Autor Thema: Rockerfahrungen von einem College in Taiwan: Rockfreizeit  (Gelesen 2882 mal)

Offline Holger Haehle

  • Routinier
  • *****
  • Beiträge: 2.748
  • Geschlecht: Männlich
  • Es gibt nichts Gutes außer man tut es
    • holger.haehle
    • gender_free_universe/
    • holgamaria666/
    • channel/UChU2l88t1kVgVnqlcipAgqQ
In meinem Buch „Rock wie Hose – Auf der Suche nach dem Menschen hinter dem Geschlecht“ beschreibe ich im nächsten Kapitel die Erfahrungen mit dem Männerrock als Marketingthema im Fach Wirtschaftsdeutsch. Nachdem bereits seit einiger Zeit mein E-Book kostenlos im Online-Buchhandel erhältlich ist, gibt es jetzt auch das Printbuch (ISBN 978-3-7418-2222-3).
Da in diesem Kapitel überwiegend technische Erfahrungen u.a. durch die Anwendung von Instrumenten der Marktforschung behandelt werden, beschreibe ich die Details im Forum „Umfragen“.
Hier geht es weiter mit einem Sprung zum Kapitel 06: Rockfreizeit. Es erzählt meine Wege zum Rock außerhalb meines Arbeitsplatzes. Die Abbildungen aus dem Buch kann ich hier leider nicht zeigen.

06 Rockfreizeit
Das Rockerlebnis als Karnevalskostümierung war so beeindruckend, weil ich unter der Hitze litt und total schwitzte. Während meine Hose vom Schweiß wie die Pelle einer Wurst an die Beine geklebt wurde, konnte ich den Faltenrock der Schuluniform einfach überstreifen. Das war so viel angenehmer. Besonders das Streichen des Stoffes auf der Haut beim Gehen wirkte wie eine zusätzliche Klimaanlage von unten.
Sofort dachte ich: Warum tun Männer sich das an? Wieso ertragen sie in einem feuchtheißen Klima Hosen, obwohl es anders viel bequemer ist? Jeder leidet in Taiwan unter der Sommerhitze, die so drückend ist, dass es selbst im Schatten unangenehm bleibt. Da nutzt man doch jede Chance auf Erleichterung. Wahrscheinlich wissen Männer es einfach nicht besser. Sie kennen es eben nicht anders. Ich bin ja auch erst durch einen glücklichen Zufall darauf gekommen und nicht schon vor Jahrzehnten. Wurde durch eine die Geschlechter ordnende Erziehung, die verbot, das herauszufinden, eine solche Erfahrung verhindert? Als ich als Kind an einem Verkleidungsspaß mit Mädchen teilnahm, wurde mir im Wiederholungsfalle Strafe angedroht. Danach habe ich mich bei Mädchenspielen deutlich zurückgehalten.

Ich bin so beeindruckt von der Bequemlichkeit von Röcken, dass ich mich weigere in Zukunft auf den besonderen Rockkomfort zu verzichten. Ein wenig bin ich auch empört, dass ich nach der aktuellen Kleiderordnung keinen Rock tragen darf. Nur um meinen Geschlechtsstatus als Mann, der völlig zweifelsfrei ist, nicht durch falsche Kleidung aufzuweichen, soll ich auf einen Rock verzichten? Das kann doch nicht sein. Wir leben im 21. Jahrhundert. Wir sind als freie Menschen mit Persönlichkeitsrechten ausgestattet. Es kann doch nicht sein, dass der Rock die meiste Zeit unserer Kulturgeschichte Alltagskleidung für alle war und jetzt so sehr aus der Mode gekommen ist, dass man sich ereifert, wenn ich trotzdem einen anziehe. In Ländern wie Indien oder Indonesien ist der Rock bis heute täglich getragene Realität für Frauen und Männer. Ich lasse mir ungerne vorschreiben, was ich anziehe, besonders wenn es meine Befindlichkeit einschränkt. Und gegen Hitze bin ich sehr empfindlich. Formelle Kriterien müssen der Bequemlichkeit angemessen folgen. Das fordert mich heraus, meine Freiheitsliebe zu verteidigen. Das macht mir den Rock auch zu einem Zeichen, mit dem ich sagen will: Mit mir könnt ihr das nicht machen. Mich könnt ihr nicht mit euren zweifelhaften Regeln zur Kleider¬ordnung gängeln.

