Samstag nach dem Mittagessen hatten wir beschlossen, das Stadtfest unserer Heimatstadt zu besuchen. Die Temperatur lag bereits bei über 32Grad und es war für mich
die Gelegenheit, den Rock unter vielen Menschen (vor allem vor vielen mir persönlich bekannten Menschen) zu tragen.
Es würde sicherlich etwas anderes ein, als wenn man nur im Rock zum Einkaufen geht, dachte ich mir. Die Menschen auf so einem Fest haben Zeit, sich alles anzusehen und ich habe Zeit, auf die Reaktionen zu achten und auch das eine oder andere Gespräch mit zu verfolgen. Also war meinerseits klar: Das wird heute eine Bewährungsprobe für die Gedanken, die sich meine Frau immer so macht!
Ich ziehe mir was bequemes an.. ! meinte ich nur kurz zu meiner Frau und verschwand im Schlafzimmer. Der leichte hellblaue Rock, den ich seit dem Nachhausekommen trug, schien mir nicht geeignet fürs Stadtfest, schließlich würde ich sehr wahrscheinlich auch Geschäftspartner und Kunden treffen.
Erster Versuch:
mein beiger, leichter Leinenrock, der etwas unterhalb der Knie endet (und der ist so herrlich bequem und luftig leicht), dazu ein braunes Kurzarmhemd mit Safari-Charakter. Ich ging in den Flur, sah mich eigentlich als fertig gekleidet an. „Im Rock?

Zum Stadtfest, wo Dich fast jeder kennt?“-
Ja. Es ist warm und niemand wird was negatives dazu sagen. – „Der Rock hat aber ein paar Knitterfalten!“ -
Ja, es ist Leinen, das knittert nun mal. Oder soll ich lieber einen anderen anziehen?
– „Den knittrigen nicht - und auch kein Hemd dazu!“

2.Versuch:
schwarzer schön schwingender knielanger Rock, dazu ein weiß meliertes Polo von Versace. Ich zog es vor, das Polo über den Rock zu tragen, ist luftiger. „Das ist ein Damenrock, oder?“-
Es ist einer von meinen Röcken, gefällt er Dir nicht? - „Schon, aber wenn Du Dich umdrehst, könnte man den Reißverschluss hinten sehen. Hast du keinen Männerrock?“
Doch, sagte ich sicher, denn nun wusste ich ja nun, woran man einen Männerrock erkennt: er hat keinen Reißverschluss hinten!

3.Versuch.
Ich brachte 2 unterschiedliche Jeansröcke. Einer ein Jeansrock: 5Pocket-Style, relativ gerader Schnitt, breite Gürtelschlaufen, keine femininen Verzierungen. Ich nahm einen schwarzen Gürtel und zog ihn mit der Vorwarnung:
Das ist zwar ein "Männer"-rock, aber er ist kürzer als der andere. an. „Ja, der ist kurz. Hat der einen Gehschlitz?“ Ich verneinte und drehte mich rum. Und was dann kam, brachte mich fast zum Lachen: „Ja, das ist ein Männerrock, aber der ist schon sehr kurz!“
Jetzt war ich genau an den Punkt, wo es nach der anfänglichen Anspannung begann, lustig zu werden. „Männerröcke haben nämlich keinen Gehschlitz.“, meinte sie.
Und wie soll ein Mann im einem langen Rock dann gehen? „Na wenn der Rock länger ist, dann ist er ja breiter unten, das geht schon.“
Mein Schatz, ich habe viele Röcke und alles, was nicht aus Stretch-Material ist oder durch Falten wie am Kilt so weit ist, dass man bequem drin gehen kann, hat einen Gehschlitz hinten oder sogar an der Seite. Der wadenlange Jeansrock hat sogar an jeder Seite einen Gehschlitz. Ich trage ja auch keine Zelt-Röcke Und dann machte ich kleine, komische Tippelschritte und meinte, so müsste ein Mann im Rock gehen, wenn der Gehschlitz fehlt .
Das sähe doch doof aus, oder? Sie lachte nun auch.

Nun gab es den vierten Versuch.
Der andere Rock, den ich bereist mitgebracht hatte. Schwarzer Jeansrock (einer meiner Lieblingsröcke) aus leichtem Jeans-Stretch (siehe Profilbild).
DAS ist ein Damenrock, verkündete ich. 5 Pocket, Knielang, ein kleiner Gehschlitz hinten. „Besser als der Kurze. Aber dazu ziehst Du jetzt keine Damenschuhe an, oder?“ Das war also das Startsignal, Ihre Gedanken um Gedanken anderer Leute mal jetzt mal richtig zu zerstreuen.
Soll ich die schwarzen Trekkingsandalen nehmen? Die sind männlich, aber immer noch luftig genug. (und ich dachte mir: Und die passen gar nicht gut zu dem Outfit, doch egal) Ich wollte im Rock raus. „Ja, die kannste dazu anziehen.“
Sie trug ein schönes weißes Shirt und eine Jeans-Hotpant, dazu schwarze Riemchensandalen, ich mein weiß meliertes Versace-Polo, einen Damenrock von WomenBest (bin ja auch „My Womens Bester“). Und dazu in meinen Augen „unpassende“ Trekkingsandalen.
War mir erstmal egal mit den Schuhen, denn der nächste Schritt sollte ja nach der Rückkehr vom Stadtfest folgen, wir waren noch bei Ihrer Familie zum Grillabend eingeladen.
Wir gingen also Hand in Hand zu Fuß in die Innenstadt, es sind bis zum Marktplatz etwa 500 Meter. Wir trafen einige Bekannte und ich traf auch auf meinen Bankberater, der nicht nur sympathisch, sondern auch kompetent ist - egal was er trägt.
Wir unterhielten uns. Er war als Stadtwächter gekleidet und ich sah an ihm herunter und bemerkte: er trug zu den Kniebundhosen der Kostümierung auch ähnliche Sandalen wie ich! Ich sagte:
Das ist zwar nicht das passende Schuhwerk zum Outfit, doch wohl das einzig Richtige bei der Hitze und lenkte damit bewusst den Blick nach unten. „Ja, das ist luftiger - Sie sind ja heute auch luftiger gekleidet als sonst.“ Er hatte den Rock bemerkt und sah ihn kurz an
Ja, es ist sehr warm, es wäre schön, wenn ein bisschen Wind käme! meinte ich. Wir sprachen noch etwas über den Besucherstrom und das Fest im allgemeinen und verabschiedeten uns zum Eiswagen.
Der nette junge Mann im Eiswagen kannte uns noch vom letzen Jahr, als wir selbst als Aussteller dabei waren. Netter Smalltalk, 2 Eis geholt und dann ins Getümmel. Wir trafen einige Bekannte, die uns alle freundlich grüßten, unterhielten uns mit manchen Händlern oder Ausstellern und einige schauten mir sogar nach. Ich war nicht der einzige Mensch, der einen Rock trug, doch der einzige Mann.

