Ich finde Nicos Erfahrungen beeindruckend, denn ich erlebe es ganz anders. Vielleicht haengt das von der Branche oder der Position ab. Gerade bei leitenden Angestellte und gerade wenn ich Karriere machen will oder wenn ich mich als Projektleiter bewerbe, erlebe ich, dass ein betont konservatives Auftreten gewuenscht ist. Deswegen richten einige Kollegen sogar die Anzugswahl am Vorgesetzten aus.
Es ist eine Sache sich Freiheiten zu nehmen, wenn man Fuss gefasst hat im Job, aber bekomme ich auch einen Job oder eine leitende Position, wenn ich zum Interview berockt erscheine oder wenn ich einen Mentor oder eine Seilschaft fuer meinen Aufstieg brauche?
Wie gesagt, ich würde das auch als Bankenschnösel machen. Zumindest würde ich es drauf anlegen. Was soll schon als passieren, wenn man schon Banker ist? Als Banker bekommste immer eine Stelle, irgendwo als wie als kleiner Verkäufer oa.
Seit wann richten die Kollegen, ihrem Vorgesetzten Kleidervorschriften aus. Was ich bisher immer gesehen habe, werden die kleinen Fußlatscher und Laufburschen zum Anzug dekardiert, während die hohen Tiere in Jeans und Pulli kommen.
Das ist gerade der Logikfehler, den auch viele Leute, die mit sagen wir, 40 zu ihrer Transidentität bekennen und mehr als 20 Jahre in einem Unternehmen arbeiten. Wenn du als "Mann" in diesem Beruf Fuß gefasst hast, wird es um so schwieriger, wenn du dich plötzlich anders anziehst, und sei es nur ein Rock oder sonst was aus der Damenabteilung. Die sehen das dann erst recht als Verkleidugn an. Darum erhalten Jüngere, die von Anfang mit offenen Karten spielen mehr Akzeptanz, weil das meiste über Sympathie geht.
Worüber äußert sich das, dass ein konservatives Auftreten erwünscht ist? Sagen die zu dir, bitte keinen Rock, oder bitte keine Tattoos, bitte färben Sie sich nicht die Haare bunt?
Ich glaube nicht, dass es Branchen gibt, die konservativer oder weniger konservativer sind als andere. Wenn ein konservativer Chef im Unternehmen X sitzt ist es automatisch konservativ, obwohl die Branche vielleicht als aufgeschlossen gilt. Und was bedeutet schon konservativ? Wenn ich mir einen biederen Hosenanzug anziehe, bin ich genauso konservativ angezogen, wie meine 50 jährige Kollegin. Wobei selbst die flippiger rumläuft als ihre jüngeren Kollegen.
Ich lecke jedenfalls nicht irgendeinen Chef am Arsch. Er will ja auch was von mir.
Und ich gehe ja auch nicht hin und sage "boah alter, mir gefällt dein Haarkranz nicht, es wäre besser, wenn du das versteckst. Was sollen die Kunden bloß denken?"

Keine Sorge, ich bin immer zu meinen Vorgesetzten freundlich. Die Diskussionen treten manchmal, wenn einige das nicht kennen, schon noch auf. Das letzte mal habe ich einfach gesagt, dass ich nicht nackt gehen kann und dass ich mir keine Männersachen kaufen werde, die ich eh nicht anziehe. Da müssen sie schon noch einen tausender drauflegen. Vielleicht habe ich auch nur Glück, dass mein Chef früher selber in der Goth Szene unterwegs gewesen ist. Komisch, seit meinem individuellen Kleidungsstil ziehe ich sowieso Firmen an und teilweise sogar richtig gute, die zu mir passen, als das ich ich erst abwägen muss wie die dort ticken. Das erleichter vieles ungemein und spart mir Zeit und nerviges Bewerben oder Vorstellungsgespräche, wo eh nix daraus werden würde.
Du machst dich von "Normalos" abhängig, obwohl die ein sehr beschränktes Geschlechterbild haben?
Das ist doch genau die Aufgabe, denen ihr Weltbild einzureißen. Sie sollen merken, dass sie nicht alleine sind und sich für das nonplusultra halten. Wir sind aber auch nicht das nonplusultra.
Ich versteh's nicht. Brauchst du andere, damit du eine Begründung hast? och, guck die anderen tragen doch auch einen Rock. Dass du dich nicht so alleine fühlst? Als jemand "normales"?
Damit tritt nämlich ein Seiteneffekt auf. Punks und Goths bspw. sehen es nicht gerne, wenn jemand sich aus ihrer Subkultur bedient, ohne einen Bezug zu haben. Leute, die etwas ohne Überzeugung tragen, nur weil es gerade Mode oder In ist, werden berechtigt als Mitläufer bezichtigt. Der Fachname fällt mir gerade nicht ein.
Ich kann mir folgendes Szenario vorstellen. 2070, wenn es cool ist Röcke zu tragen, sieht die Jugend alte Männer
in Röcken und beanspruchen ihren "Trend" ihre "Idee" für sich und behaupten dann vielleicht noch dreist, dass die alten Säcke es der Jugend nachmachen, weil es ja so cool ist, obwohl es die Alten waren, die in den 2000er Jahren als erstes Röcke trugen und sich die ganze Aufklärungsarbeit aufgehalst haben. Undank ist der Welten Lohn, gell...
@Barefoot "Klar. Dort wird die Seriösität leider am Äußeren festgemacht. Ich halte ja auch Vorträge, aber mittlerweile erscheine ich dort genauso, wie ich sonst auch bin." Merkwürdigerweise tritt die Akzeptanz ein, mit dem was ein Mensch tut oder leistet. Ich bin nicht grundsätzlich für diese Einstellung, weil es genauso oberflächlich und ausgrenzend ist, wie wenn man Menschen über ihr Aussehen definiert. Was aber höre ich immer. Jeder denkt, dass ich entweder keine Arbeit haben kann, wobie schon viele ins grübeln kommen dürften, mich jeden morgen zur Arbeit fahren zu sehen. Die können sich ja nicht vorstellen, wer so jemanden wie mich einstellt, wo wir wieder bei Holgers ersten Punkt wären oder ich mache irgendwas mit Mode.
Wenn ich denen dann sage, was ich mache und wo und für wen, bleibt denen erstmal der Kloß im Hals stecken. "Echt?

Ich... ich...dachte..du..." "Na was dachtest du? Dass Transvestiten und Crossdresser irgendwie plem plem im Schädel sind? Sind wir nicht. Im Gegenteil." "Nein, nein..das nicht aber..." "Was aber? Solche Leute sind kreativ und schlau, darum sind wir ja so gefestigt und können Dinge hinterfragen, um uns auf neues Terrain zu begeben, wo andere weiter ihr totes Pferd reiten, ohne es zu merken."
"ich find's cool, dass du/Sie dazu stehst . Ehrlich. Man rechnet doch nicht damit und ich habe solche Menschen wie dich/Sie noch nirgend real gesehen." "Das glaub ich dir doch."