Hallo Holger.
Haha, ich versuche noch immer mir das Amüsiertsein zu verkneifen. In Wirklichkeit bin ich verzweifelt, weil ich gar nicht weiss, womit ich als erstes einsteigen sollte. Jedenfalls hat mich praktisch jeder Satz erheitert.
Und praktisch jedem Satz könnte ich aus meiner Sichtweise heraus widersprechen.
Vor allem drehst Du irgendwie vollkommen den Spieß um - Micha hatte da auch schon so eine Tendenz -, wenn Du meine Sichtweise als eine allzumenschelnde darstellt, wohingegen ich zuvor die Standard-Haltung eben als eine solche allzumenschelnde darstellte.
Das ist doch alles nur Definitionssache. Und da Du auch Gott mit ins Spiel bringst, wohl auch eine ganz gehörige Portion Glaubenssache.
Wenn aber in einem Urtierchen von Anfang an praktisch alles angelegt ist, was irgendwann mal hervorgebracht werden kann, dann braucht dieses Lebewesen eine sublimierte Allwissenheit, wie sie einem Gott zugesprochen wird.
Warum???
Woher nimmst Du denn die "Allwissenheit"? Es braucht doch nur das zu wissen, was es selbst betrifft. Nach den besten Möglichkeiten, die es nun mal hat oder nicht hat. Funktioniert oder funktioniert am Ende halt nicht. Weder ein Urtierchen oder heutiger Einzeller braucht Allwissenheit, noch ein Mensch hat Allwissenheit, noch nicht mal das Unviversum könnte je Allwissenheit haben, denn dann bräuchte es im alleruntersten Minimum ein zweites Universum, um all das Wissen abzubilden bzw. zu repräsentieren.
Wissen braucht ein Wesen doch nur um die Dinge, die um und mit ihm geschehen mit den besten Möglichkeiten, die diesem Wesen zur Verfügung stehen. Dieses Wissen ist freilich aber immer nur ein kleiner Ausschnitt von allem, was mit diesem Wesen und um dieses Wesen passiert. Aber eben die versuchte, bestmögliche Art, sich selbst zu schützen und nach den besten, aber begrenzten Möglichkeiten dementsprechend zu re-/agieren.
Du bringst Gott ins Spiel. Alleine daran kann ich ablesen, dass Du trotz Deiner stark wissenschaftlich-basierten Denkweise Gott einen wesentlichen Gestaltungsspielraum zubilligst, der dort in dieser Weise gar nicht nötig ist.
Ich als jemand, der katholisch sozialisiert wurde und bis zum heutigen Tag ein zur Kirchsteuer veranlagter Katholik bin, brauche für meine Denkansätze - soweit wir sie hier bzw. ich hier diskutiere - keinerlei Aktion von Gott, um das zu erklären, worüber Wissenschaftler sich gegenseitig in ihren Glaubenssätzen die Köpfe einhauen. (Ich weiss, etwas sehr barsch ausgedrückt.)
Wenn du das Bewusstsein der Existenz von Anfang an als gegeben ansiehst, dann geht die Schöpfung nur mit Gott.
Wieso? Woran machst Du das fest? Doch auch nur an irgendwelchen Überzeugungsgrundsätzen.
Ausserdem habe ich das Bewusstsein der Existenz
nicht von Anfang an als gegeben gesehen, sondern erst
ab dem Moment, wo sich ein sich erfolgreich, dauerhaft reproduzierendes Leben gebildet hat. Das macht schon einen Unterschied, ehe sich vom Zusammenhang losgelöste Aussagen verselbständigen.
Und ja, ich sehe das mit meinen menschlich geprägten, mir gegebenen Denkmöglichkeiten frei von irgendwelchen vorhergedachten Überzeugungsgrundsätzen - da sehe ich es für logisch an, dass jedes sich für mehrere Generationen reproduzierende Wesen eine Art Bewusstsein seiner selbst braucht. Ohne das kann es sich nicht gegen die Gefahren, die überall lauern, schützen. Und ohne das kann es nicht in seiner Umwelt agieren/reagieren, um sich selbst zu erhalten und zu reproduzieren.
Dieses Bewusstsein ist nicht so komplex wie die des Menschen, freilich nicht - der Mensch besteht aus - kann man nachsehen - unheimlich vielen Zellen. Aber auch in einem Zellverband braucht jede einzelne Zelle ein Bewusstsein seiner Existenz, um zu bestehen.
Freilich fällt uns schwer, jeder lebenden Körperzelle in uns ein Bewusstsein zuzuschreiben, wo wir doch Mühe haben zu lokalisieren, wo in unserem Hirn eben jenes Bewusstsein angesiedelt ist - jedenfalls das, wofür wir es halten.