Erste praktische Erfahrungen zeigen, der gesellschaftliche Widerstand gegen den Männerrock ist nicht so stark, wie allgemein befürchtet wird. Wahrscheinlich übertreiben wir ein wenig. Wir haben nur Angst vor Widerstand. Es sind unsere Ängste, die Bedenken groß malen. Die Leute wissen doch, wenn sie ein wenig nachdenken, dass Männerröcke nicht wirklich etwas Neues sind. In den Fernsehserien über das Alte China, die täglich in Taiwan von vielen Menschen an den Fernsehschirmen verfolgt werden, gibt es nur Männer in Röcken.

Die meisten tolerieren die Änderung meines Bekleidungsstils, anderen ist es einfach egal. Nicht wenige begrüßen es. Die übrigen, die Männer in Röcken unangemessen und bedenklich finden, protestieren vielleicht am lautesten, aber das macht sie nicht zur Mehrheit. Sie werden es ertragen müssen. Ich lebe doch nur mein Leben, so wie sie ihr Leben leben. Das ist doch nur ein Stück gelebte Gleichberechtigung. Den Respekt gegenüber anderen sollten wir auch für uns in Anspruch nehmen. Wir alle sollten unsere Freiheit zur Freiheit aller machen. Freiheit nur für eine Gruppe, selbst wenn sie die tonangebende Mehrheit ist, schafft Ungleichheit. Wenn die Freiheit von Minderheiten darin besteht, der Mehrheit zu folgen, leidet kulturelle Vielfalt darunter.
Freiheit beginnt in uns. Sie nimmt Rücksicht auf individuelle Besonderheiten. Nur was uns gut tut, kann uns glücklich machen. Zuerst müssen wir mit uns selbst im Reinen sein. Dann erst können wir effektiv an andere denken. Unglückliche Menschen können ihre Mitmenschen nicht glücklich machen. Und bei den anderen sollten wir nicht nur an die großen Mehrheiten denken. Gerne setze ich mit meinem neuen Dresscode auch ein Zeichen für Minderheiten. Es gibt da draußen genügend Menschen, die von einer Welt träumen so bunt und frei wie ein Regenbogen. Die kann ich mit meinem gewonnenen Glück ein bisschen glücklicher machen. So ist mein Rock eine Art Klimaanlage gegen heißes Wetter und durch den öffentlichen Auftritt Hoffnungsbringer für Frieden, Toleranz und vor allem Respekt für jeden, einfach weil Menschen Menschen sind. Mir gefällt es, unter Menschen Rock zu tragen. So kann ich ein Beispiel geben für etwas, was selbstverständlich sein sollte.
Unsicherheit ist am Anfang verständlich, wo man sich anders verhält als die Mehrheit. Sie ist aber nicht angebracht, weil es überzeugende Argumente gibt, die das Rocktragen sogar trendy machen können. Am Anfang hilft es, wenn man sehr beschäftigt oder gar in Eile ist. Eine enge Tagesplanung hilft, wenig Zeit zum Nachdenken zu finden. Wozu soll man sich auch über etwas Gedanken machen, dass man im Vorfeld gründlich durchdacht und entschieden hat? Unsicherheit sollten im Übrigen die Leute empfinden, die Vorurteile hegen, damit sie einen Anlass finden zum Nachdenken. Ich muss mich nicht rechtfertigen dafür, dass ich ausschere aus dem Kollektiv der gesichtslosen Biedermänner. Ich habe nichts zu verbergen.
Es würde mich ärgern, mir ein Verhalten versagen zu müssen, dass andere in Frieden lässt. Es würde mich empören, in einer persönlichen Angelegenheit dem Geschmack anderer entsprechen zu müssen. Böse Blicke beantworte ich mit Freundlichkeit. Glücklicherweise erlebe ich ganz überwiegend Friedfertigkeit und Respekt. Das gibt mir auch in der Öffentlichkeit Geborgenheit durch menschliche Wärme. Häufig werde ich angesprochen, weil Menschen ihre Neugierde nicht zügeln wollen. Immer gibt es dann auch Solidaritätsbekundungen. Wenn ich mich in einer freien Gesellschaft frei bewegen kann, dann fühle ich auch im Rock einen Frieden, ganz bei mir zu sein. Dann bin ich einfach ganz ich unter gleichen. Ich ruhe in mir und bin entspannt. Einzelne verständnislose Blicke prallen an mir ab. Die haben ja keine Ahnung von Glück und Freiheit. Ihre Welt ist mir zu klein.
Gehe ich auf Glotzer zu, spüre ich plötzlich ihr Unbehagen und ihre Unsicherheit. Nie können sie meinem Blick standhalten. Was bin ich froh, nicht einer von denen zu sein. Manchmal empfinde ich Mitleid mit ihnen, wenn sie sich hinter einer pseudomännlichen Fassade aufbauen, die sie nicht auszufüllen vermögen. Mein Gott, was können Männer peinlich sein.
Es erfüllt mich mit etwas Stolz, meine eigenen Ängste, die aus nichts als überkommenen Vorurteilen bestanden, überwunden zu haben. Das Gefühl der Freiheit von selbstverschuldeter Unfreiheit äußert sich in einer gewissen Euphorie. Jetzt genieße ich es doppelt, einen Rock zu tragen, und schlage ungern eine Gelegenheit dazu aus.