Viele registrierten den Rock gar nicht, es gab keine auffalenden Reaktionen, Manche Damen schauten doch sehr interesseirt und freundlich, und nur mancher Herr in seinem Vo der Sonne aufgeheitzen Ausstellerstand sah auffallend lange hin. Ich dachte mir nur
Ja, guckt nur neidisch, ich jedenfalls möchte in euren Hosen in dieser Wärme nicht rumlaufen und lächelte zufrieden.
Am Stand des NABU haben wir und dann auch wieder mal etwas länger aufgehalten und nett unterhalten, denn der NABU tauschte 10 Plastiktüten kostenlos in einen Stoffbeutel um. Wir hatten im Vorfeld zu Hause gesucht, doch nicht einmal die Hälfte von 10 Plastiktüten gefunden. Also spende ich für den NABU und bekam so auch einen schönen Stoffbeutel mit Schmetterlingen darauf. Wir unterhielten uns über verschiedene Dinge und bald kamen noch 2 weitere Damen hinzu, als ein Fotograf meinte, er würde gern ein Bild machen. Es wurden 3-4 Fotos geschossen von Menschen, die Plastik gegen Stoffbeutel tauschten und den Naturschutz unterstützen.
Falls das Foto dann irgendwo veröffentlicht wird, ist es auch mein erstes öffentlich fremdgeschossenes Rockerfoto. Ich werde mal beobachten, ob es in der Presse in der nächsten Woche irgendwo zu sehen sein wird.

Wir bummelten noch einige Zeit herum und zum Abschluss besuchten wir noch mal den Eiswagen für 2 Softeis und unseren Bankberater, der grade von zwei Damen fürsorglich umsorgt wurde: Mittels eines kühlen Fußbades und Wasser aus einem Wasserzerstäuber auf die sonnengeplagten Hautpartien verschafften Sie ihm gerade Abkühlung. Wir unterhielten uns nochmal einige Minuten und gingen dann nach Hause.
Ich habe meine Frau angesprochen, ob ihr denn irgendwas negatives aufgefallen wäre. Sie meinte, manche hätten ganz schön erstaunt geguckt. „Naja, geredet haben die vielleicht schon darüber, aber erst, als wir weg waren.“ Meinte sie.
Dann haben sie sich vielleicht geärgert, dass nicht von selbst drauf gekommen sind, dass ein Rock das bequemere Kleidungstück bei der Hitze wäre! und wir lächelten.
Wir genossen danach einige gemeinsame Stunden im Garten und gegen 18.30Uhr machten wir uns auf den Weg zum Grillabend mit Ihrer Familie. Meine Frau trug ein kurzes hellgrünes Stretch-Kleid, ich trug den kurzen Jeans-„Männerrock“ (der eigentlich kein Männerrock ist, doch er ist nun eben seit Samstag für meine Frau ein Männerrock, siehe oben), dazu ein weißes Shirt mit schwarzer Kontrastierung und vorn einem Tribal-Motiv drauf.
Die einzige Bemerkung zum Rock kam nur von der Oma meiner Frau, als wir sie begrüßten: „Sag mal, hast Du ´nen Rock an?“ Ich entgegnete lächelnd
Bei der Hitze trage ich doch keine Hose, das ist mir zu warm. Damit war das Thema für den ganzen Abend erledigt, meine Nichte fand es wieder cool. Übrigens: nahezu alle anderen Damen trugen Hosen, nur meine Schwägerin trug auch ein tollen Jeansrock (der allerdings länger war als meiner)

Am Sonntag waren wir nochmal auf dem Stadtfest und begeneten einer Gruppe von 5-6 Mädchen. Eine kicherte im Vorübergehen, eine andere meinte: "Wassn, der ist doch voll cool!" und ich hörte, wie die anderen ihr zustimmten. Ich weiß also: es gefiel, denn ich trug den kurzen Jeansrock und ein weißes Shirt mit einem Panther drauf, die Trekkingsandalen natürlich waren zu Hause geblieben

Also Zusammenfassung: Auch wenn andere Kerle gucken, es ist für mich lediglich ein Zeichen, dass sie es sich selbst wahrscheinlich nicht trauen würden. Tja, dann tragt eben Hosen und schwitzt! Ein Rock ist trotz Unterwäsche das eindeutig angenehmere Kleidungsstück

Alles Gut!