Aber da fängt auch schon eine weitere Schwierigkeit an. Wir (genauer: die Forscher) trachten danach, diese Fragen nach "Wo sitzt unser Bewusstsein?" oder nach diesem oder nach jenem zu forschen und arbeiten mit einer Vielzahl von Indizien daran, das zu erkennen. Und ein wichtiges Hilfsmittel mit bildgebenden Verfahren gibt uns da vortreffliche Einblicke - blendet aber aus, was es in der Verkürzung der Darstellung ausblenden muss.
Wir legen Menschen in die "Röhre" und stellen den Probanden irgendwelche Aufgaben, die Alltagssituationen nahekommen sollen. Die bildgebenden Verfahren versuchen oft, die Zentren der beteiligten Hirnareale ausfindig zu machen, indem deren Aktivität gemessen wird.
Zwangsläufig werden Bereiche mit weniger Aktivität ausgeblendet. Grundrauschen und Aktivitäten, die unterhalb des Grundrauschens liegen und Aktivitäten die unterhalb irgendeiner willkürlich festgesetzten Untergrenze liegen, werden ausgeblendet. Ausserdem werden nur spezielle Signale des Stoffwechsels abgebildet, andere Prozesse bleiben unsichtbar.
Wer sagt, dass die ausgeblendeten Aktivitäten in ihrer Summe nicht ebenso wichtig sind an der Erfüllung der von uns gedachten Leistungen? Wer sagt, dass alles nur in diesen bildgebenden Zentren stattfindet? Wer sagt, dass nicht mehr oder weniger jede Körperzelle, egal welche, am Zustandekommen der Leistungen beteiligt ist? (Sarkasmus an) Eine Körperzelle sonstwo am Arm - nur mal so daher schwadroniert - darf natürlich keinen Anteil an dieser Leistung haben, weil sie im bildgebenden Verfahren nicht rot aufleuchtet! (Sarkasmus aus) Zack! Glaubenssatz!
Aber bei all den noch so interessanten Erforschungen z.B. der Neurowissenschaft fliessen schon so viele - "menschengemachte" Vorannahmen ein, ohne die wissenschaftliche Erkenntnisse vielleicht auch gar nicht möglich wären (vielleicht), die aber von vornherein auch grundlegende Überzeugungsmuster mit beinhalten.
Deswegen warte ich nicht, bis die Wissenschaft beweist, dass ich mit meiner Grundannahme, dass alles Menschliche im Grunde jedem Leben in einer Grundform zugehörig ist, eventuell richtig liege. Jede Erkenntnis darüber wäre mir freilich sehr recht. Aber ich warte lieber, bis mir die Wissenschaft zweifelsfrei und ohne erkennbare glaubensbasiert oder zu kurz definerierte Überzeugungen nachweisen kann, dass solche Leistungen wie Bewusstsein eben in einem Einzeller noch nicht vorhanden ist.
Ein Einzeller braucht kein Allwissen. Ein Einzeller braucht kein autobiografisches Gedächtnis. Um zu funktionieren. Wobei letzteres sicheres hilfreich wäre. Je besser, desto erfolgreicher. Gewiss. Und vielleicht hat ein Einzeller sogar auch das: ein autobiografisches Gedächtnis. Und je mehr ich darüber nachdenke, desto eher glaube ich das auch, dass das bereits selbst ein Einzeller haben kann / wird.
Wenn aber in der Ursuppe der Evolution Moleküle sich chemisch verbinden, weil sie zufällig reaktionsfähige Radikale haben, dann entsteht unter Umständen Leben. Das ist aber gerade am Anfang zu einfach gebaut, um ein Bewusstsein zu seinem Überleben zu entwickeln. Voraussetzung dafür wäre die Herstellung eines entsprechenden biophysikalischen Systems aus weiteren Molekülen. Einfaches Leben folgt chemischen Zwängen. Das Lebewesen lebenserhaltende Eigenschaften haben, ist das Ergebnis von Mutationen, die sich in einem Selektionsprozess durchgesetzt haben. Und dann gibt es immer noch nicht ein Bewusstsein darüber weil eine Eigenschaft nicht automatisch eine Bewusssein dieser Eigenschaft voraussetzt.
"...weil eine Eigenschaft nicht automatisch ein Bewustsein dieser Eigenschaft voraussetzt." - Ha, auch wieder eine Annahme, die grundlegend von einer Glaubenshaltung beeinflusst ist - wie all Deine Sätze. Meine sicherlich auch. Nur halt anders.