Und ich bleibe nicht allein mit meinem Bedürfnis nach angemessener sommerlicher Beinkleidung. Es gibt Hoffnung. Der heiße Sommer 2015 hat in Deutschland einiges bewegt. Unter dem Titel „Was anziehen bei 40 Grad“ finde ich einen Artikel der Deutschen Presse Agentur. Dort schreiben Experten des Deutschen Mode Instituts über ihre aktuellen Beobachtungen und Trends. Ich stelle fest, dass mit zunehmender Sommerhitze der Sinn für praktische Kleidung wächst. Ein Fachmann wird zitiert: „Es geht um Funktionalität und Bequemlichkeit.“ Weiter schreibt er: „Es gibt eine Androgynisierung der Mode. Die Kleidung von Männern und Frauen gleicht sich diesen Sommer immer mehr an. Fachleute beobachten, dass weite Beinkleider im Stil der weiblichen Marlene-DietrichHose, derzeit bei Männern angesagt sind. Mann will das Bein umspielt wissen, damit der Stoff nicht an der verschwitzten Wade klebt.“
Genau darum geht es auch mir. Ich leide also nicht alleine in engen Hosen. Es ist vor allem ein unnützes Leiden. Frauen tun sich das nicht an. Sie machen vor, wie leicht es ist, sich dem Unsinn zu entziehen. Vor allem ist es ein selbstverschuldetes Leiden durch Selbstbeschränkung. Was macht coole Männer so zaghaft. Erst ihre Scheu macht den Rock zur Frauensache. Wir müssen nur dem Beispiel der Frauen folgen. Weite Hosen, Hosenröcke und Röcke sind weder im biolo¬gischen, noch historischen Bezug geschlechtsspezifisch.

Was liegt also näher, als da weiterzumachen, wo ich angefangen habe? Meine Junior-College-Klasse hat das schon vorgeschlagen. Der überwiegende Teil des Kollegiums stehen hinter mir. Zwei Kollegen haben vom Urlaub auf Bali einen Sarong mitgebracht. Ein dritter hat im Urlaub auf Sri Lanka einen Lungi getragen. Und ein vierter Kollege hat auf einem Abi-Festival mit anderen Abiturienten einen Kilt getragen. Die gelebte Toleranz im Fachbereich reicht weit. Das weckt den Eindruck, als sei sie belastbar.
Das gilt auch jetzt für die taiwanischen Schulen. Nach einer Entscheidung der neuen Regierung wurde 2016 die allgemeine Pflicht zur Schuluniform aufgehoben. Die Entscheidung zur Schulbekleidung trifft jede Schule von nun an eigenständig. An den Schulen, die die Uniform¬pflicht aufgehoben haben, finden sich seitdem auch Jungen, die im Rock zum Unterricht erscheinen. Alle Tageszeitungen haben darüber berichtet.

