie hierzulande die Jeans-, T-Shirt- und Turnschuh-Kombination, nämlich die Geschlechtlichkeit, ach!, eigentlich die Körperlichkeit aus dem öffentlichen Raum und der Wahrnehmung zu verdrängen. Es wäre interessant zu wissen, ob dies alles Ausdruck einer globalen Entwicklung ist, die sich uns bislang nur noch nicht offenbart hat.
Das waren so meine Gedanken zu dem Themenkomplex, die ich jetzt schon einige Wochen mit mir rumschleppe.
LG
Madinside
In einem Folgebeitrag, der meine weiteren Überlegungen enthielt, machte ich dann den Themenschwenk.
Weiter gedacht
Nachdem ich meine Gedanken in meinem vorigen Kommentar mal aus meinem Kopf bekommen habe, konnte ich tatsächlich mal ein wenig weiter drüber nachdenken. Und damit auch einen Bogen zu ... einem anderen Themenkomplex spannen.
Angenommen die als 'weiblich' bezeichnete Mode zeichnet sich durch Betonung der Sexualität aus oder dient zumindest der Präsentation des weiblichen Körpers (ich kann nicht anders, aber irgendwie kommt mir das Bild eines Viehmarktes dabei in den Sinn), dann muß das Tragen entsprechender Kleidungsstücke als 'Angebot' aufgefaßt werden: "Sieh her, ich bin potentielle Beute!"
Themenschwenk zu "Mann in Frauensachen":
1. Frauen, die in ihrer Sexualität gefangen sind, müssen einen Mann in Frauensachen als Konkurrenz oder als Parodie ihrerselbst auffassen.
2. Andere Männer müssen sich verhöhnt vorkommen, da sich ihnen ein Mann anbietet.
3. Männer in Frauensachen empfinden durchaus unterbewußt ähnlich wie ihre Geschlechtsgenossen aus Punkt 2, daß sie sich damit körperlich anderen Männern präsentieren, woraus die Angst und Verunsicherung herrührt, sich darin öffentlich zu präsentieren -- zumindest solange der Frauensachenträger weiterhin deutlich als Mann in Frauensachen zu erkennen ist. Bei einer kompletten Verkleidung mag die Hemmung sinken. Diese Männer fürchten einerseits die Aggression ihrer Geschlechtsgenossen aufgrund des 'Vorspielens falscher Tatsachen', andererseits wollen sie sich ja eben nicht Männern anbieten, da sie ja heterosexuell sind.
Ergänzend zu Punkt 3: Schwule Männer haben mit Frauensachen ganz andere Probleme und gehen mit dem Problem der körperlichen Präsentation anders um. Da sie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung bereits genügend gesellschaftliche Ächtung zu befürchten haben, halten sie sich von offensichtlichen Frauensachen fern und verfeinern stattdessen wenn überhaupt die Möglichkeiten, die sich ihnen als Mann bieten (Körperpflege, figurbetonte Kleidung, dezenter Schmuck). Im Rahmen der Männermode nutzen sie auch bereitwilliger das Angebot an Mustern und Farben (so zumindest meine Beobachtungen).
Wie auch immer: Die abendländische Kultur ist aufgrund ihrer christlich-kirchlichen Prägung eher sexualfeindlich eingestellt. Naja, gut, ob's in anderen Kulturen besser ausschaut? -- ich weiß nicht. Wir lernen aber einfach nicht oder erst viel zu spät wenn überhaupt, wie mit Sexualität oder mit Körperlichkeiten (in Ermangelung eines besseren Wortes) umzugehen ist, Männer weniger als Frauen (s. dazu auch den Thread "Männer und körperliche Nähe - immer noch ein Tabu?" von t4u in Forum->Gesellschaft->Mix ).
Im aktuellen SPIEGEL 2/09 vom 5.1.09 (Titel: "Obamas bester Mann [...]") findet man auf Seite 64 einen Absatz, den ich exemplarisch zitieren möchte: "[...] Oft trösteten sich die Mädchen gegenseitig, wenn sie Heimweh hatten oder ihr Boss sie ausgeschimpft hatte, weil sie nicht flink genug arbeiteten. Dann schmiegten sie sich nachts aneinander -- so wie Xiaoju es von zu Hause gewohnt ist, mir ihren Geschwistern in dem gemeinsamen Bett." Können wir uns vorstellen, diesen Absatz statt mit Mädchen mit Jungens zu lesen (zur Info: Besagte Mädels sind so 17 Jahre)? Eher nicht, auch wenn es vielleicht sogar vorkommen mag, aber wer immer sowas beobachtet, mitbekommt oder drüber schreibt, wird wohl Probleme haben, keine sexuellen Unterstellungen vorzunehmen. Denn Jungens sind hart! Sie kämpfen! Sie lassen sich nicht unterkriegen, daß sie sich kümmerlich aneinanderschmiegen müssen, um Trost zu finden! -- das machen nur Mädchen.