"weitere Moleküle" - Ja! Freilich! Wir reden nicht von einer "stumpfsinnigen" DNA oder RNA, wir reden von einer Zelle. Und die beinhaltet mehrere Molküle. Etliche Moleküle bilden zum Beispiel die Zellwand. Damit grenzt sich der Organismus gegen seine Umwelt ab. Innerhalb seiner Zellwand schafft sich der Organismus die Bedingungen, um die DNA, die er auch beinhaltet, vor dem Zerfall zu schützen und um diese bei Gelegenheit zu duplizieren, damit die Zelle sich teilen kann. Dazu braucht es weitere "Apparate" und Moleküle um all das zu gewährleisten. Von meinem flüchtigen Biologie-Schulwissen und von später habe ich noch in Erinnerung, dass in Zellen Organellen gibt - Funktionseinheiten um irgendetwas zu machen - zum Beispiel für das Kopieren der DNA, z.B. zum Ermöglichen des Stoffwechsels, z.B. zur Lebenserhaltung und dem (mindestens) stofflichen Austausch mit seiner Umgebung ausserhalb der Zellwand; Agieren / Reagieren auf die Umwelt, je nach Möglichkeiten, ebenso mit eingeschlossen. Ein Einzeller schafft in seiner integralen Einheit innerhalb seiner Zellwand eine Art 'Ursuppe' mit Funktionseinheiten, um all das zu ermöglichen.
Wer kann denn mit Sicherheit sagen, dass da nicht irgendeine Funktionseinheit oder das Zusammenspiel bestimmter Moleküle all das hervorrufen, was wir mit 'Wissen', 'Willen', 'Bewusstsein', 'Verstand', 'Intelligenz' und vieles mehr bezeichnen?
Wir alle wissen, dass auch höhere Lebenwesen letztlich auf Zellteilung beruhen. Und wir alle wissen, dass nicht nur die DNA sich vererbt, sondern auch die Mitochondrien (und zwar bei zweigeschlechtlicher Vermehrung nur auf der weiblichen Vorfahrenslinie) sowie andere Inhalte der ursprünglichen Zelle, aus der dann zwei werden.
Genau da, jenseits der mitgegebenen DNA ist doch auch das angesiedelt, was wir inzwischen unter Epigenetik verstehen. Eine Vielzahl von Informationen, die aufgrund der Lebensbedingungen geprägt wurden. Ist nicht das auch genau das, was von Zelle zu Nachkommenzelle an 'Wissen' weitergegeben wird? Ist dies nicht sogar auch das, was ich oben als "autobiografisches Gedächtnis" angesprochen habe? Kann also nicht auch ein Einzeller bereits ein autobiografisches Wissen sammeln und auf dieses als Verhaltensmuster zurückgreifen, optimieren und weitergeben?
Mit jedem dritten Satz, den ich hier schreibe, verdichtet sich meine Überzeugung, dass das alles in jedem Leben schon innewohnt. Dass wir nichts, was wir an uns Menschen beobachten, als hervorgehobene, befähigte Spezies besitzen, sondern dass das alles ganz natürliche, dem Leben zutiefst innewohnende Fähigkeiten sind. Bei Pflanzen mag das äusserst anders organisiert sein - die haben ja auch völlig abweichende Lebensvoraussetzungen - aber auch dort, nur anders organisiert, wozu wir vermutlich noch ein paar Jahrhunderte brauchen, um auch das zugestehen zu können.
Und bei vielen Tieren auch sehr anders organisiert als bei uns Menschen. Darum tun wir uns ja auch so schwer mit diesem Verständnis.
Oder wir bemühen gar solche Glaubensgrundsätze:
Einfaches Leben folgt chemischen Zwängen.
Aber meinen dabei: "Höheres Leben, also zumindest menschlisches Leben, folgt höheren Zielen, hat höherwertige Fähigkeiten als reine chemisch-physikalische Abläufe".
Und zack! sind wir wieder bei Glaubenssätzen, die jenseits der nachweisbaren Wissenschaft sind - die aber viele Wissenschaften antreiben nach Dingen zu forschen, die diesen Glaubenssätzen bloß nicht wiedersprechen, ja gar belegen sollen.
Einfaches Leben folgt chemischen Zwängen.
Ja. Höheres Leben auch. Wir Menschen auch. All unsere tollen Fähigkeiten sind das Ergebnis davon.
Nur sehr, sehr, absolut ungleich viel komplexer als bei einem Einzeller. Und viel komplexer miteinander vernetzt.
Hier mach ich jetzt mal Schluss mit meinem Beitrag.
Meine chemischen Abläufe signalisieren mir Hunger und Aufgaben, die jenseits dieses Forums verankert sind.
Und meine zentrale Stoffwechselüberwachsungseinh
eit signalisiert mir, dass ich aus meiner Umwelt mal wieder eine gewisse Menge H
2O aufnehmen sollte. Meine freie Entscheidung. Mein Wille. Sicher? Mein Trieb aufgrund chemischer Zwänge.