Abb.22: Schüler einer Senior High aus Kaohsiung

Die Kleiderwahl ist frei, solange eine Kleiderordnung nicht Näheres regelt. So ist es nicht verwunderlich, das Feuerwehrleute keine Röcke tragen dürfen und ihr Schuhwerk mit Stahlkappen verstärkt sein muss. Auch ich muss eine Kleiderordnung befolgen. Mit meiner Unterschrift unter dem Arbeitsvertrag für Lehrer an einer konfessionellen Lehranstalt habe ich auch zugesagt, mich der katholischen Werteordnung ange-messen zu verhalten.
Natürlich wird das von den Lehrern verlangt. Das ist legitim! Ich habe Verständnis für Skepsis und Bedenken gegen meine Rockbestrebungen, denn ich versuche Gewohnheiten und Konventionen zu verändern. Das steht im Kontrast zum Bewahren durch Konservierung einer traditionsreichen Ordnung, deren Repräsentanten in einer Schule die Lehrer sind. Damit will ich nicht brechen, sondern für Einsicht und Entwicklung werben. Ich glaube an die alte Weisheit vom weichen Wasser, das in ausreichender Zeit den Stein höhlt. Wichtig ist, dass auf einer langen Reise der Horizont näher rückt und nicht ein Ende droht, wie im Gedicht von Joachim Ringelnatz von den zwei Ameisen, denen schon am Anfang eines langen Weges in Hamburg-Altona die Beine wehtaten, weswegen sie bekanntermaßen die Weiterreise nach Australien abbrachen. Die Bilanz meiner Aktivitäten und die weiteren Aussichten sind doch zufriedenstellend.
Es gab die Karnevalsverkleidung, die sich wieder-holen wird. Halloween bot mir die Gelegenheit, mich als Hexe in einem langen, schwarzen Kleid zu versu-chen. Fürs nächste Halloween ist der Tod als Sensen-mann mit langem Rock und Kapuzenpulli angedacht. Schottische Nationalfeiertage sind ein willkommener Grund, Kilt zu tragen. Des weiteren bietet am 8. März der Weltfrauentag die Gelegenheit, im Rock auf Kleidung als gesellschaftliches Instrument hinzuweisen, das je nach Intention die Geschlechter trennen oder verbinden kann. Den Marketingunterricht mit Rollenspielen zum Thema Mode werde ich weiter entwickeln. Unterrichtsschwerpunkte in höheren Klassen mit Themen zur Modegeschichte oder einer Themenreihe über aktuelle Politik, die Genderfragen einschließt, werden folgen.

