Und welches Geschlecht stellt der Chromosomensatz XXY dar?
Das ist das Klinefelter-Syndrom und tritt bei Jungen auf. Das sind sogenannte XXY-Männer bei denen zusätzlich zum üblichen männlichen Chromosomensatz (46,XY) mindestens ein weiteres X-Chromosom in allen (Karyotyp 47, XXY) oder einem Teil der Körperzellen vorliegt. Viele Männer mit einem XXY-Chromosomensatz werden durch Unfruchtbarkeit diagnostiziert.
Zur Klinefelter-Gruppe gehören auch die Polysomien, bei denen Menschen einen Karyotyp XXXY oder XXXXY haben. Nach der X-Inaktivierung in einer XXY-Zelle verbleibt die Anzahl der aktiven Chromosomen bei 46, einschließlich eines X, eines Y und eines inaktiven X, des Barr-Körperchens. Bei XXY-Männern verursacht eines oder mehrerer dieser verbleibenden, aktiven Gene die weiblichen, sekundären Geschlechtsmerkmale, und die resultierende Unfruchtbarkeit.
Dann doch einfach nach den äußeren Variationen urteilen?
Nicht alle Menschen mit 47,XXY-Chromosomensatz identifizieren sich als Mann. Ein Teil sieht sich als Frau bzw. mit femininen Anteilen, bedingt durch den niedrigen Testosteronspiegel, verstärkte Brustentwicklung, allgemein femininer Körperbau oder rein emotional. Für Individuen, die sich nicht als Mann identifizieren, kann die Diagnose Klinefelter-Syndrom unangemessen erscheinen. Das ändert aber nichts an der zweifellosen Tatsache, dass sie genetisch Männer sind.
http://www.genetic.org/Knowledge/Library/ArticleView/smid/447/ArticleID/33.aspx
https://oii.org.au/18161/representations-klinefelter-syndrome/
http://www.science20.com/chrissy039s_column/blog/mystery_extra_x_klinefelter_syndrome_and_its_missing_links
Dank, Nico, für die detaillierte Erklärung!
Für mich ist nun aber auch die Frage interessant, nach welchen Kriterien man einen Menschen mit so vielen X-Chromosomen als Mann definiert und nicht als Frau mit einem zusätzlichen Y-Chromosom. Es muss ja Gründe dafür geben.
Auch Wissenschaftler sind ja nicht frei von Konventionen und unterteilen die Welt bisweilen auf eine bestimmte Art und Weise, für die es auch Alternativen gäbe. Dass man medizinisch Rücksicht auf das Selbstbestimmungsrecht des Menschen nimmt, ist ja auch noch nicht so alt. Bis vo kurzem noch (wann genau weiß ich nicht) hat man Säuglinge mit uneindeutigem sexuellem Pähnotym einfach einem der beiden binären Geschlechter angepasst, worunter dann einige oder viele oder alle (?) der Betroffenen später litten.
Dass wir Menschen die Objekte unserer Wahrnehmung unterteilen, um überhaupt Objekte voneinander unterscheiden zu können, ist ja das Hauptthema dieses Threads. Keine Unterschiede zu machen wäre demnach nicht viabel, da wir sonst nur eine ununterscheidbare Masse sehen würden. Aber welche Unterschiede wie machen und in welche Gruppen wir die Objekte einteilen, das ist nicht nur auf eine bestimmte Weise möglich. Und darum geht es ja in dem Radiobeitrag, bei der Unterscheidung von Menschen in verschiedene Gruppen vor allem das Selbstbestimmungsrecht der Menschen zu berücksichtigen. Ethisch zu begrüßen wäre es, Menschen zunächst einmal nur als Menschen wahrzunehmen und erst in zweiter Linie eine Unterscheidung in Gruppen (Geschlechter, Rassen (wobei dieser Begriff bei Menschen von den meisten Wissenschaftlern nicht mehr gerne verwendet wird, weil seine Verwendung schnell in Rassismus übergeht, also die Wertung in höhere und niedere Rassen), Ethnien usw.) vornimmt, und dann ohne eine Hierarchie der Gruppen vorzunehmen, zumindest keine statische, wesenhafte Hierarchie. Wenn zum Beispiel in leistungsstarke und leistungsschwache Menschen aufteilt, ist das auch eine Aufteilung, die sogar wertet, aber man darf den Wert eines Menschen dann 1. nicht darauf reduzieren und 2. auch Veränderungen für möglich halten, letzteres, solange der Mensch gesund ist. Oder die Aufteilung in kranke und gesunde Menschen, die kann sinnvoll sein, um den Kranken medizinisch helfen zu können, aber sie kann auch Menschen diskrimieren. "Du bist ja krank" ist häufig pejorativ gemeint, als Schimpfwort.
Ais diesen Gründen betrachte ich solche Unterteilungen oder Unterscheidungen kritisch, wenngleich ich die grundsätzliche Notwendigkeit, Wahrnehmungsobjekte voneinander zu unterscheiden, anerkenne.
LG!
Michael