Samstag bin ich mit meiner Frau Einkaufen gegangen. Während sie in ein Geschäft gegangen war, war ich draußen geblieben. Des Windes wegen war es bitterlich kalt, und ich hatte, wie an diesem Tag alle Männer und die meisten Frauen, Hosen an. Dann kam plötzlich auf dem Bürgersteig spazierend ein Mann, der ein klassisches Damenfahrrad schob.
Mitte/Ende vierzig, kam er mir vor. An hatte er eine knallrote Windjacke, derbe Schuhe und kurze, graue Socken. Und einen hellgrauen Rock, der ja auch hätte ein Kleid sein können. Dünn und wadenlang war er und mit hohen Schlitzen an beiden Seiten. Er flatterte im Wind und machte ihn aussehen wie ein Minirock.
Nur wenige schienen diesen Mann überhaupt zu bemerken. Die, die es taten, hielten höchstens für ein paar Sekunden die Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet. Von Bemerkungen war nicht die Rede, was auch nicht zu erwarten gewesen wäre. Dazu sind die Leute in diesem Vorort zu gebildet.
Der Mann selbst ging mit offenen Augen, aber ohne etwas zu bemerken, schien es. In seiner ganz eigenen Welt schob er sein Fahrrad an den Fußgängern vorbei. Nichts Heroisches war über ihn. Im Gegenteil, er sah erbarmenswert aus mit der roten Jacke, den grauen Rock, den nackten Beinen und seinem weltfremden Blick.
Erst spekulierte ich darüber, ob er doch ein Einheimischer sein könne, aber dann sah ich, dass er der Straße entlang weiterging, wo nur noch der S-Bahnhof ist. Also ein Mann, der vermutlich endlich Mut gesammelt hatte und im Rock mit Fahrrad und S-Bahn zu einem nördlichen Vorort der Hauptstadt gefahren ist, wo er niemand kennt, und niemand ihn, in der Hoffnung er könne dort seinen Traum ausleben. Oder hatte er unterwegs auf einer Toilette seine Hose mit dem Rock gewechselt? Wäre wahrscheinlich.
Ob er davon etwas gehabt hat? Schwer zu sagen, aber hoffentlich, natürlich, obwohl es nicht so aussah. Nur der Umstand, dass ich mich dafür interessiere, macht wohl, dass ich mich nach zwei Tagen an die Episode noch erinnern kann. Alle anderen haben sie sicher längst vergessen.
Hätte er sich doch besser angezogen und natürlich anwesend vorgekommen.
Und zum Thema: Ja, er war einer im Rock.
Gruß
Gregor