So lange der Weg am Arbeitsplatz noch weit ist, kann es reguläre Rockpraxis nur in meiner Freizeit geben. Wie das konkret aussieht, muss ich herausfinden. Erste Ideen suche ich ab jetzt beim Shoppen. Ich fange an, gezielt durch die Damenabteilungen zu schlendern. Das ist ganz einfach. Die sind immer am Eingang oder auf den unteren Etagen. Ich brauche einfach nur nicht weiterzugehen bis zur Herrenmode, die entweder weiter hinten im Laden ist oder auf einer höheren Etage. Warum ist mir das früher nicht bewusst aufgefallen? Zu Hause durchstöbere ich online Modekataloge. Ich bin beeindruckt von dem viel größeren und vielfältigeren Angebot. Selbst das Angebot an Hosen ist für Frauen umfang¬reicher. Es gibt mehr Farben, mehr Muster und mehr Schnitte. Mein Eindruck ist, dass in den Damenabteilungen auch eine heiterere Stimmung herrscht als in den düsteren Herrenabteilungen, mit ihren überwiegend dunklen Farben und strengeren Mustern. Von Aus¬nahmen abgesehen wirkt Herren-mode insgesamt nüchterner und kälter als Damenmode. Blumen, verspielte Muster und viel Farbe stimmen einfach freundlicher und fröhlicher. Bei formaler Kleidung fällt der Unterschied besonders stark auf. Herrenanzüge zeigen wenig Spielraum bei den Schnitten. So wirken sie schon sehr uniform. Mut zu Farbe findet man nur bei den Krawatten.
Anfangs beschäftige ich mich mit den Konfektionsgrößen. Online ist die Auswahl großer Größen riesig. Aber auch in den Boutiquen werde ich fündig. Offensichtlich passt nicht wenigen Frauen Größe 40/42. Mancher Rock, den ich vom Kleiderständer nehme, entpuppt sich als Hosenrock oder Rockshorts. Neugierig vergleiche ich diese Zwitter aus Rock und Hose. Manche wirken optisch wie ein Rock. Erst ein genauer Blick zeigt ein zweiteiliges Beinkleid. Andere Hosenröcke sind einfach nur weiter geschnittene Hosen. Dazwischen gibt es viele Mischformen, die mehr oder weniger der einen oder anderen Seite zuzuordnen sind. Da ist doch für jeden etwas Geeignetes dabei. Entsprechendes gilt für Rockshorts. Das sind Shorts mit einer Art Lendenschurz im Vorderteil, der den Schritt verdeckt. Vielleicht braucht es ja gar nicht gleich einen Rock? Streng genommen sind Hosenröcke und Rockshorts gar keine Röcke. Sie sind auch eine gute Wahl. Sie wären ein bequemer Einstieg, ohne die Umstände des Rocks als heutzutage bevorzugtes weibliches Kleidungsstück zu berühren. Niemand sähe so leicht die derzeitigen Geschlechternormen gefährdet.
Mir wäre das sehr recht. Denn ich muss zugeben, mir fällt es nicht leicht, meinen Willen zum Rock umzusetzen, einen Rock zu nehmen und dann damit zuerst in die Anprobe und dann zur Kasse zu gehen. Ja, was denken denn die Verkäuferinnen? Meine Erziehung hat mich tief geprägt. Sie meldet sich immer wieder, meist in ungünstigen Momenten, wenn mein Verstand sagt: ‚Der Rock steht dir. Du brauchst ihn nur noch anprobieren.‘
Mein Mut wächst vorübergehend, wenn ich mich daran erinnere, dass auch Hosenröcke mal männlich waren. Petticoat Breeches, die im siebzehnten Jahrhundert in Deutschland als Rheingrafenhosen bekannt wurden, waren der Hosenrock für den männlichen Adel und das modebewusste Bürgertum. Eine andere Hosenrockvariante wird traditionell beim Sport verwendet. Kendo-Kämpfer tragen noch heute den Hakama.
Den Hosenrock für Frauen gibt es erst seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Der Begriff Hose wurde anfangs gemieden, denn für Frauen war die Hose noch ein Tabu. Man sprach lieber von einem geteilten Rock. Der war beim Radfahren und anderen sportlichen Aktivitäten für Frauen die einzige erlaubte Alternative zum Rock.
Instinktiv bleibe ich also bei den Hosenröcken. Ich liebäugele kurz mit einem Exemplar in deutlicher Rockoptik und entscheide dann, es mir mit einem Modell mit tendenzieller Hosenoptik einfach zu machen. Erst bei weiteren Gelegenheiten werde ich mich stufenweise vorantasten. Denn eines ist auch klar. Irgendwann muss es ein echter Rock sein, schon aus Prinzip. Ich bin doch kein Feigling. Ich drücke mich nicht. Damit käme ich nicht klar. Das brächte mein Selbstverständnis als Mann ins Wanken.
Ich fackele nicht lange rum und wähle drei Modelle. Als ich mich nicht weiter entscheiden kann, nehme ich den mit dem günstigsten Preis, fertig. Der gewählte Hosenrock ist schwarz mit kleinen weißen Palmen darauf. Er reicht bis kurz vor den Knierand. Der Schritt ist so tief, das zwischen Knierand und Schritt eine Hosenbeinlänge von etwa zehn Zentimetern bleibt.
Meine Frau findet meinen Einkauf akzeptabel, wenn ich denn darauf achte, immer ein schlichtes, weißes Oberteil dazu zutragen. Das passe perfekt. Na klar mache ich das. Was will ich mehr als ihr Wohlwollen. Begeistert ist meine Frau allerdings nicht. Sie steht meinem Anliegen skeptisch gegenüber. Meine Argumente hat sie durchaus verstanden, aber sie empfindet mich als Konkurrenz. Es hat auch nicht geholfen, dass ich ihr versichert habe, dass sie selbst in Hosen ein besseres Bild abgibt als ich. Ihre Prägung und ihre persönlichen Erfahrungen, dass sie in Kleidern bezau¬bernd aussehen kann, machen es ihr schwer, mir anders zu begegnen als mit vorsichtigem Wohlwollen.
Meine Frau denkt auch, dass ich das Rockthema zu ernst nehme. Es ist nach ihrer Meinung einfach nicht wichtig genug. Auch deswegen toleriert sie nur mein Verhalten, aber sie unterstützt es nicht so gerne. Es fällt ihr schwer zu verstehen, dass der Rock für mich auch ein Beispiel ist, an dem man Verhaltensprinzipien ausmachen kann, die für andere Probleme stehen und somit übertragbar oder ableitbar sind. Der Rock ist für mich auch eine unabhängige Variable in einer Frage, der eine allge¬meine Gleichung zugrunde liegt. Umgeformt ergibt sie andere Fragen für andere Probleme. Aber auch bei jeder anderen Problematik bleibt der Platzhalter vergleichbar, denn die Variable ist zwar vom Rock abgeleitet, aber in eine fallunabhängige Form transfe¬riert. Sie ist unabhängig und übertragbar. Sie sagt auch zu anderen Problemen Grundsätzliches, weil sie ein unabhängiges Prinzip erklärt, wie eine allgemeine Formel.
Deswegen befürchte ich auch, dass manche Leute, die mir empfehlen von dem Rockthema abzulassen, weil es zu unwichtig sei, um Widerstand und Sanktionen durch die Gesellschaft zu riskieren, ein grundsätzliches Unbehagen plagt, Stellung zu beziehen, wenn das mit Konsequenzen einhergeht. Ich habe Bedenken, dass sie bei noch dringlicheren gesellschaftlichen Herausforderungen, entgegen ihren Beteuerungen, noch schweigsamer werden und nie eine Hilfe im Kampf für Menschenrechte sind.