Na huch! Jetzt habe ich sogar schon einen zweiten Themenkomplex angeschnitten. Schauen wir mal, ob ich den Bogen zurückspannen kann. Im Zuge der Gleichberechtigung, der Emanzipation der Frau und der Anerkennung der neuen Rechte der jetzigen Frauengeneration durch die jetzige Generation an Männern, wird den Frauen auch das Privileg aberkannt, sich verletzlich geben zu dürfen, als hilfs- und schutzbedürftiges Wesen auftreten zu dürfen, was durch die sogenannte 'weibliche' oder 'feminine' Kleidung unterstützt wird. Von so manchem Mann wird verlangt, daß Frau genauso hart, genauso 'tough' zu sein hat, wie Männer es schon heute sein müssen. Diese Männer wollen nicht nur eine gleichberechtigte Partner, sie wollen eine Partnerin auf Augenhöhe, kein albernes, verspieltes und verweichlichtes Ding (hart und überspitzt ausgedrückt).
Au Mann! Ist das gut! Ich sollte mir den Text abspeichern, ausdrucken und einrahmen.
LG
Madinside
Letztlich geht es gar nicht wirklich um Rock oder nicht, sondern um die Aussage, die die Kleidung trifft. Ein Kilt mag in der richtigen Kombination richtig 'tough', also maskulin-männlich aussehen -- aber was ist dadurch gewonnen? Männlich kann ich auch in allen anderen angebotenen Klamotten aussehen, ich bin weiterhin dazu verdammt, das Bild des harten Kerls, des Felses in der Brandung, des Ankers, der personifizierten Seriösität darzustellen. Wenn wir es schaffen sollten, Ballkleider für den Mann zu entwerfen, die ebenfalls richtig maskulin, männlich, tough, gefühlsarm aussehen, ist auch dann nichts gewonnen (s. arabisches Herrengewand Dischdascha). Erst dann, wenn Männer es schaffen, dem Zwang zu entkommen, ständig als Siegertyp, als Kämpfer, als Kerl wahrgenommen werden zu wollen, erst dann haben sie etwas gewonnen. Und das ginge dann sogar ohne Rock, ohne Kleid, ohne Absatzschuh, ohne Feinstrumpfwaren zu tragen -- es ginge, ja, aber es würde vermutlich auch niemanden mehr interessieren, wenn man solche Sache trüge. Kleidung ist eine Bildersprache, wo man mit Röcken & Hosen das gleiche aussagen kann.
Der Grund gegen den Rock am Mann ist also, daß der Großteil der Röcke eben dazu dient, den Vertretern des vorherrschenden Bildes vom Mann den Eindruck von Weiblichkeit zu vermitteln. Die freizügige Darstellung der Beine (bei Röcken kürzer als knöchellang) und die Tatsache, daß der Schritt nicht sichtbar durch Stoff geschützt ist, wird als Lockreiz verstanden. Desweiteren gehört das betont breitbeinige Sitzen mit zum männlichen Imponiergehabe, was sich, um den Anstand zu wahren, nur wirklich gut mit einer Hose machen läßt -- das Imponieren dürfte wohl seine Wirkung nicht nur verlieren sondern sich sogar ins Gegenteil verkehren, probiert Mann das in einem Rock, wo er beim Beinebreitmachen erstmal den Stoff zwischen die Schenkel schieben muß. Macht eine Frau sowas, ist das wohl eindeutig als sexuelle Anspielung zu verstehen: "Komm doch (Beine öffnen), aber ich mach's Dir nicht leicht (Stoff zwischen die Schenkel schieben)".
Für mich ist die Überwindung des Männlichkeitswahnes die erstrebenswertere Lösung als sich den gesellschaftlichen Erwartungen zu unterwerfen. Ich denke, Männer verlieren aufgrund dessen unglaublich viel.
LG
Masin