Online high4all

  • Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen. (Psalm 18,30)
  • Legende
  • ******
  • Beiträge: 11.667
  • Geschlecht: Männlich
  • ΙΧΘΥΣ
  • Pronomen: Unwichtig
Deswegen befürchte ich auch, dass manche Leute, die mir empfehlen von dem Rockthema abzulassen, weil es zu unwichtig sei, um Widerstand und Sanktionen durch die Gesellschaft zu riskieren, ein grundsätzliches Unbehagen plagt, Stellung zu beziehen, wenn das mit Konsequenzen einhergeht. Ich habe Bedenken, dass sie bei noch dringlicheren gesellschaftlichen Herausforderungen, entgegen ihren Beteuerungen, noch schweigsamer werden und nie eine Hilfe im Kampf für Menschenrechte sind.
Hi Holger,
zwei Anmerkungen zum letzten Abschnitt:

1. Für die allermeisten Männer existiert kein Leidensdruck, der sie dazu bringt, statt einer Hose einen Rock zu tragen.

2. Für sehr viele Männer gibt es keinen Anreiz, statt einer Hose einen Rock zu tragen.

Menschen verändern Dinge nur, wenn der Leidensdruck oder der Anreiz groß genug ist. Weil viele Menschen von Natur aus bequem sind, machen sie sich nur dann auf den Weg, wenn sich die Mühe lohnt oder der Status quo unerträglich wird.

LG
Hajo
Herr, ich danke Dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele. (Psalm 139,14)

Never be limited by other people's limited imaginations. (Dr. Mae Jemison)

Wenn wir es recht überdenken, so stecken wir doch alle nackt in unsern Kleidern. (Heinrich Heine

androgyn

  • Gast
Begeistert ist meine Frau allerdings nicht. Sie steht meinem Anliegen skeptisch gegenüber. Meine Argumente hat sie durchaus verstanden, aber sie empfindet mich als Konkurrenz. Es hat auch nicht geholfen, dass ich ihr versichert habe, dass sie selbst in Hosen ein besseres Bild abgibt als ich. Ihre Prägung und ihre persönlichen Erfahrungen, dass sie in Kleidern bezau¬bernd aussehen kann, machen es ihr schwer, mir anders zu begegnen als mit vorsichtigem Wohlwollen.
Deine Frau sieht die Frau in dir als Konkurrentin, nicht dich.
Du kommst mit rationalen Argumenten nicht gegen die Emotionen bei Frauen an. Wenn eine Frau ihr Weltbild hat, ist es unumstößlich.

Deswegen befürchte ich auch, dass manche Leute, die mir empfehlen von dem Rockthema abzulassen, weil es zu unwichtig sei, um Widerstand und Sanktionen durch die Gesellschaft zu riskieren, ein grundsätzliches Unbehagen plagt, Stellung zu beziehen, wenn das mit Konsequenzen einhergeht.
Wer sind die Leute? ist dir das schon passiert?

LG

Offline Asterix

  • Routinier
  • *****
  • Beiträge: 2.926
Du kommst mit rationalen Argumenten nicht gegen die Emotionen bei Frauen an. Wenn eine Frau ihr Weltbild hat, ist es unumstößlich.

Tja, das gilt nicht nur für Frauen, sondern für Menschen allgemein. Meine z.B. Eltern oder Brüder waren für Argumente nicht zugänglich...

Deswegen befürchte ich auch, dass manche Leute, die mir empfehlen von dem Rockthema abzulassen, weil es zu unwichtig sei, um Widerstand und Sanktionen durch die Gesellschaft zu riskieren, ein grundsätzliches Unbehagen plagt, Stellung zu beziehen, wenn das mit Konsequenzen einhergeht.

Was sind das für Leute, fragt rock aktiv. Tja, das sind Leute wie Dein Ex-Chef z.B. Oder Deine Familie. Auch in mir beobachte ich oft die Neigung, unangenehme Themen lieber nicht anzusprechen....zum  Glück arbeite ich daran, dass es besser wird. Allgemein gesagt, jeder von uns hat diese Neigung, Gedanken, Meinungen etc. zu unterdrücken, vor allem bei sich selbst, Selbstzensur...
"Fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen" (Giovanni Bosco)


androgyn

  • Gast
Was sind das für Leute, fragt rock aktiv. Tja, das sind Leute wie Dein Ex-Chef z.B. Oder Deine Familie. Auch in mir beobachte ich oft die Neigung, unangenehme Themen lieber nicht anzusprechen....zum  Glück arbeite ich daran, dass es besser wird. Allgemein gesagt, jeder von uns hat diese Neigung, Gedanken, Meinungen etc. zu unterdrücken, vor allem bei sich selbst, Selbstzensur...
Das meinte ich mit meiner Frage. Nicht unbedingt, ob jemand das komisch findet, sondern explizit ermahnt, dass man die Finger von Drogen und Alkohol lassen sollte oder nicht gegen die Mafia als Kronzeuge aussagen sollte. Die Gedanken unterdrück ich gegenüber meiner Familie ja nicht. Darum war meine Frage, welche Leute wortwörtlich sagen, "Lass vom Rockthema ab, es bringt dich in Gefahr." Warum sollte man sich damit nicht beschäftigen wollen, außer dass man Gefahr läuft, es selber zu probieren? Ich glaub manchmal, ein drogenabhängiger Sohn ist gesellschaftlich akzeptabler als ein Junge im Rock oder falschem Geschlecht.


 

SMF 2.0.19 | SMF © 2020, Simple Machines | Bedingungen und Regeln

go up